Bangladesch Gewalt bei Protesten von Textilarbeitern
Zehntausende Textilarbeiter haben in den vergangenen Tagen auf den Straßen von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka demonstriert. Ihre Forderung: eine deutliche Anhebung des Mindestlohns.
Tränengas fliegt von Seiten der Polizei in die Menge der Demonstrierenden. Nicht weit von der Menschenmasse entfernt steht ein Bus in Flammen. Es herrscht Chaos auf den Straßen Dhakas. Die Wut der Beschäftigten in der Textilindustrie ist greifbar. Viele von ihnen führen ein Leben an oder sogar unterhalb der Armutsgrenze. Seit Jahren gilt für sie der gleiche Mindestlohn in Höhe von 8.000 Taka im Monat. Das sind umgerechnet etwa 68 Euro.
"Ich habe eine Frau und ein Kind", sagt der Textilarbeiter Nayeem Islam. Er macht sich große Sorgen um die Zukunft seiner Familie und weiß nicht, wie sie auf Dauer mit dem wenigen Geld überleben sollen. "Jeden Monat muss ich einen Kredit aufnehmen, um sie zu ernähren", so der 28-Jährige. "Deshalb habe ich inzwischen schon fast 1000 Euro Schulden angehäuft."
Bedeutung der Textilbranche ist enorm
Die letzte Lohnsteigerung liegt fünf Jahre zurück. Seitdem hat Bangladesch mit einer hohen Inflationsrate zu kämpfen. Viele Beschäftigte tun sich schwer damit, die alltäglichen Kosten zu stemmen. Deshalb ist die Forderung der Demonstrierenden, dass der Lohn von 68 Euro auf umgerechnet rund 195 Euro angehoben werden soll.
Hunderte Fabriken im Land mussten wegen der Demonstrationen vorübergehend schließen.
Die Textilbranche gehört zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen Bangladeschs. Mehr als 3.500 Fabriken gibt es. Der Sektor ist für etwa 85 Prozent aller Exporte in einem Gesamtwert von mehr als 43 Milliarden Euro verantwortlich. Ob Billigmarken oder Luxuslabel: Eine Vielzahl von Herstellern lässt Kleidung in Bangladesch produzieren. Nun sei es an der Zeit, dass sich diese Bedeutung auch im Gehalt der Arbeiterinnen und Arbeiter widerspiegele, so Amirul Haque Amin, Präsident der Textilarbeiter-Gewerkschaft.
Arbeitgeber bieten Lohnplus von 25 Prozent
Etwa 4,4 Millionen Menschen in Bangladesch, viele von ihnen Frauen, arbeiten in der Textilbranche. "Durch die Proteste merken Regierung und Textilverbände, dass die Leute sich wehren und nicht alles einfach nur hinnehmen", sagt Amin. "Wir hoffen, dass die Verantwortlichen zu einer Einsicht gelangen und dadurch endlich der Lohn von den Menschen steigt, die in der Textilindustrie arbeiten."
Bei Protesten in Dhaka wird ein Mann von Polizisten abgeführt.
Mindestens zwei Menschen sind bei den Protesten bisher ums Leben gekommen. Mehr als 400 Fabriken mussten vorübergehend schließen. Fabrikbesitzer klagen darüber, dass Demonstrierende teils Feuer gesetzt und erhebliche Schäden an ihren Anlagen angerichtet hätten.
"195 Euro im Monat nicht zu viel verlangt"
Viele Textilarbeiter sehen in den Protesten die einzige Form des Widerstands. "Ich verstehe nicht, warum die Unternehmen uns nicht angemessen bezahlen können", sagt die 30-Jährige Textilarbeiterin Nasima. "Sie exportieren doch Kleidung ins Ausland, wo sie zu hohen Preisen verkauft wird."
Inzwischen hat der Textilverband in Bangladesch ein erstes Angebot über die Anhebung des Mindestlohns gemacht. 25 Prozent mehr Gehalt sollen die Beschäftigten danach erhalten. Für die meisten ist das noch deutlich zu wenig. "Wir werden demonstrieren, bis auf unsere Forderungen eingegangen wird", so Nayeem Islam. "195 Euro im Monat sind wirklich nicht zu viel verlangt." Bis zu einer Einigung dürften die Proteste noch anhalten.