Kampf gegen Islamisten Niger - Europas neuer Partner im Sahel?
Frankreich verlagert seine Truppen aus Mali in den Nachbarstaat Niger. Auch deutsche Soldaten sind dort bereits im Einsatz. Ist das Land ein zuverlässiger und stabiler Partner?
Am nächsten Sonntag möchte er eigentlich demonstrieren gehen - gegen die Franzosen. Doch Maikoul Zodi von der zivilgesellschaftlichen Organisation "Tournons La Page" vermutet, das werde wahrscheinlich in Niamey, der Hauptstadt Nigers, nicht genehmigt werden - so wie es nach seiner Aussage auch schon zuvor gewesen sei. Er sei nicht antifranzösisch, betont er, sagt aber: "Wir brauchen keine ausländischen Truppen auf unserem Boden. Wir brauchen Kooperation, Logistik, Finanzhilfen, damit das Problem von unseren eigenen Soldaten gelöst werden kann."
Das Problem ist der Konflikt, der Terrorismus in der Sahelzone, mit dem Epizentrum im Dreiländereck von Mali, Niger und Burkina Faso. Nach zwei Coups in Mali, dem Einsatz russischer Söldner und der zunehmenden Ablehnung der ehemaligen Kolonialmacht ziehen die Franzosen ihre Truppen aus Mali ab - und verlagern sie ins Nachbarland Niger, um von hier aus weiter die islamistischen Terroristen im Sahel zu bekämpfen.
In Niger gibt es bereits eine französische und eine US-amerikanische Militärbasis. Und auch deutsche Soldaten sind hier im Einsatz: Als logistisches Drehkreuz der UN-Mission MINUSMA in Mali und im Rahmen der Ausbildungsmission "Operation Gazelle". In Tillia bilden Kampfschwimmer der Bundeswehr nigrische Spezialkräfte aus und sollen helfen, eine Militärschule aufzubauen. Bis Ende des Jahres soll die Mission abgeschlossen sein.
"Gewisser Grad an Feindseligkeit"
Mehr ausländische Truppen im Land: Nigers im vergangenen Jahr gewählter Präsident Mohamed Bazoum ist ein starker Verfechter dieser Idee. "Er ist sehr pro-westlich und in einer starken politischen Position", sagt Richard Moncrieff von der International Crisis Group. Militärbasen brächten auch Geld ins Land. Doch der Präsident wisse um die weit verbreitete anti-westliche Stimmung im Land. "Darum muss er sich kümmern. Jede westliche Armee in Niger wird in einem gewissem Grad an Feindseligkeit operieren."
Für eine breitere Unterstützung seiner Politik ließ Bazoum im letzten Monat das nigrische Parlament über verstärkte ausländische Militäreinsatze im Land abstimmen. Dabei ging es auch die Verlegung der französischen Truppen ins Land. Das Parlament stimmte zu. Die Opposition kritisierte den Vorgang jedoch: Es habe zu wenige Informationen gegeben, die genauen Inhalte des Abkommens mit Frankreich seien nicht bekannt.
"Niger wird so eine Art neues Zentrum für Luftunterstützung im Sahel", erklärt Paul Melly vom Afrikaprogramm des Chatham House. "Die französischen und europäischen Kräfte können außerhalb der UN-Mission nicht in Mali bleiben. Niger ist ein logischer Ersatz. Es hat eine legitime, gewählte Regierung. Das Land entwickelt sich, auch wenn es einige Menschenrechtsverletzungen gibt." Niger präsentiere sich schon länger als verlässlicher Partner.
Auch Maikoul Zodi bestätigt, der Weg sei noch lang, es habe Unregelmäßigkeiten bei den letzten Präsidentschaftswahlen gegeben, doch stabile Institutionen würden in Niger entstehen. Vor allem müsse die Korruption bekämpft werden. Im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen belegt das westafrikanische Land den letzten Platz. Der größte Teil der Bevölkerung ist bitterarm.
Fluchtrouten: Umgeleitet statt versiegt
Nigers Partnerschaft mit dem Westen ist schon länger gewachsen. Die vorherige Regierung warb um Ausbildungsunterstützung ihrer Truppen. Die EU wiederum hat ganz klare Interessen beim Thema Migration: Durch Niger führt eine der wichtigsten Migrationsrouten von der Stadt Agadez nach Libyen und dann weiter nach Europa. Für die nigrische Regierung war dies lange kein Problem, doch auf Druck der EU verbot sie den Transport der Migranten zur Grenze, das Land erhielt im Gegenzug Geld und Unterstützung. Zwar sind die Zahlen der Migranten, die auf diesem Weg nach Europa kommen, kleiner geworden, doch viele Menschen haben nun ihr Einkommen verloren, auf das sie angewiesen waren: Die Arbeit der Schleuser ist jetzt illegal - und die Migranten sind von den Hauptrouten auf viel gefährlichere Wege durch die Wüste verdrängt worden.
Ein lokaler Journalist kritisiert: Das Gesetz auf Druck der EU habe negative Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft um Agadez, die Region werde weiter destabilisiert, die Unsicherheit verstärkt. Der Politikwissenschaftler Philippe Frowd hat dazu gerade eine Studie publiziert. Im Interview mit der Universität Oxford erklärt er, dieses Gesetz habe das alltägliche Leben und die Arbeit der Menschen in diesem Bereich dramatisch verändert. Es werde angenommen, dass Tausende Menschen dadurch direkt oder indirekt ihre Lebensgrundlage verloren hätten.
Aktivisten gegen "Stellvertreter" Frankreich
Immer wieder gibt es Überfälle bewaffneter Gruppen, hinzu kommt der islamistische Terrorismus. "Niger ist stark betroffen von Gewalt durch Dschihadisten", erklärt Moncrieff von der International Crisis Group. Im Westen an der Dreiländergrenze, aber auch rund um den Tschadsee im Osten, dort ist Boko Haram aktiv und der Islamische Staat in Westafrika (ISWAP). "Aber wir dürfen nicht zu 100 Prozent generalisieren. Eine Mehrheit der dschihadistischen Gruppen hat die Spannungen um Ressourcen zwischen den Gemeinschaften verstärkt. Im Sahel geht es um Nutzung von Land. Einige Dschihadisten haben aber auch vermittelt."
Niger braucht mehr Entwicklung. Der Staat ist in Gegenden, die weit entfernt von der Hauptstadt liegen, nicht präsent. Deshalb brauche der Konflikt im Sahel keine rein militärische Lösung, sondern eine politische, erklärt Zodi von "Tournons La Page". "Gute Regierungsführung, die eine Präsenz des Staates in den Konfliktregionen ermöglicht." Die Menschen bräuchten Lösungen für ihre Probleme. Die Terroristen profitierten von der Misere und könnten so Menschen rekrutieren.
Zodi fragt sich vor allem, was passieren wird, wenn die ausländischen Truppen sich dann irgendwann aus Niger zurückziehen. "Vergessen sie nicht, was in Afghanistan passiert ist", sagt er. "Die Taliban sind wieder an die Macht gekommen, weil es keine stabile Armee gegeben hat, die sie hätte bekämpfen können. Unsere Truppen müssen geschult werden, aber wir brauchen niemanden, der kommt, und stellvertretend für uns Krieg in unserem Land führt."