Karlsbad ohne Russen Traditionsbad in der Krise
Das böhmische Karlsbad gehört zu den berühmtesten Bäderstädten der Welt. Nach Jahren der Pandemie trifft den Kurort nun die nächste Krise hart - wegen seiner Abhängigkeit von russischen Gästen und Investoren.
Karlsbad am 8. Mai: Kaiser Karl IV. zieht ein, mit Gemahlin und Gefolge. Der Umzug in historischen Kostümen eröffnet traditionell die Saison in der Stadt, die den Namen des Kaisers trägt. "Die ganze Stadt war voll von Leuten", sagt Oberbürgermeisterin Petra Pfeffer-Ferklova. "Nicht nur die, die hier wohnen, auch viele Besucher sind gekommen, und alles hat eigentlich ganz toll geklappt."
Der Legende nach war es Kaiser Karl, der hier während der Jagd die erste heiße Quelle entdeckt haben soll. In der Marktkolonnade liefert die nach ihm benannte Quelle wie alle anderen elf Quellen zuverlässig das mineralhaltige heilende Wasser, 65 Grad heiß. Und auch die große Sprudelfontaine in der Vridelni-Kolonade schießt wieder spektakulär in die Höhe, nachdem das Leitungssystem erneuert worden ist. Aber die finanziellen Quellen von Karlsbad drohen zu versiegen.
Um fast 60 Prozent seien die Einnahmen gesunken, sagt Oberbürgermeisterin Pfeffer-Ferklova. An der Kurtaxe könne die Stadt ablesen, wie stark der Tourismus zurückgegangen sei: "Was zum Beispiel 70 Millionen waren, das sind jetzt fast 20 Millionen."
Nur zwölf Gäste bei 180 Betten
Die zwei Jahre der Pandemie sind sie hier mit staatlichen Hilfen und speziellen Kulturevents über die Runden gekommen, die sich an das tschechische Publikum richteten. Andere Kurstädte wie Marienbad und Franzensbad können aufatmen, Karlsbad jedoch nicht. "Jetzt ist die Ukraine-Krise gekommen", so Pfeffer-Ferklova. Und die bedeute für Karlsbad, dass die Russen ausblieben.
Wohlhabende Gäste aus Russland, die für drei Wochen zur Kur kommen und dabei einiges Geld in den Geschäften des Luxus-Segments lassen - das war die Zielgruppe, auf die Karlsbad vor allem gesetzt hat. Jetzt können sie nicht mehr anreisen, weil der europäische Luftraum gesperrt ist und weil sie keine Touristenvisa mehr für Tschechien bekommen. "Und das ist das Problem", sagt die Oberbürgermeisterin. "Wir haben uns fast 30 Jahre nur auf diesen Markt spezialisiert. Wir haben ganz wenig mit anderen Märkten gearbeitet."
Was das für die Hotels bedeutet, schildert Jan Kronika. Er ist Vorsitzender des örtlichen Hotel-Verbands und leitet selbst das "Tschaikowsky". Das Haus gehört einer tschechischen Aktiengesellschaft. "Wir verfügen über 180 Betten und haben im Augenblick zwölf Gäste", sagt Kronika. "Im Februar und März waren es 20 bis 30. Wir haben zwei Gebäude, oben den Palast und hier unten das alte Hotel. Der Palast ist seit zwei Jahren geschlossen."
Läden stehen Leer
Während der Pandemie hätten die ausländischen Reisebüros nicht mehr gezahlt. Sie seien deshalb finanziell in Vorleistung gegangen, hätten sich verschuldet, dann aber zwischen den Covid-Wellen nur die laufenden Kosten erwirtschaften können. Es gibt keine finanziellen Polster mehr. "Jetzt ist es noch schlimmer. Wir hatten vor der Pandemie Gäste aus Tschechien, Österreich, Deutschland und Russland. Jetzt kommen nicht mal mehr die deutschen Gäste, die wir früher hatten", so der Hoteldirektor. "Sie haben abgesagt wegen des Kriegs und warten ab, was passiert."
