Innovatives Recycling in Kenia Müll als Ressource
Aus Afrika stammen oft Bilder von Mülldeponien, die bis zum Horizont reichen, mit Schrott, den Europa dort ablädt. Dabei steckt gerade in elektronischen Altgeräten riesiges Potenzial.
Hier wird alles per Hand gemacht: Mit dem Schraubenzieher löst Nahashon Maina elektronische Komponenten von der Platine eines alten Computers. Zusammen mit seinen Kollegen vom WEEE-Centre in Kenias Hauptstadt Nairobi recycelt er Elektroschrott, "Es ist höchste Zeit, dass wir die enthaltenen Materialien zurück auf den Markt bekommen", erklärt Maina. "Ohne dass wir wieder nach Rohstoffen graben müssen."
Pioniere auf dem Gebiet der Kreislaufwirtschaft
Die junge Firma leistet seit 2012 Pionierarbeit. Sie sind die Ersten in Kenia, die alles in einem machen: Elektromüll sammeln, auseinanderbauen und wiederverwerten. So bauen sie beispielsweise aus den Komponenten neue Computer zusammen. Rohstoffe, die sie nicht selbst recyceln können, schicken sie nach Europa. 230 Tonnen Elektromüll konnten sie im vergangenen Jahr sammeln. Mehr als das 200-fache fällt in Kenia pro Jahr an.
"Es geht um die Umwelt, die Reduktion von Giftstoffen, die Wasser, Erde und Luft verschmutzen. Wir erzeugen Aufmerksamkeit und sensibilisieren Gemeinschaften, dass der Elektroschrott auf die richtige Weise entsorgt werden muss", erklärt Joseph Oliech, Projektmanager im WEEE-Centre. Sie haben einen Abholservice eingerichtet, arbeiten mit großen Firmen zusammen, so dass Schrott nicht auf der Müllkippe landet, sondern jeden Abend zu ihnen ins Industriegebiet gebracht wird. Außerdem haben sie Sammelstationen eingerichtet. "Wir konzentrieren uns auf die Kreislaufwirtschaft", sagt der Projektmanager. "Wir versuchen lokale Lösungen zu entwickeln, um Elektroschrott vor Ort nachhaltig entsorgen zu können."
Mitarbeiter des WEEE-Centre bauen aus Altgeräte-Komponenten neue Computer zusammen. Das Unternehmen ist schon seit zehn Jahren am Markt.
Müllrecycling als Zukunftsmarkt
Nicht nur im Land selbst fällt Elektromüll an, sondern er wird auch - oft illegal - nach Afrika importiert. In Kenia ist die Einfuhr von Elektroschrott verboten, doch alte Geräte finden trotzdem ihren Weg ins ostafrikanische Land. Sie werden als gebraucht importiert, erklärt Oliech, halten dann noch ein Jahr, bevor sie endgültig kaputtgehen. Alte Geräte zu recyceln und anständig zu entsorgen werde immer wichtiger.
Im WEEE-Centre wird nicht nur verwertet und recycelt, sondern auch ausgebildet. "Wir konzentrieren uns auch auf den sozioökonomischen Aspekt. Wir kümmern uns um die jungen Leute", sagt Oliech. "Wie können wir sie dafür gewinnen, im Nachhaltigkeitsbereich rund ums Müll-Management aktiv zu werden?" Die Firma schult junge Kenianer in IT, Hardware und Recycling. Damit sie Arbeit finden oder sich selbstständig machen können. Müll ist ein Zukunftsmarkt in Afrika.
Das WEEE-Centre verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Hier wird nicht nur Elektroschrott recycelt, sondern auch der Nachwuchs ausgebildet.
Oft recyceln nur die Ärmsten
Denn die Abfall-Berge wachsen immer weiter, wie in Dandora, Nairobis Müllkippe. Jeden Tag kommen die Trucks, entladen den Müll, bunt durcheinandergemischt und vermengt - Mülltrennung gibt es in Kenia fast nicht. "70 bis 80 Prozent des Mülls auf dem afrikanischen Kontinent könnten recycelt werden", sagt Dorothy Otieno vom Centre for Environment, Justice and Development. "Doch es sind gerade einmal rund vier Prozent. Der Rest landet auf solchen Müllkippen."
In Dandora sind es die Ärmsten, die dann noch verwertbare Stoffe aus dem Müll sortieren. Ungeschützt wühlen sie sich durch teils giftige Abfälle, versuchen so zu überleben. "Ich suche nach Plastik und Plastikflaschen. Dann lasse ich sie wiegen und verkaufe sie", sagt Margaret Akeyo, einer der Müll-Sammlerinnen auf Dandora. "So kann ich etwas zu essen für meine Kindern kaufen."
Auf Nairobis Müllkippe Dandora recyceln bislang nur jene, die von dem Abfall leben müssen.
Auch Hersteller und andere Länder in der Verantwortung
Dabei liegt die Verantwortung für den Müll auch auch bei den herstellenden Firmen und Ländern, kritisiert Otieno. "Wenn Produkte von außerhalb nach Kenia oder Afrika gebracht werden, dann kann es sein, dass Stoffe enthalten sind, die wir hier nicht recyceln können. Stattdessen werden sie weggeworfen", sagt sie. "Sie gelangen in die Flüsse und Meere. Dann betrifft es am Ende alle." Wer hier Produkte verkaufe, der dürfe nicht aus der Verantwortung entlassen werden - und müsse sich auch Gedanken machen, ob und wie die Verpackungen in Afrika recycelt werden können.
"Müll ist ein grenzübergreifendes Thema, egal wo auf der Welt er entsteht", ergänzt Richard Munang vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). "Wir müssen darauf schauen, wie der Müll produziert wird, so dass er am Ende Teil eines Wirtschaftskreislaufs bleibt und nicht die Umwelt zerstört." Einfach wäre dies mit den organischen Abfällen, die in Kenia mehr als 50 Prozent des Hausmülls ausmachen. Sie könnten wieder verwertet werden, so Munang: "Als Briketts um Kohle beim Kochen zu ersetzen. Oder als Biogas, das ist saubere Energie."
Bei TakaTaka Solutions in Nairobi werden aus Abfällen Düngemittel und Plastikflocken hergestellt.
Eine "Quelle der Möglichkeiten"
Oder als natürliches Düngemittel: So arbeitet TakaTaka Solutions in Nairobi. Das Unternehmen sammelt einen großen Teil seines Abfalls selbst, trennt in kompostierbar oder nicht und gewinnt aus den Essensresten natürlichen Dünger. "Müll sollte erst in Sortieranlagen kommen", sagt Geschäftsführer Daniel Paffenholz. "So ist es dann viel einfacher, effizienter und unter besseren Arbeitsbedingungen möglich, diesen Müll aus der Umwelt rauszukriegen."
Die Firma recycelt mittlerweile auch leichtes Einmalplastik, schmelzt es zu Pellets ein und verkauft die Plastik-Flocken weiter. 95 Prozent des eingesammelten Mülls kann das Unternehmen nach eigenen Angaben wiederverwerten. "Müll muss als Ressource verstanden werden", sagt Richard Munang vom UNEP. "Dessen Verarbeitung Jobs für junge Leute schafft. Das ist die Art, wie Müll gesehen werden muss: als Quelle der Möglichkeiten." Müll als Chance - nicht nur für Kenia.