Arbeiterinnen arbeiten in der Produktion von Nähmaschinen, in Taizhou in der ostchinesischen Provinz Zhejiang.

Wachstumszahlen enttäuschen Konjunktursorgen und Bevölkerungsschwund in China

Stand: 18.01.2024 13:26 Uhr

Chinas Wirtschaft ist 2023 etwas schwächer gewachsen als erwartet. Gleichzeitig schrumpfte die Bevölkerung zum zweiten Mal in Folge. Die Krise am Immobilienmarkt und der schwache Binnenkonsum belasten die Konjunktur.

China hat im vergangenen Jahr ein Wirtschaftswachstum von 5,2 Prozent verzeichnet - eine der schwächsten Entwicklungen seines Bruttoinlandsprodukts in mehr als 30 Jahren. Das Plus von 5,2 Prozent entsprach zwar etwa dem Wachstumsziel der chinesischen Regierung von "rund fünf Prozent" und lag über dem Vorjahreswert von drei Prozent. 

Das Wachstum blieb aber knapp unter den Erwartungen von Experten, die mit einem Plus von 5,3 Prozent gerechnet hatten. Die Wirtschaftsleistung sei im vergangenen Jahr auf 126 Billionen Yuan (rund 16 Billionen Euro) angestiegen, teilte die nationale Statistikbehörde mit. Beobachter hatten Chinas Wachstumsziel im Vorfeld als bescheiden eingestuft.

Zum Vergleich: In Deutschland war das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr preisbereinigt zum Vorjahr um 0,3 Prozent geschrumpft.  

Streit mit den Vereinigten Staaten

Zuletzt hatte Chinas exportgetriebene Wirtschaft vor allem unter der schwachen globalen Nachfrage, dem kriselnden Immobilienmarkt und dem schwachen Binnenkonsum gelitten. Unsicherheiten ergeben sich für die chinesische Wirtschaft auch durch die geopolitische Lage. Die Industrie des Landes leidet unter der Konfrontation zwischen Ost und West.

So hat die US-Regierung im Wettlauf um die Entwicklung Künstlicher Intelligenz verschärfte Restriktionen für Chiplieferungen nach China beschlossen. Das Wachstumsziel für das laufende Jahr wird im März bekanntgegeben, wenn der Volkskongress zu seiner Jahrestagung zusammentritt.

Greift die Regierung ein?

Investoren wünschten sich ein beherzteres Eingreifen der Regierung, urteilte Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst bei CMC Markets. "Sie stufen die bislang ergriffenen Maßnahmen als unzureichend ein, um einen Turnaround der Wirtschaft zu schaffen", so Stanzl

"China befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Umstrukturierung, die zum Niedergang vieler zuvor florierender Sektoren wie dem Immobiliensektor führen wird", sagte Yang Tingwu vom Vermögensverwalters Tongheng Investment. Die veröffentlichten Wirtschaftsdaten deuteten zudem auf ein ungleichmäßiges Wachstumsumfeld, das noch keine nachhaltige Trendwende zeige, sagte IG-Stratege Jun Rong Yeap.

Chinas Bevölkerung schrumpft

Unterdessen vermeldete das Statistikamt der Regierung auch die neuen Bevölkerungszahlen. Demnach ist Chinas Bevölkerung im vergangenen Jahr um zwei Millionen gesunken. 2023 habe die Gesamtbevölkerung bei 1,4 Milliarden Menschen gelegen. Den Angaben zufolge war es bereits das zweite Jahr in Folge, in dem die Zahl der Einwohner zurückging.

Die Zahl der registrierten Sterbefälle lag bei 11 Millionen, die Zahl der Geburten bei neun Millionen. Im Vorjahr hatte es in China noch 9,6 Millionen Geburten gegeben.

Folgen für das Wirtschaftswachstum

Außerdem sank die Zahl der jährlichen Geburten zum siebten Mal in Folge - allerdings weniger stark als in den Vorjahren. 2023 wurden etwa neun Millionen Babys geboren. 2016 waren es doppelt so viele. Bei allen Zahlen handelt es sich um Schätzungen, die Hongkong und Macao nicht einschließen. Alle zehn Jahre organisiert China eine vollständige Volkszählung.

Das über lange Zeit bevölkerungsreichste Land der Welt ist nach Schätzungen der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr auf den zweiten Platz hinter Indien zurückgefallen. Die Bevölkerung altert stetig, was das Wirtschaftswachstum in Gefahr bringt. Die Regierung hat deshalb versucht, Geburten zu fördern, indem sie die Ein-Kind-Politik beendete und vor einigen Jahren ein zweites Kind, seit 2021 sogar ein drittes Kind pro Elternpaar erlaubte.

Der Erfolg ist jedoch gering. Experten sehen in den hohen Kosten für Wohnen, Bildung und Gesundheitsversorgung sowie in der sinkenden Heiratsbereitschaft die eigentlichen Gründe für die Entwicklung. Der "Abwärtstrend der chinesischen Gesamtbevölkerung" werde langfristig anhalten und "zu einem inhärenten Merkmal" Chinas werden, sagte der Bevölkerungsforscher Yuan Xin, Professor an der Nankai-Universität.

In einer früheren Version dieses Artikels haben wir die Zahl der Sterbefälle in China nicht korrekt angegeben. Diesen Fehler haben wir korrigiert.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen
Eva Lamby-Schmitt, ARD Shanghai, tagesschau, 17.01.2024 10:17 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 17. Januar 2024 um 06:37 Uhr.