Finanzbranche in Turbulenzen Wie die Notenbanken gegensteuern
Wegen der akuten Bankenkrise verbessern die großen Notenbanken die Versorgung der Finanzmärkte mit Dollar. Ziel ist es, die Märkte zu beruhigen und die Stabilität des Finanzsystems zu sichern.
Mehrere große Zentralbanken bemühen sich in einer gemeinsamen Aktion um eine Stabilisierung der Finanzbranche. Mit einer "koordinierten Maßnahme" wollen die Europäische Zentralbank (EZB), die US-Notenbank Federal Reserve, die Bank of England sowie die Notenbanken Japans, Großbritanniens, der Schweiz und Kanadas Bankgeschäfte in Dollar sichern.
Die beteiligten Zentralbanken teilten gestern mit, dass ab heute sogenannte Swap-Geschäfte ausgebaut werden, mit denen die Zentralbanken Devisen untereinander austauschen. So sollen die Zentralbanken außerhalb der USA besser mit Dollar versorgt und die Finanzmärkte beruhigt werden.
Konkret einigten sich die Notenbanken darauf, die Häufigkeit von Devisentausch-Geschäften in Dollar mit siebentägiger Laufzeit von wöchentlich auf täglich zu erhöhen. Zunächst sollen diese täglichen Operationen bis Ende April andauern. Der Schritt erlaubt es den teilnehmenden Zentralbanken jetzt, den Finanzinstituten in ihrer Währungszone jeden Tag siebentägige Dollarkredite anzubieten.
Großer Teil des Finanzsystems hängt am Dollar
Bei den genannten Swap-Geschäften zwischen den Zentralbanken handelt es sich um Maßnahmen, die dafür sorgen sollen, dass den Finanzmärkten immer eine ausreichende Menge an Fremdwährungen zur Verfügung steht, falls sie von Geschäftsbanken nachgefragt werden. Da ein großer Teil des globalen Finanzsystems in Dollar abgewickelt wird und beispielsweise viele Anleihen auch aus anderen Währungsräumen in Dollar notiert sind, besteht zwischen Banken ein ständiger Bedarf nach der US-Währung.
Die Swap-Vereinbarung mit dem US-Notenbanksystem ermögliche es der EZB und allen nationalen Zentralbanken des Eurosystems, Dollar von der Fed im Austausch für einen entsprechenden Euro-Betrag zu erhalten, der der Federal Reserve zur Verfügung gestellt wird, so erklärt die Europäische Zentralbank die sogenannten Swap-Lines.
Diese Swap-Geschäfte dienen letztlich der Liquiditätsversorgung der Banken untereinander und sind eine Art aktive Vertrauenshilfe: Swap-Geschäfte seien eine wichtige "Liquiditäts-Absicherung, um Spannungen auf den globalen Finanzierungsmärkten zu mindern und so dazu beizutragen, die Auswirkungen solcher Spannungen auf die Kreditversorgung von Haushalten und Unternehmen abzumildern", so die EZB.
Aus Erfahrung klug geworden?
Hintergrund sind auch Erfahrungen, die Notenbanken, Geschäftsbanken, Ökonomen und Anleger während der Finanzkrise 2008 machten. Als die US-Investmentbank Lehman Brothers kollabierte, brachten die Folgen das Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs.
Auf dem Höhepunkt der Krise kam der Interbankenhandel fast zum Erliegen. Die Finanzinstitute konnten nicht mehr sicher sein, wie es um die Liquidität ihrer Konkurrenten steht. Der permanente Handel der Banken untereinander mit Geld, Anleihen, Aktien und Devisen verteuerte sich drastisch und kam beinahe zum Erliegen, weil Marktteilnehmer die Pleite anderer Institute fürchteten.
Für die Banken des Euroraums sei es damals schwierig gewesen, die US-Währung zur Finanzierung ihrer auf Dollar lautenden Vermögenswerte zu erhalten, so die EZB. Um Störungen und extreme Preisbewegungen zu verhindern, hätten die Euro-Zentralbank und die Federal Reserve eine Währungsswap-Linie eingerichtet, die es der EZB und dem Eurosystem ermöglicht, Banken im Euroraum Dollar zur Verfügung zu stellen. Dieses längst bestehende System ist jetzt temporär zum Schutz der Märkte erweitert worden.
Märkte angespannt, aber stabil
Kann dieser überraschende Schritt die Finanzmärkte zu beruhigen? Aktuell hält sich der DAX in der Nähe seines Freitagsniveaus, ein weiterer Absturz ist zumindest derzeit nicht zu beobachten. Derek Tang, Ökonom bei LH Meyer, ist gleichwohl der Ansicht, dass Entschiedenheit der angekündigten Notenbank-Aktion eine größere Besorgnis über das Ansteckungsrisiko an den Finanzmärkten verrate.
"Wenn Notenbanken sich mit Aktionen beeilen, um sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist, dann sind die Dinge eigentlich nicht in Ordnung", zitiert das "Handelsblatt" Jeroen Blokland vom Analysehaus True Insights, der eine ähnliche Ansicht vertritt. Die Marktteilnehmer hätten Angst vor dem nächsten Nachbeben und fragten sich, welche Bank nun in Schieflage geraten könnte, kommentiert Christian Henke, Marktbeobachter bei IG Markets.
Notenbanken im "Whatever-it-takes-Modus"?
Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, ist dagegen optimistischer. Notenbanken wie die Fed oder die EZB seien imstande, jede Finanzkrise einzudämmen, so der Ökonom.
"Ihr Finanzinstrumentarium geht über gezielte Liquiditätsspritzen, die Akzeptanz von abgewerteten Vermögenswerten zum Nennwert und eine vorübergehende Lockerung der regulatorischen Anforderungen hinaus", unterstreicht Schmieding.
In Anspielung auf ein Zitat des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi sagte Schmieding, die Notenbanken seien jetzt wieder im "Whatever-it-takes"-Modus, um die Ansteckung zu stoppen. Während der zur Schuldenkrise mutierten Finanzkrise hatte Draghi im Jahr 2012 mit diesen Worten klargestellt, dass die Zentralbank alles Erforderliche tun werde, um die Gemeinschaftswährung Euro zu sichern.