Teure Lebensmittel Wie die Inflation den täglichen Einkauf verändert
Die Deutschen kaufen anders ein, um bei weiterhin steigenden Preisen zu sparen. Jetzt scheint der Höhepunkt der Inflation überschritten. Kommt bald also die Kundschaft zurück?
Sechs Uhr auf dem Pappelhof in der hessischen Wetterau: Knallrote Erdbeeren landen in den Kisten, grüner Spargel wird gestochen. Beides wird noch am selben Tag in der "Biokiste" bei den Kundinnen und Kunden ankommen. Bio und regional - mit beiden Megatrends ist das Unternehmen Querbeet in den vergangenen 30 Jahren mitgewachsen, verkaufte immer mehr Ware auf Wochenmärkten und mit dem Lieferdienst.
Doch damit ist es inzwischen vorbei, sagt Firmengründer Thomas Wolff: "Im Corona-Boom konnten wir noch 30 weitere Mitarbeiter einstellen. Inzwischen mussten wir die Neuen leider wieder entlassen." Auch die bio-affine Kundschaft spart in Zeiten steigender Preise. Zum einen bestellen weniger Kunden ihre Biokiste. Und wer noch bestellt, kauft weniger Produkte.
Weniger Ausgaben für Bio-Lebensmittel
Damit steht der hessische Betrieb für die gesamte Branche, in der es über Jahrzehnte nur aufwärts ging: Im Jahr 2000 gaben die Deutschen 2,1 Milliarden Euro für Bio-Lebensmittel aus, mit dem Corona-Boom stieg der Umsatz auf 15,9 Milliarden Euro. Aber im vergangenen Jahr ging es zum ersten Mal abwärts auf 15,3 Milliarden Euro, so die die Zahlen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI).
Zugleich verzichten die Kundinnen und Kunden vermehrt auf teureres Bio von regionalen Anbietern und kaufen stattdessen die günstigeren Bio-Produkte in Supermärkten und Discountern. So konnte der Lebensmitteleinzelhandel sein Geschäft mit Bio-Produkten leicht steigern (+ 3,2 Prozent). Das geht jedoch auf Kosten des Naturkosthandels (- 12,3 Prozent).
Einbußen für Markthändler und Hofverkäufe
Noch härter trifft es andere Anbieter wie Wochenmärkte, Hofverkäufe und Versandhandel mit einem Rückgang von 18,2 Prozent. Ist das nun das Ende des jahrzehntelangen Bio-Booms in Deutschland? Nein, sagt Andreas Riekötter vom Kölner Marktforschungs-Institut IFH Media Analytics: "Wenn wieder mehr Geld in den Taschen da ist, weil die Inflation zurückgeht, wird definitiv auch wieder mehr auf Nachhaltigkeit geachtet und wieder vermehrt in den Konsum nachhaltig produzierter Waren investiert."
Bio-Branche wie auch Verbraucherinnen und Verbraucher haben allen Grund zur Hoffnung, dass die Preis-Rallye ein Ende hat. "Wir haben den Höchststand des Verbraucherpreisindex, also die höchste Inflationsrate wohl hinter uns", sagt Professor Volker Wieland, Wirtschaftswissenschaftler an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
Preise steigen langsamer
Im Mai liegt die geschätzte Inflationsrate bei 6,1 Prozent, nachdem in den Monaten zuvor beinahe die Zehn-Prozent-Marke gerissen worden wäre. Zudem machen die jüngsten Statistiken Hoffnung, dass auch in den nächsten Monaten die Preise langsamer steigen.
Denn der Preisanstieg bei den Erzeugerpreisen hat spürbar nachgelassen. Das kommt dann mit Verzögerung bei den Preisen im Laden an. "Kostensenkungen will natürlich erst mal keiner weitergeben", erklärt Wirtschaftsexperte Wieland. "Aber der Wettbewerbsdruck wird für sinkende Preise sorgen."
Verhaltener Optimismus bei der EZB
Entsprechend herrscht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt verhaltener Optimismus. "Insgesamt können wir wirklich zufrieden sein mit dem, was wir bislang erreicht haben", sagt die stellvertretende Abteilungsleiterin Volkswirtschaft bei der EZB, Christiane Nickel im Hinblick auf die Zinswende. "Aber noch ist die Inflation zu hoch. Also wir können noch keine Entwarnung aussprechen."
EZB-Beobachter gehen daher davon aus, dass es beim nächsten Treffen des EZB-Rats am Donnerstag, 15. Juni, die nächste Zinserhöhung geben wird. Denn noch ist die EZB ein ganzes Stück von ihrem Ziel entfernt, Preisstabilität zu erreichen. Dazu muss die Inflationsrate auf zwei Prozent zurückgehen.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher sind die Aussichten gut: Wenn die Preise nicht mehr so stark steigen, müssen sie sich weniger einschränken. Nach der Delle können dann wieder mehr regionale Bioprodukte im Einkaufskorb landen.