Angebote der "Neobroker" Aktienhandel zum Nulltarif?
Die Konkurrenz um Kunden beim Kauf von Fonds und Aktien wird schärfer. Discount-Anbieter und "Neobroker" wetteifern mit den Filialbanken um Aufträge. Verbraucher sollten die Angebote prüfen.
Eine neue Gattung von jungen Banken und Brokern steht im harten Wettbewerb mit den Hausbanken und den Discountbrokern, die bereits seit rund zwei Jahrzehnten den Kauf und Verkauf von Aktien und Fondsanteilen anbieten.
Die "Neobroker" versuchen erst seit wenigen Jahren, den Markt aufzurollen. Zu ihnen gehören Anbieter wie Trade Republic, Scalable Capital, Justtrade oder Smartbroker. Vor allem die junge Generation der Fonds- und Aktiensparerinnen und -sparer handelt mit den Trading Apps der neuen Generation von Finanzunternehmen überwiegend über ihr Smartphone.
Wenig Personal, viel Technik
Neben dem spielerischen Komfort beim Börsenhandel sorgen auch die Handelskonditionen der Neobroker für Furore. Wo bei einer Filialbank auch heute noch bis zu einem Prozent des Kaufwertes etwa beim Fondskauf an Gebühren entsteht, kommen Verbraucherinnen und Verbraucher bei Discountbrokern die Comdirect oder Consorsbank mit etwa einem Viertel der Kosten aus. Doch bei Neobrokern fällt nur noch eine symbolische Gebühr von einem Euro an - oder der Trade wird sogar ganz kostenfrei ausgeführt. Depotgebühren fallen ohnehin nicht an.
Wenig Personal, keine Beratung für Kundinnen und Kunden: Das sorgt für einen Kostenvorteil gegenüber der arrivierten Konkurrenz. Dazu kommt der Faktor Technik, wie Markus Jordan erläutert, der für das ETF-Verbraucherportal extraETF Konditionen verglichen hat: "Die Neobroker haben den Riesenvorteil, dass die Software, die dort wird für die Abwicklung der Wertpapiergeschäfte genutzt wird, auf dem neuesten technischen Stand und deswegen sehr effizient ist. Und durch diese neuen Software-Systeme können Neobroker sehr günstige Konditionen anbieten."
Handel oft über Partnerbanken
Neobroker arbeiten zumeist mit einer Partnerbank zusammen, die die gekauften Aktien oder Fondsanteile in einem Wertpapier-Depot aufbewahrt. Sie werden der deutschen Regulierungsbehörde BaFin überwacht, genau wie die handelsüblichen Anbieter von Wertpapiergeschäften. Für Einlagen auf den Konten gilt die übliche gesetzliche Einlagensicherung bis 100.000 Euro je Konto und Kunde. Im Pleitefall springt also diese Sicherung ein. Und Aktien oder Fonds sind ohnehin gesetzlich geschütztes Sondervermögen. Sie werden also von der entsprechenden Partnerbank des Brokers ohnehin nur treuhänderisch verwaltet.
Rund ein halbes Dutzend Neobroker mit einer Lizenz der deutschen Finanzaufsicht BaFin sind inzwischen verfügbar. Die Zahl der Kunden wächst ständig. Nach aktuellen Angaben hat der deutsche Marktführer Trade Republic bereits im laufenden Jahr die Marke 2,5 Millionen Nutzern in Deutschland durchbrochen.
Haupteinnahmequelle: Rückvergütungen
Die derzeit noch wichtigste Einnahmequelle der Neobroker sind Rückvergütungen, die sie dafür erhalten, dass Orders an bestimmte Handelsplätze bringen. Dazu gehört auch der Direkthandel über Partnerbanken. Dies wird auch als "Payment for Order Flow" (PFOF) bezeichnet.
Das schnelle Wachstum hatte gerade bei Trade Republic in den vergangenen Jahren auch negative Begleiterscheinungen. Im Jahr 2021 konnte der Partner des Unternehmens, das Handelshaus Lang & Schwarz, eine hohe Zahl an Orders für die US-Aktie Gamestop nicht mehr bewältigen. Kundenbeschwerden häuften sich. Vor wenigen Woche gab es erneut eine Flut von Beschwerden, weil Trade Republic nach Angaben der Kunden Dividenden nicht schnell ausgeschüttet oder Steuern nicht korrekt berechnet hatte. Unternehmenschef Christian Hecker kündigte daraufhin einen Ausbau des Kundenservice an.
Berichte über Serviceprobleme
Kein Einzelfall in der Branche, wie auch Ralph Kummer vom Bundesverband der Verbraucherzentralen berichtet: "Immer wieder berichten uns Verbraucher von Service-Problemen bei Neobrokern. Das führt dazu, dass Anfragen teils gar nicht oder auch nur unzureichend beantwortet werden. Bestenfalls bekommt man dann vielleicht von Chatbots eine Antwort, die aber nicht wirklich zum Anliegen passt."
Auch mit eher aggressiven Marketing-Aktionen fallen die Neobroker bei den Beobachtern auf. Hier wird ein neues Fondsprodukte auf eine spannende Branche angepriesen, da die neueste Trend-Aktie, bei der man am besten sofort einsteigen soll. "Für Neobroker ist es, vereinfacht ausgedrückt, ja von großem Interesse, wenn ihre Kundinnen und Kunden so viel wie möglich handeln", meint Kummer, "je mehr Transaktionen, desto besser für sie." Viele Trades bedeuteten nun einmal höhere Einnahmen.
Wer sein Depot mit einem Neobroker aufbauen will, der sollte daneben noch einige Faktoren im Blick behalten. Denn die Handelskosten sind zwar bei den Anbietern konkurrenzlos günstig, doch nicht jeder Fonds oder Indexfonds (ETF) ist bei allen Brokern erhältlich. Dazu kommt die Beschränkung der Handelsplätze: Durch die enge Bindung an Partnerbanken oder Handelsplätze ist etwa der Xetra-Handelsplatz der Deutschen Börse nicht immer verfügbar. Besonders in Randzeiten der Börse frühmorgens und am Abend können dadurch die aktuellen Kurse der Wertpapiere bei Kauf und Verkauf etwas ungünstiger sein.
Neue Einnahmequellen gesucht
Erst wenige der neuen Branchenvertreter haben neben dem Broker-Konto auch ein Tagesgeld- oder Girokonto oder auch eine Kreditkarte im Angebot. Das dürfte sich in den kommenden Jahren aber wohl ändern. Die Neobroker suchen nach weiteren Einnahmequellen und machen den Hausbanken, aber auch den Discountbrokern zunehmen als "Vollbank"-Konkurrenz.
Der Grund dafür liegt auch darin, dass die bislang wichtigste Einnahmequelle, die Rückvergütungen durch die Partnerunternehmen, bald versiegen dürfte. Die EU will das System des "Payment for Order Flow" ab 2026 untersagen. Einige der Neobroker haben bereits erklärt, dass sie den Handel prinzipiell weiter sehr günstig oder sogar kostenlos anbieten wollen. Ob sie das schaffen, hängt davon ab, ob weiter so schnell neue Kundschaft gewonnen und das Geschäft auf Wachstum getrimmt werden kann.