Geringes Reallohn-Plus Deutsche haben etwas mehr im Portemonnaie
Erstmals seit zwei Jahren sind die Reallöhne in Deutschland von April bis Juni wieder gestiegen - allerdings ist das Plus gering. Inflationsprämien, nachlassende Teuerung und höherer Mindestlohn sind die Gründe.
Dank deutlicher Lohnzuwächse ist die Kaufkraft der deutschen Arbeitnehmer im zweiten Quartal erstmals seit zwei Jahren wieder gestiegen. Das Plus fällt mit 0,1 Prozent jedoch nur minimal aus.
Der Grund: Im zweiten Quartal dieses Jahres übertrafen die Gehaltserhöhungen von 6,6 Prozent die Steigerungen bei den Verbraucherpreisen (6,5 Prozent), berichtete das Statistische Bundesamt. Zuletzt war ein im zweiten Quartal 2021 ein Reallohnanstieg um 3,2 Prozent registriert worden. Zu Jahresbeginn waren die Reallöhne noch um 2,3 Prozent gefallen, im dritten und vierten Quartal 2022 sogar um jeweils 5,4 Prozent.
Höchste Lohsteigerungen für geringfügig Beschäftigte
Der nominale Lohnanstieg um 6,6 Prozent von April bis Juni war der Behörde zufolge der stärkste seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2008. Dazu trugen der erhöhte Mindestlohn und die höhere Minijobgrenze von 520 Euro ebenso bei wie die in vielen Betrieben vereinbarte Inflationsausgleichsprämie. Diese Leistung kann bis zu einem Betrag von 3000 Euro steuer- und abgabenfrei gestellt werden.
Geringfügig Beschäftigte wiesen mit 9,7 Prozent die höchsten Lohnsteigerungen auf. Dies sei vor allem auf die seit dem 1. Oktober 2022 gültige Erhöhung der Minijob-Verdienstgrenze von monatlich 450 auf 520 Euro sowie auf die Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro zurückzuführen.
Große Zuwächse nach Corona-Einbruch
Bei den einzelnen Branchen legten die Nominallöhne dort besonders zu, wo während der Corona-Krise große Einbrüche registriert worden waren: In der Gastronomie beträgt das Plus 12,6 Prozent, im Bereich Verkehr und Lagerei 10,0 Prozent sowie im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung 11,9 Prozent.
Die Nominallöhne von Beschäftigten in Vollzeit stiegen mit 6,3 Prozent leicht unterdurchschnittlich: Hier hatte das Fünftel mit den geringsten Verdiensten mit 11,8 Prozent die stärksten Lohnzuwächse.
Nur eine Momentaufnahme?
Ob die Reallöhne auch im Jahresschnitt steigen, ist dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge noch nicht ausgemacht. "Ein leichtes Plus ist dabei ebenso denkbar wie ein leichtes Minus", sagte IfW-Experte Dominik Groll. "Spätestens im kommenden Jahr werden die Nominallöhne dann aller Voraussicht nach aber deutlich stärker steigen als die Verbraucherpreise."
Mit etwas Glück könnten die Reallohnverluste, die sich zwischen 2020 und 2022 aufsummiert haben, dann sogar wettgemacht werden. "Vom Vorkrisentrend, also dem Reallohnniveau, das ohne Pandemie und Energiekrise realistisch wäre, wäre man allerdings auch im kommenden Jahr noch weit entfernt", erwartet Groll.
"Lücke zwischen der Inflation und Nominallohnzuwächsen schließt sich"
Die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib ist optimistisch: "Die Lücke zwischen der Inflation und den Nominallohnzuwächsen schließt sich zusehends. Zum Jahresende ist mit einer deutlicheren Erhöhung der Reallöhne zu rechnen." Getrieben durch die hohen Preissteigerungen und den Fachkräftemangel würden Arbeitnehmende im laufenden Jahr die höchsten nominalen Verdienststeigerungen seit 30 Jahren erhalten, so die Ökonomin.
Die verhaltene gesamtwirtschaftliche Nachfrage begrenze laut Köhler-Geib die Spielräume für weitere Preiserhöhungen, und sowohl für Energie als auch für Nahrungsmittel haben sich die Preise bereits seit dem Winter stabilisiert. "Hält diese Entwicklung an, werden die Reallöhne im nächsten Jahr wieder spürbar steigen."