Kriminalität Betrug bei Onlinetrading geht trotz Urteilen weiter
Tradingplattformen wie 24Option locken online mit schnellen Gewinnen, doch die Kunden werden oft um ihr Geld betrogen. Einzelne Täter wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, die Hintermänner machen weiter.
Bereits 2018 berichteten ARD-Finanzredaktion und Plusminus ausführlich über die dubiosen Machenschaften bei der Handelsplattform 24Option. Der Broker warb mit Italiens Rekordmeister Juventus Turin und Tennislegende Boris Becker um Kunden. Die Werbung versprach schnelle Gewinne mit binären Optionen und CFD, ganz einfach per Smartphone-App.
CFD ("Contract for Difference") sind im Grunde kurzfristige Wetten auf steigende oder fallende Kurse bei Aktien, Währungen, Krypto. Doch nicht an der Börse, sondern rein in der Software des Brokers. Wer sich anmeldete, der bekam einen "Account Manager" zur Seite gestellt, der beim erfolgreichen Traden helfen sollte.
Broker verdienen am Verlust der Kunden
Was die Kunden nicht wussten: Der Broker verdiente an den Verlusten der Kunden, und die "Account Manager" bekamen Provisionen auf die Summen, die die Kunden verloren. Sorgten Mitarbeiter etwa dafür, dass Kunden 300.000 Euro mehr ein- als auszahlten, so gab es auf das bescheidene Festgehalt von 2.000 Euro einen fetten Bonus von 12.000 Euro obendrauf.
Und Auszahlungen verhinderte man am besten, indem man die Konten der Kunden leer tradete. Wie das gelang, zeigen Telefonmitschnitte, die Plusminus zugespielt wurden. Den Kunden wurden oft Freundschaften vorgegaukelt. Die "Account Manager", die keine Finanzberater waren und keine Anlageempfehlungen geben durften, setzten ihre Kunden massiv unter Druck, manipulierten, spielten mit Hoffnungen und Ängsten.
Ermittlungserfolge durch Journalisten
Besonders erfolgreich dabei war "Binary King" Kevin S., ein Teamleiter im Kölner Büro von 24Option. Er betreute seine Kunden oft wochen- oder monatelang, ging mit ihnen essen, gewann ihr Vertrauen. Bis er sie dann in die ruinösen Trades trieb. "Finanziell befreien" soll er das intern genannt haben. Er wurde Ende 2021 verhaftet, nachdem er sich nach unseren Berichten 2018 ins Ausland abgesetzt hatte. Im Februar 2024 ist er rechtskräftig zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er seine Kunden täuschte und zu Trades riet, die teilweise zu massiven Verlusten führten.
Bisher wurden erst zwei Mitarbeiter aus Köln verurteilt, doch es gibt "Anhaltspunkte für ein systemisches Vorgehen in dem Bereich", wie die Kölner Staatsanwältin Stephanie Beller erklärt. Die Ermittlungen dauern an. "Die Arbeit eines Journalisten hat im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erheblich auch zu Ermittlungserfolgen beigetragen", so Beller über die Recherchen von 2018.
Zypern als Hotspot für Broker
Das Unternehmen hinter 24Option hieß damals Rodeler Limited und hatte seinen Sitz offiziell auf Zypern. Die Insel im Mittelmeer ist ein Eldorado für solche Broker. Rund 250 Unternehmen betreiben von dort mehr als 550 Onlinebroker-Seiten. Offiziell reguliert durch die zypriotische Finanzaufsicht CySec und damit berechtigt, innerhalb der gesamten EU ihre hochriskanten Produkte zu vertreiben. An den offiziellen Adressen sind aber oft nur Briefkästen zu finden.
Die Hintermänner von 24Option saßen in Tel Aviv bei einer Firma namens BitTech. Die Firmen gibt es offiziell nicht mehr, doch die Stroh- und Hintermänner machen mit dem gleichen Geschäftsmodell und neuen Plattform-Namen weiter, wie gemeinsame Recherchen von Plusminus und Schweizer Rundfunk belegen.
Neue Namen - gleiche Masche
Die neuen Plattformen sind auffallend ähnlich designt und gleich aufgebaut, ganze Textbausteine sind identisch. Und auch die Namen im Handelsregister sind dieselben wie vor sechs Jahren bei 24Option. Und auch der Chef einer der neuen Plattformen, Inefex, bestätigt den Kollegen vom Schweizer Rundfunk indirekt, dass das gleiche Netzwerk wie bei 24Option die Plattformen betreibt.
Patrick Wilson überrascht das nicht. Der Anwalt aus München hat Tausende Menschen beraten, die auf solchen Plattformen Geld verloren haben. Er konnte einen nahtlosen Übergang beispielsweise von 24Option zu ForexTB feststellen. "Es gab einige Überschneidungen bei Mandanten, die zunächst Kunden von 24Option waren und dann eben von ForexTB kontaktiert wurden. Und auch personelle Überschneidungen konnte ich feststellen", so Wilson.
Mittlerweile sind Hunderttausende auf der ganzen Welt Opfer der betrügerischen Masche geworden. Manche Geschädigte haben sich aus Verzweiflung das Leben genommen. Der Schaden durch die Onlinebroker wird auf bis zu zehn Milliarden Euro jährlich geschätzt. Und trotz einzelnen Verurteilungen geht das betrügerische Milliarden-Geschäft mit neuen Internetseiten weiter. Die nationalen Ermittlungsbehörden kommen nur selten hinterher.