Spenden statt Müll Frankreichs Kampf gegen verschwendete Lebensmittel
Schon seit 2016 verbietet es ein Gesetz französischen Supermärkten, unverkaufte Lebensmittel wegzuwerfen. Das scheint zu wirken: Tafeln etwa erhalten seitdem deutlich mehr Spenden.
Eine Frau nimmt ihre Schlüssel und will einkaufen gehen. Doch aus dem Kühlschrank kommt ein Rufen. "Willst Du keine Einkaufsliste machen?", fragt ein Ei. "Sonst kaufst Du zu viel und schmeißt es am Ende weg. Ich helfe Dir." Das Ei ruft in den Kühlschrank: "Gruyère?" - "Anwesend!" - "Salat?" - "Anwesend!" - "Mayonnaise?" - Schweigen. Mayo kommt auf die Einkaufsliste.
Die Botschaft der französischen Agentur für Umwelt und Energie ADEME in dem Werbevideo: "Reduzieren wir die Lebensmittel-Verschwendung!"
Eine App für den preiswerten Einkauf
Als erstes Land weltweit verabschiedete Frankreich 2016 ein Gesetz gegen diese Verschwendung. "In Frankreich werden jedes Jahr zehn Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das kommt 18 Milliarden in den Müll geworfenen Mahlzeiten gleich", heißt es in einer Internetkampagne. Und rund 16 Milliarden Euro Verlust.
Das Gesetz verbietet seither, nicht verkaufte Lebensmittel wegzuwerfen. Zuerst mussten Supermärkte über 400 Quadratmeter Größe noch essbare Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen und soziale Einrichtungen spenden. Man kann auch per App wie beim französischen Start-up Phénix einen preiswerten Lebensmittelkorb kaufen. Es rettet nach eigenen Angaben "jeden Tag 120.000 Mahlzeiten vor der Verschwendung".
Wer trotzdem Lebensmittel vernichtet und entsorgt, dem drohen hohe Strafen von bis zu 0,1 Prozent des Jahresumsatzes. Das können schon mal 50.000 Euro werden. Es gibt aber auch Anreize: Firmen können ihre Spenden steuerlich absetzen - sie erhalten Erleichterungen von 60 Prozent des Warenwerts.
Regeln nochmals verschärft
Inzwischen hat das Gesetz viele Initiativen ausgelöst. So hat etwa der Großmarkt von Marseille eine Küche eingerichtet, in der nicht verkaufte Lebensmittel weiterverarbeitet werden. Und manches "Café Solidaire" kocht aus dem gespendeten Gemüse Suppen. Die können verkauft und der Erlös gespendet werden, oder sie werden direkt an Bedürftige verteilt.
Anfangs wurde das Gesetz als etwas zahnlos kritisiert, inzwischen sind die Regeln verschärft worden. 2022 wurde die Aufschrift "Auch nach dem Ende der Haltbarkeit verwendbar" eingeführt.
Schulkinder wiegen die Abfälle
Das Gesetz wurde zudem ausgeweitet auf den Großhandel, größere Hersteller, die gesamte Produktionskette - die aus den Resten auch Tierfutter oder Kompost herstellen soll - sowie kleinere Supermärkte und Kantinen. Ein neuer Trend hier: Schulkinder bekommen erstmal kleinere Portionen, können sich aber nachholen. So macht es die Kleinstadt Chaumont südöstlich von Paris.
"Es gibt Leute, die nicht aufessen, die schmeißen dann alles weg, und das ist Verschwendung", sagt ein Schüler. 1400 Mahlzeiten kocht die Firma Scolarest für die Kinder in Chaumont. "Wir bieten den Kindern Brot an, aber nötigen es nicht systematisch auf", erklärt die Chefin Isabelle Monnet im Fernsehsender France 3. "Denn in dem Fall landet es am Ende nur im Müll."
Heute gibt es Couscous-Salat, Fleisch mit Soße, Möhren und Pastinaken. Die Abfälle werden am Ende gewogen. Eine "Challenge" - auch für das Brot. "Das meiste, was wir weggeworfen haben, waren mal fünf Baguette in einer Woche, das ist viel", sagt eine Schülerin. "Und das wenigste war eins, das ist viel besser."
Die meisten Abfälle kommen aus privaten Haushalten
Frankreich will die Lebensmittelverschwendung von 2015 bis 2025 halbieren. Wo genau man auf dem Weg ist? Da lassen die offiziellen Stellen ein Fragezeichen stehen. Immerhin: Nach Angaben der Lebensmittelbanken machen über 95 Prozent der großen Supermärkte mit. Sie melden, allein zwischen 2015 und 2017 10.000 Tonnen mehr Lebensmittel erhalten zu haben.
Bei Vereinen wie den Tafeln, den "Restos du Coeur", haben die gespendeten Lebensmittel im Vergleich zur Zeit vor dem Gesetz um mehr als 20 Prozent zugenommen. Und die Produkte seien hochwertiger. Millionen Mahlzeiten können dadurch zusätzlich ausgegeben werden.
Doch auch dieses Gesetz hat Mängel: Es erfasst nicht die in Haushalten entstehenden Abfälle, die aber rund ein Drittel der weggeworfenen Lebensmittel ausmachen - 30 Kilo pro Kopf und Jahr. Dennoch kann man sagen: Eine Dynamik hin zu weniger Verschwendung ist sichtbar.