Sommerurlaub der Deutschen Manchmal muss das Zelt reichen
Die Deutschen seien beim Reisen wieder ausgabefreudiger geworden, heißt es aus der Tourismusbranche. Doch gerade in Familien wirft die hohe Inflation so manche Urlaubspläne um.
"Wir möchten endlich wieder raus" - diesen Satz hört Reisebüroinhaberin Kerstin Jöris aus dem münsterländischen Greven in fast jedem Beratungsgespräch. Viele ihrer Kundinnen und Kunden hätten sich in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren beim Urlaub stark eingeschränkt. Nun wollten sie nachholen, was sie verpasst haben. Viele seien auch bereit, dafür deutlich mehr auszugeben.
Sie habe aber auch Kunden, die sich von der ursprünglich geplanten Reise verabschieden mussten - darunter vor allem Familien mit Kindern. Es sind Menschen wie die Kramers aus Rheinbreitbach in Rheinland-Pfalz. Thomas und Verena Kramer haben drei Kinder unter sieben Jahren und müssen bereits deutlich mehr Geld für Strom, Heizung und Lebensmittel ausgeben.
Mehr als 5000 Euro für die Riviera
Die erste Idee vom Hotel-Urlaub an der türkischen Riviera haben sie verworfen, weil die Reise ihr Budget gesprengt hätte. "Früher hätten wir für einen solchen Urlaub zu fünft 3000, vielleicht 4000 Euro bezahlt. Jetzt wären es über 5000 Euro gewesen", sagt Familienvater Thomas Kramer. Die Kramers wollten ihren diesjährigen Sommerurlaub kurzfristig buchen, um Entwicklungen in der Corona-Pandemie abzuwarten - und wurden mit massiven Preissprüngen konfrontiert.
Auch die Reisekauffrau Kerstin Jöris berichtet, dass sich die Preise für viele Reisen im Vergleich zum Jahresanfang deutlich erhöht haben. "Manchmal verteuern sich Reisen auch innerhalb weniger Tage massiv, vor allem, wenn Pauschalreisen-Kontingente ausverkauft sind." Erst vor kurzem habe sie eine Familie zu einer Reise zum Preis von 3100 Euro beraten, die wenige Tage später plötzlich 3900 Euro kostete. Fazit: Die Familie habe nicht gebucht.
Renaissance des Familien-Zelts
Auf dem Campingpark Kerstgenshof bei Xanten, nahe der niederländischen Grenze, spüren sie, dass sich das Urlaubsverhalten der Menschen verändert. Wo früher nur Wohnwagen standen, ploppt nun immer wieder ein großes Familien-Zelt auf. Der preisgünstige Zelt-Urlaub erlebt offenbar eine Renaissance.
"Das gab es früher gar nicht mehr, aber inzwischen haben wir einige mehrköpfige Familien, die so eine Woche Urlaub bei uns verbringen", sagt Ann-Christin Bußmann. Sie leitet den weitläufigen Campingplatz gemeinsam mit ihren Eltern.
Energiebewusste Ferien
Die Urlauber, die zu ihnen auf den Campingplatz kommen, seien insgesamt energiebewusster geworden - angesichts hoher Heiz- und Strompreise. Noch vor einem Jahr habe es schon mal Diskussionen gegeben, weil Warmwasser und Strom im Campingpark nicht pauschal abgerechnet werden. "Heute akzeptieren die Menschen unsere Regelung, weil ihnen klar ist, dass Energie Geld kostet", sagt Bußmann.
Die gestiegenen Spritpreise hätten sich bislang nicht negativ auf die Reiselust ihrer Gäste ausgewirkt. Wer ein Wohnmobil oder einen Wohnwagen angeschafft hat, wolle den auch nutzen, beobachtet Bußmann.
"Urlaub ganz oben auf der Wunschliste"
Laut Deutschem Reiseverband schränken sich dich Deutschen beim Urlaub in diesem Jahr nicht ein, sondern sind sogar ausgabefreudiger geworden. Im Durchschnitt buchten die Menschen in diesem Sommer längere Urlaube und wählten höherwertige Hotelkategorien aus.
"Der Urlaub steht nach langem Verzicht in diesem Jahr ganz oben auf der Wunschliste der Deutschen", sagt Sprecherin Kerstin Heinen. "Selbst steigende Energiekosten und zunehmende Inflation tun diesem Wunsch keinen Abbruch."
Ferienwohnung statt Hotel
Familie Kramer aus Rheinbreitbach hat sich letztlich gegen eine Flugreise entschieden. Stattdessen hat sie ein Ferienhaus in Frankreich gebucht, mit Selbstversorgung und Anfahrt mit dem eigenen Auto. Dort will sie ausspannen, ohne zu viel ausgeben zu müssen.
Viele befreundete Familien verzichteten auch ganz, sagt Thomas Kramer. Sie wollten im Sommer die Zeit für Arbeiten am Haus nutzen und Ausflüge machen. Viele hätten auch die Hoffnung, dass sie in den Herbstferien wegfahren können - wenn Urlaubsreisen vielleicht wieder etwas billiger sind.