Ernteprognose 2024 Bauern kämpfen weiter mit Wetterextremen
In den vergangenen Jahren kämpften die Landwirte mit extremer Trockenheit, jetzt machen ihnen teils sintflutartige Niederschläge zu schaffen. Um mit Nässe und Schimmel klarzukommen, müssen sie verstärkt Pestizide einsetzen.
Uwe Bißbort läuft einen Feldweg entlang und zeigt immer wieder auf seine Ackerfläche. Eigentlich sollte jetzt hier Raps wachsen. "Hier stand im Frühjahr und auch im Mai überall das Wasser auf den Feldern. Die Saat konnte gar nicht angehen. Der Ausfall bei mir liegt bei 30 Prozent", erklärt Bißbort. Grund sei der viele Regen gewesen. "Wir haben hier normalerweise rund 750 Liter Regenwasser pro Jahr. Bislang waren es schon mehr als 1.200 Liter. Das war selbst nach den Trockenjahren viel zu viel."
Mit dem Regen kamen Pilzkrankheiten
Bißbort ist Landwirt im Südwesten von Rheinland-Pfalz. In Windsberg betreibt er in seinem Familienbetrieb neben Schweinezucht auch Ackerbau: Wintergerste, Erbsen, Mais, Zuckerrüben und Raps. Bei der Gerste rechnet Bißbort mit Ausfällen von rund 60 Prozent wegen der Nässe. Im regenreichen Mai kamen mit den ansteigenden Temperaturen dann noch verstärkt Pilzkrankheiten dazu, die Bißbort mit Pflanzenschutzmitteln bekämpfte, um zumindest seine reduzierten Erträge zu retten.
"Manche Landwirte in der Region hat es wegen des Regens noch härter getroffen, vor allem diejenigen, die in Tallagen ihre Flächen haben. Da war alles so aufgeweicht, dass sie nicht mal mehr auf ihre Äcker kamen", erzählt Bißbort. "Ich rechne insgesamt mit einem Gesamtminus von 30 Prozent für meinen Hof in diesem Jahr", rechnet Bißbort zusammen.
Er hat aber eine damit verbundene Botschaft an die Verbraucher: "Ich bin mit meinen Ausfällen kein Einzelfall. Höhere Preise im Supermarkt dürfen aber nicht die Folge sein. Der Handel mit Agrarrohstoffen ist global. Das kann ausgeglichen werden", so der Landwirt. "Der Handel darf die Wetterkapriolen nicht missbrauchen, um höhere Preise durchzusetzen."
Ernte ohne Pflanzenschutz gefährdet
Eine Autostunde entfernt bereitet sich Landwirt Thomas Knecht auf die Ernte vor. In einer Woche kann es hier in Herxheim vermutlich mit dem Weizen losgehen. "Der viele Regen im Herbst erschwerte die Aussaat des Wintergetreides und aufgrund des nassen und wechselhaften Wetters ist die Getreideernte etwas später als in den Vorjahren", so der 54-Jährige.
Auch Knecht musste sich mit vielen Pilzkrankheiten herumschlagen, deshalb brachte er dreimal Pflanzenschutzmittel aus. Normalerweise ist das nur einmal nötig. "Das Thema löst bei vielen Verbrauchern Ängste aus. Aber alle Substanzen bauen sich innerhalb kurzer Zeit und lange vor der Ernte wieder ab. Ohne Pflanzenschutz wäre die Ernte in diesem Jahr gefährdet gewesen. Zudem sind Schadpilze an dem Weizenkorn für Mensch und Tier auch ungesund", so Knecht.
Der Landwirt erwartet in diesem Jahr ein durchschnittliches Ergebnis. "Angesichts der Wetterkapriolen würde ich damit zufrieden sein." Für den Verbraucher dürften beim Bäcker die Preise nach Einschätzung von Knecht stabil bleiben. "Der Anteil des Weizenpreis am Brötchen liegt bei maximal einem dreiviertel Cent. Den Löwenanteil machen Energie- und Personalkosten sowie Logistik aus."
Bauernverband zieht gemischte Zwischenbilanz
In seiner heute vorgelegten Prognose geht der Deutsche Bauernverband (DBV) von einer Getreideernte von knapp 42 Millionen Tonnen aus. Das würde leicht unter dem Vorjahresergebnis liegen. "Wir erwarten eine knapp durchschnittliche Ernte. Die Witterungsbedingungen stellen uns Landwirte in diesem Jahr vor große Herausforderungen", so der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Die ungewöhnlich starken Niederschläge der vergangenen Monate hätten in vielen Regionen zu Überschwemmungen und Staunässe geführt. Später sei dann Pilzbefall dazu gekommen.
Rukwied verteidigt daher den umstrittenen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, um die Ernte zu sichern. "Es ist daher dringend notwendig, dass uns Landwirten eine breite Palette von Wirkstoffen zur Verfügung steht." Wegen der ungewöhnlich feucht-warmen Witterung drohten etwa bei Kartoffeln noch Ernteausfälle.
Hoher Schädlings- und Pilzdruck
Damit deutet sich der nächste Konflikt zwischen Landwirtschaft und der Bundesregierung an. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat ein "Zukunftsprogramm Pflanzenschutz" gestartet. Hier soll mit Bundesländern und Verbänden über einen künftig reduzierten Einsatz von Pestiziden gesprochen werden. Konkret will das grün-geführte BMEL die Mittel um 50 Prozent reduzieren.
Der Bauernpräsident hält dagegen: "Unser Ziel ist es, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln noch weiter zu reduzieren. Das geht aber nur über technische und innovative Lösungen und nicht über pauschale ordnungsrechtliche Vorgaben", so Rukwied. "Der hohe Schädlings- und Pilzdruck in diesem Jahr zeigt erneut, dass es ohne Pflanzenschutzmittel nicht geht, weder im Konventionellen noch im Öko-Anbau. Die aktuellen Pläne des BMEL zum Pflanzenschutz gehen deshalb in die gänzlich falsche Richtung."
Die Landwirte zeigen sich also auch für die Zukunft konfliktbereit. Für die nächsten Wochen der Ernte hoffen sie jetzt aber zunächst auf ruhiges Sommerwetter und viel Sonnenschein.