Folgen des Ukraine-Kriegs "Verantwortung für unsere Beschäftigten"
Das Unternehmen Ziehl-Abegg liefert Ventilatoren für Luft- und Klimatechnik. Es produziert auch in Russland und hat Beschäftigte in der Ukraine. Der Krieg und die Sanktionen stellen die Firma vor viele schwierige Entscheidungen.
"Unsere Kollegen in der Ukraine sind nicht irgendwelche Mitarbeiter", sagt Firmensprecher Rainer Grill. "Wir kennen uns von Konferenzen hier in der Zentrale in Künzelsau, wir haben schon das ein oder andere Bier miteinander getrunken." Beim Ventilatoren-Hersteller Ziehl-Abegg hat der Krieg in der Ukraine nicht nur wirtschaftliche Folgen - er bewegt die Beschäftigten auch persönlich. In Kiew hat das Unternehmen ein Vertriebsbüro mit vier ukrainischen Mitarbeitern. Aus Sicherheitsgründen hat es die Niederlassung jetzt geschlossen. "Es geht um Menschen", sagt Grill. "Der Schock, dass Menschen gerade andere Menschen umbringen, der sitzt so tief, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen erstmal nachgeordnet sind."
Wirtschaftliche Folgen könnten beträchtlich sein
Die wirtschaftlichen Folgen gibt es aber auch, und die könnten beträchtlich sein. Ziehl-Abegg hat Kunden und 4300 Beschäftigte in aller Welt, das meiste Geld verdient das Unternehmen mit dem Export. Von den 630 Millionen Euro Jahresumsatz fällt ein einstelliger prozentualer Anteil auf das Geschäft in der Ukraine und Russland. In Moskau betreibt der Ventilatoren-Hersteller eine Produktionsstätte. 30 russische Beschäftigte arbeiten dort. Sie setzen Flügel und Laufräder auf Elektromotoren, die aus Künzelsau geliefert werden.
"Unsere Kollegen dort sind zutiefst betroffen, dass es jetzt Krieg in der Ukraine gibt", berichtet Grill. "Bei unserem jährlichen Sales-Meeting sitzt der Ukrainer neben dem Russen, das sind Freunde." Viele andere deutsche Unternehmen brechen im Moment ihre Beziehungen zu Russland ab. Ziehl-Abegg würde den Betrieb in Moskau gerne fortsetzen. "Das ist ja keine Kooperation mit einem russischen Unternehmen, sondern unsere eigene Niederlassung", erklärt der Firmensprecher. "Und wir haben eine Verantwortung für unsere Beschäftigten. Deren Familien sind auf die Löhne angewiesen."
Sanktionen erschweren das Geschäft
Die Ventilatoren von Ziehl-Abegg wurden von den deutschen Behörden bisher nicht als rüstungsrelevant eingestuft. Damit hätte das Geschäft weitergehen können. Das Problem liegt an anderer Stelle. Russische Kunden zahlen zwar zunächst auf ein russisches Konto der deutschen Firma. Aber im nächsten Schritt sei es aufgrund der Sanktionen gegen Russland nun unmöglich, die Einnahmen nach Deutschland zu überweisen, erklärt Grill. Die Produktion in Moskau laufe nur noch solange weiter, bis das vor Ort vorhandene Material aufgebraucht ist. Neue Elektromotoren werde Ziehl-Abegg vorerst keine nach Moskau liefern.
Für das Unternehmen aus Künzelsau sind die neuen Entwicklungen fast so etwas wie ein Déjà-Vu. Schon 2014 wurde infolge der Krim-Krise ein Embargo gegen Russland verhängt, schon damals bekam Ziehl-Abegg das zu spüren - und zwar oftmals über indirekte Geschäftsbeziehungen. Ein japanisches Unternehmen etwa habe damals ein Bahnprojekt in Russland auf Eis gelegt, erklärt Sprecher Grill. Und deutsche Firmen konnten in Russland geplante Viehställe nicht bauen. In beiden Fällen hätte Ziehl-Abegg Ventilatoren liefern sollen. All diese Geschäfte seien geplatzt. Jetzt seien wieder ähnliche Effekte zu erwarten.
Die akuten Auswirkungen seien das eine, ein Abkoppeln der westlichen Wirtschaft von Russland könne aber auch langfristige Folgen haben, befürchtet Grill. "In die Bresche springen vermutlich Unternehmen aus Südostasien, und es ist möglicherweise schwierig, später im Markt wieder Fuß zu fassen."