Ein Arbeiter reinigt Fensterscheiben in einem Bürogebäude in Peking (China).

Hilfsarbeiter in China "Ich möchte einfach mehr verdienen"

Stand: 15.07.2024 10:56 Uhr

Chinas Führung berät über den Wirtschaftskurs der nächsten Jahre. Für viele Menschen im Land ist das weit weg. Sie haben angesichts von Immobilienkrise und schwachem Konsum Mühe, den nächsten Job zu finden.

An einer Straßenkreuzung weit im Südosten Pekings drängen sich jeden Morgen ab 5 Uhr Hunderte Menschen. Viele von ihnen sind ungelernte Arbeiter über 40 aus der Nachbarregion Hebei - Menschen, die es auf dem chinesischen Arbeitsmarkt besonders schwer haben. "Ich mache alles", sagt der 45-jährige Zhang Cheng: "Lasten tragen, Beton oder Sand entladen, Fliesen verlegen." 500 Yuan, umgerechnet mehr als 60 Euro, könne er damit pro Tag verdienen, sagt er.

Aber an diesem Morgen sind auf dem Arbeitsmarkt Majuqiao Jobs für 500 Yuan nicht zu kriegen. Eine Firma bietet gerade mal 210 Yuan, das sind 26 Euro für acht bis zwölf Stunden Arbeit. Eine andere Firma zahlt nur 16 Euro für einen Tag - das liegt weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn in Peking.

"Umfassende Reformen nötig"

"Es ist für niemanden leicht, einen Job zu finden", sagt ein 33-Jähriger. 'Verwirkliche Deine Träume' steht auf seinem blauen T-Shirt. Früher habe er längerfristige Jobs auf Baustellen gehabt; aber jetzt gebe es kaum noch große Bauprojekte.

Denn Chinas Immobilienbranche steckt in der Krise: Baufirmen sind hoch verschuldet, die Wirtschaft wächst deutlich langsamer als früher, vielen Kommunen geht das Geld aus. Außerdem herrscht Konsumflaute in China - nach der Covid-Pandemie, als viele von ihren Ersparnissen leben mussten, halten die Menschen ihr Geld zusammen.

Dass das Dritte Plenum, das nur alle fünf Jahre stattfindet, all das richten kann, glaubt kaum jemand. Reformen müssten auf vielen Ebenen ansetzen, sagt Bert Hofmann, der lange für die Weltbank in China war und jetzt an der National University Singapore lehrt: "Eine bessere soziale Absicherung der Menschen könnte ein Element sein und dabei helfen, den Konsum zu stabilisieren." Das könne auch helfen, das Wachstum zu stabilisieren, "was die Regierung ja erreichen will. Aber das erfordert halt sehr umfassende Reformen", so Hofmann.

 

China will Weltspitze sein

Und Reformen kosten sehr viel Geld. Das aber steckt die Regierung eher in ihre anderen wirtschaftspolitischen Ziele: China will bei neuen Technologien zur Weltspitze gehören und sich unabhängiger vom Hightech aus dem Ausland, insbesondere aus den USA, machen.

"Es geht um die Quadratur des Kreises", sagt Alexander Davey vom Mercator Institute for China Studies (MERICS): "Wie eine Balance finden zwischen den ehrgeizigen wirtschaftlichen Zielen und der Notwendigkeit, mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen?"

 

Junge Menschen sollen Erwartungen herunterschrauben

Bislang haben die wirtschaftspolitischen Ziele Vorrang. Staats- und Parteichef Xi Jinping propagiert zwar "gemeinsamen Wohlstand", gilt aber nicht als Freund eines Wohlfahrtsstaates. Jungen Leuten, arbeitslosen Hochschulabgängern etwa, rät er, ihre Erwartungen herunterzuschrauben, hart zu arbeiten.

Private Unternehmen wiederum müssen ihre Ambitionen Xis Ideologie unterordnen - die Ziele der Kommunistischen Partei haben Vorrang. Daher erwarten Experten kaum, dass vom Dritten Plenum so wie 1978 ein großes Liberalisierungs- und Aufbruchssignal ausgeht.

Ähnlich sehen das auch die Betroffenen: Auf dem Arbeitsmarkt Majuqiao haben die Menschen wenig Erwartungen an ihre Regierung. Das Dritte Plenum ist für sie sehr weit weg. "Ich möchte einfach mehr verdienen", sagt der 33-Jährige in dem blauen T-Shirt. Seine Tochter ist jetzt fünf Jahre alt, der Kindergarten muss bezahlt werden. Träume habe er nicht. "Wovon soll ich träumen?", sagt er achselzuckend. Er sei ja schon bald 40 Jahre alt.

Arbeit findet er an diesem Tag nicht. Am nächsten Tag will er wiederkommen, morgens um 5 Uhr. Manchmal gibt es Jobs, manchmal nicht, sagt er. Man müsse halt Glück haben.

Ruth Kirchner, ARD Peking, tagesschau, 15.07.2024 09:52 Uhr

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 15. Juli 2024 um 09:00 Uhr im Deutschlandfunk.