EU und die CELAC-Staaten Erfolgreiches Gipfeltreffen mit Misstönen
Versuch eines Neustarts: Beim EU-Lateinamerika-Gipfel in Brüssel haben beide Seiten mehr Kooperation vereinbart. Eine gemeinsame Verurteilung Russlands wegen des Kriegs gegen die Ukraine wurde aber von einem Land blockiert.
Der Lunch zog sich bis in den Nachmittag: Mechelse Koekoek, gebratenes Huhn auf belgische Art mit mediterranem Gemüse, als Nachspeise gebackene Nektarine - vielleicht die Antwort auf Brasiliens Präsident Luis Inacio Lula da Silva, der sich über zu kleine Portionen bei den Empfängen in Europa beklagt hatte.
Die politischen Inhalte schmeckten nicht allen. Eines der 33 Mitglieder des CELAC-Staatenbundes aus Lateinamerika und der Karibik lehnte den Passus in der Gipfel-Erklärung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine ab. "Zur Ukraine haben wir eine sehr klare Formulierung", sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: "Wir sind uns alle einig, das ist wichtig, alle EU-Staaten und alle CELAC-Mitglieder - außer Nicaragua."
In der Abschlusserklärung äußert sich die Mehrheit der Gipfelteilnehmer tief besorgt über den Krieg. Sie betont, dass ein gerechter und nachhaltiger Frieden notwendig sei. Russland wird nicht erwähnt. Trotzdem sind die Gastgeber und fast alle Gäste hochzufrieden. Der amtierende CELAC-Vorsitzende Ralph Gonsalves spricht von einem historischen Treffen: "Die Beziehungen zwischen der CELAC und der Europäischen Union sind aufgrund dieser Vereinbarung heute stärker als gestern oder vorgestern."
Mehr Wertschöpfung vor Ort
Ein erfolgreicher Gipfel, sagt auch Bundeskanzler Olaf Scholz. Beide Seiten wollen enger zusammenarbeiten, um den Klimawandel zu bekämpfen, die Digitalisierung voranzubringen oder Rohstoffe zu gewinnen. Das ist für Europa besonders wichtig. Aber anders als früher soll ein Teil der Wertschöpfung vor Ort erfolgen.
"Oft ist ja nur alles aus der Erde geholt worden als extractivismo und dann irgendwo hin transportiert worden", so Scholz. "Wir wollen erreichen, dass zumindest die erste Verarbeitungsstufe in den Ländern stattfindet, wo die Rohstoffe sich befinden, dass da Wohlstand mit generiert werden kann."
Nach den Worten von Argentiniens Präsident Alberto Fernandez ist das für die Gastländer ein entscheidender Fortschritt: "Ich bin sehr zufrieden, dass wir das erstmals offen angesprochen haben, um dieser Praxis ein Ende zu setzen, dass Lateinamerika nur Lieferant von Primärprodukten war und wohl immer daran gehindert wurde, eigene Industrien zur Verarbeitung aufzubauen."
45 Milliarden Euro in Aussicht gestellt
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bekräftigte die Absicht, in den kommenden fünf Jahren 45 Milliarden Euro bereitzustellen für Projekte in Lateinamerika und der Karibik. Das Geld kommt aus dem EU-Haushalt, von den Mitgliedsstaaten und der Europäischen Investitionsbank. Es soll etwa helfen, Telekom-Netze in der Amazonasregion auszubauen, Elektrobusse in Costa Rica anzuschaffen oder Hochspannungsleitungen in Paraguay zu modernisieren.
Mit Argentinien und Uruguay wurden Absichtserklärungen abgeschlossen, es geht darum, gemeinsam erneuerbare Energien weiterzuentwickeln und grünen Wasserstoff herzustellen. Mit Chile will die EU bei Lieferketten für Rohstoffe kooperieren. Die Kommissionschefin ist nach eigenen Worten zuversichtlich, dass das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Wirtschaftsbündnis Mercosur spätestens Ende des Jahres umgesetzt werden kann. Das Ziel sei, alle Streitpunkte schnellstmöglich auszuräumen.
Das Abkommen zum Abbau von Zöllen ist beschlossen, aber noch nicht in Kraft gesetzt. Die EU verlangt Nachbesserungen, die Brasilien und Argentinien ablehnen. Bis zum nächsten derartigen Gipfel soll es nicht wieder acht Jahre dauern. Ab jetzt wollen sich beide Seiten alle zwei Jahre treffen.