Selbst, wenn morgen die Gäste wieder in großer Zahl wieder anreisen würde, wären die Probleme damit nicht gelöst. Jan Kronika hat von seinen 86 Angestellten nur 19 behalten können. "Das ist der zweite große Kampf", sagt er. "Denn die Mitarbeiter, auch aus anderen Hotels, sind in andere Branchen gegangen, in den Gesundheitssektor oder den Pflegebereich. Sie haben oft bessere Jobs gefunden. Niemand will in die Kur-Branche zurückkehren. Das wird eines Tages ein großes Problem werden."
Im Stadtbild von Karlsbad ist bereits zu sehen, dass die Gäste aus Russland ausbleiben. Viele Ladengeschäfte wurden aufgegeben. Jiri Broz, seit vielen Jahren Immobilienmakler in Karlsbad, hat für sich einmal versucht, das Ausmaß des Ladensterbens zu erfassen. "Ich bin vor etwa einem Monat losgegezogen und den ganzen Kurbereich entlanggegangen, etwa zweieinhalb Kilometer. Ich habe etwa 40 leere Geschäfte gezählt", erzählt er.
Tausende russische Eigentümer
Jiri Broz kennt noch eine andere Seite der Krise von Karlsbad. Viele russische Investoren haben hier in den 1990er-Jahren Hotels, Häuser und Wohnungen gekauft - zum Teil zu arg überhöhten Preisen. Er zeigt auf die die andere Seite der Tepla: "Man kann sagen, alles was rechts von der Sparkasse ist, das ist russisches Kapital - das Hotel, die Wohnhäuser, alles in russischer Hand."
Der Makler schätzt, dass von den 20.000 Wohnungen, die Karlsbad hat, ein paar Tausend russische Eigentümer haben, vorzugsweise im malerischen Stadtkern. Sie kamen in der Regel für drei Wochen; die übrige Zeit standen die Wohnungen leer. Seit der Pandemie konnten sie überhaupt nicht mehr kommen: Weil die Grenzen zeitweise komplett geschlossen waren, weil sie mit dem nicht anerkannten Sputnik-Impfstoff geimpft waren. Und jetzt wegen des Ukraine-Kriegs. Und so stehen Kurhotels und Apartmenthäuser von russischen Investoren leer.
"Gehen Sie einfach mal abends nach Einbruch der Dunkelheit hier herum und sehen Sie, wie viele Fenster beleuchtet sind", sagt Broz. "Es sind nicht viele." Wenn die russischen Eigentümer verkaufen wollten, gehe das nur mit großen Preisabschlägen. Aber rein technisch lässt sich so ein Verkauf wegen der Finanzsanktionen gar nicht mehr abwickeln. Sie treffen auch Eigentümergemeinschaften mit einem hohen Anteil von russischen Besitzern.
"Wenn diese Russen aus irgendeinem Grund aufhören, regelmäßig monatlich ihren Anteil zu zahlen für Dienstleistungen, Reparaturen - wenn das Geld nicht mehr reinkommt, gibt es ein großes Problem", so der Immobilienmakler.
"Wir leben von Tag zu Tag"
Die Zukunft von Karlsbad hängt davon ab, wie lange der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland dauern. Und davon, ob es schnell genug gelingt, auf anderen Märkten Fuß zu fassen. Für arabische Gäste könnte die Stadt interessant sein, meint Oberbürgermeisterin Pfeffer-Ferklova: "Dann alle unsere Nachbarn. Denn Sie müssen damit rechnen: Viele wollen jetzt noch nicht mit dem Flugzeug kommen. Denn sie wissen nicht, was von einem Tag zum anderen passiert."
Auch der neue Status als Weltkulturerbe der Unesco im Verbund mit anderen prominenten europäischen Kurbädern könnte Karlsbad helfen. Aber bis so eine Neuorientierung des Marketings greift, dauert es. An der akuten Krise der Stadt, ihrer Kurbetriebe und Hotels, ändert das erst einmal nichts. Man werde in etwa einem halben Jahr sehen, "wer das überlebt hat und wer nicht", sagt Pfeffer-Ferklova.
Hoteldirektor Kronika kann auch nur hoffen, dass es gelingt, die russische Kundschaft rechtzeitig durch Gäste aus westlichen Ländern zu ersetzen: "Wir leben hier von Tag zu Tag. Noch mussten wir hier nicht schließen. Es gibt immer noch eine gewisse Kundschaft, auch wenn sie klein ist. Wir sind alle gespannt, was die Sommersaison bringen wird."