Hyazinthen-Plage am Victoria-See Afrikas Kampf gegen die "grüne Pest"
Wasserhyazinthen sind ein großes Problem am Victoria-See. Afrikas größter Süßwassersee wird von den Pflanzen regelrecht überwuchert. Könnte die Gewinnung von Biogas eine Lösung sein?
Wasserhyazinthen kennt man in Europa als attraktive Gartenteichblumen. Mit ihren blassvioletten Blüten und den saftig grünen Blättern sind sie was fürs Auge. Doch der Schein trügt. In Afrika, in Asien oder in Amerika sind Wasserhyazinthen längst zu einer regelrechten Plage geworden, die Mensch und Natur massiv gefährden. Sie bilden riesige zusammenhängende Pflanzeninseln und verstopfen so Flüsse, Seen oder Kanäle. Damit nicht genug: Sie entziehen den Gewässern Sauerstoff. Unter dem Pflanzenteppich stirbt alles Leben.
Verheerende Folgen für Ökosystem
Am Victoria-See, Afrikas größtem Süßwassersee, kämpft man seit Jahrzehnten gegen die "grüne Pest" - schon seit Ende der 1980er-Jahre. Der See spendet den Menschen eigentlich Wasser, liefert Fisch und dient als Transportweg. 30 Millionen Menschen zwischen Kenia, Uganda und Tansania leben am und vom See.
Doch immer mehr Wasserhyazinthen verwandeln das Wasser in eine schleimige, grüne Suppe - mit verheerenden Folgen für das gesamte Ökosystem. Beispielsweise bekommen Fische und Insekten, die in Ufernähe an den Sandbänken ihre Eier legen, durch den Hyazinthen-Teppich keine Luft mehr. Es fehlt an Sauerstoff und Licht. Fischer verlieren ihre Lebensgrundlage. Doch damit nicht genug: Malariamücken können sich rasant ausbreiten, Parasiten sich überproportional vermehren.
Und die wuchernden Wasserhyazinthen behindern auch den Schiffsverkehr und die Energiegewinnung, da die Pflanzen alles verstopfen. Mehrfach kam es in den Anrainerstaaten deshalb zu massiven Stromausfällen.
Dominic Kahumbu erntet mit einem Mitarbeiter Wasserhyazinthen auf dem Victoria-See.
Kaum natürliche Feinde, vielfältige Probleme
Jede einzelne Hyazinthe verdoppelt sich in nur zehn Tagen. Aus kleinen schwimmenden Ansammlungen von nur wenigen Pflanzen werden innerhalb weniger Wochen so große grüne Teppiche. Die Hyazinthen haben kaum natürliche Feinde, deshalb explodiert die Population regelrecht. Hinzu kommt, dass die Vermehrung laut Experten durch das Einleiten von Abwässern in den Victoria-See noch begünstigt wird. Der See sei zum Sterben verurteilt, warnen Wissenschaftler.
Neben der Hyazinthen-Plage sind die Erosionen am Ufer durch Abholzung, der Anstieg der Wassertemperatur durch Klimawandel und Düngemittel der angrenzenden Produktionsstätten weitere Probleme. Zuletzt gab es zudem immer wieder massive Überschwemmungen. Doch nun könnte sich zumindest bei den Hyazinthen eine erste kleine Lösung des Problems abzeichnen.
Geerntete Wasserhyazinthen werden in einen Schredder gefüllt, der die Wasserpflanzen zu einer Art Püree verarbeitet.
"Ein Segen im Verborgenen"
Viel wurde über die Jahre versucht und ausprobiert, um der aggressiven Pflanze Herr zu werden. Gerade am Victoria-See, flächenmäßig etwa so groß wie Bayern, ist der Druck groß. Erfinder Dominic Kahumbu hat eine Idee: "Wir ernten hier auf dem Victoria-See die Pflanzen, die jeder als eine echte Bedrohung und als Schädling ansieht. Eine invasive Art, die viele negative Effekte mit sich bringt. Aber in Wirklichkeit ist die Wasserhyazinthe ein Segen im Verborgenen."
Die grüne Plage könnte seiner Meinung nach zum wertvollen Rohstoff werden: zu einer neuen Energiequelle mittels Biogastechnologie. Dafür müssen die Wasserhyazinthen geschreddert und anschließend gemahlen werden. Die pürierte Masse wird dann in eine Maschine gefüllt, die Erfinder Kahumbu angeschafft hat, und darin in Biogas umgewandelt: "Das Gas wird in der Mitte des eigentlichen Faulbeckens angezapft, es gelangt dann nach unten", erklärt Kahumbu. "Da haben wir ein Regelventil, hier ist das Wasser in der Falle. Das kondensierte Wasser wird zurück in die Flasche geleitet, und das Gas kann dann ungehindert zum Verwendungsort strömen."
Mit dem Biogas, das aus den Wasserhyazinthen gewonnen wurde, können Gaskocher betrieben werden.
Verbesserungen für die ländliche Bevölkerung
So könnten viele Probleme auf einen Schlag gelöst werden: Der See würde endlich entschlackt und gesäubert. Die Tierwelt könnte sich regnerieren, Mensch und Natur könnten sich erholen. Ärmere Haushalte hätten die Chance, neue Energiequellen zu bekommen. Die meisten ländlichen Haushalte hier sind noch immer auf Kerosin, Holzkohle oder Feuerholz angewiesen.
Mit nur zwei bis drei Kilogramm Wasserhyazinthen-Rohstoff lässt sich ein Herd für eine warme Mahlzeit betreiben. Kleiner Schönheitsfehler: Nur die wenigsten Afrikaner besitzen einen Biogas-Kocher. Aber es wäre ein Anfang. Noch steckt das Projekt in den Kinderschuhen. Vielleicht aber könnte es eine Lösung werden im Kampf gegen die "grüne Pest" vom Victoria-See.