Öko-Strategie der Deutschen Bahn Wasserstoff für die Schiene?
In Tübingen hat die Bahn ihre erste Wasserstoff-Tankstelle für Loks eingerichtet. Die Weichen für noch klimafreundlicheres Bahnfahren werden gestellt. Doch es gibt Alternativen zu der Technologie.
Eigentlich könnte es ganz einfach sein. Wenn über allen Schienenstrecken eine Oberleitung verliefe, hätte man nur eine Herausforderung: in die Oberleitung möglichst viel Strom aus erneuerbaren Quellen zu speisen. Tatsächlich aber sind nur 60 Prozent des deutschen Schienennetzes elektrifiziert. Auf den restlichen 40 Prozent wurden in der Vergangenheit Dieselloks eingesetzt. Und die Verbrennung von Dieseltreibstoff erzeugt klimaschädliches Kohlendioxid.
Tübingen ist so ein Punkt, wo die Oberleitung endet. Deshalb hat die Deutsche Bahn nun exakt hier ihre erste Versuchs-Tankstelle für Wasserstoff eingerichtet. Im Projekt "H2goesRail" erprobt die Bahn die Technologie gemeinsam mit Siemens. Eine Siemens-Lok mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb wird hier auf Strecken ohne Oberleitung im Testbetrieb unterwegs sein - zwischen Tübingen, Horb und Pforzheim
"Wir erzeugen den Wasserstoff direkt vor Ort. Er wird verdichtet und in einem Speicher gelagert", sagt eine Sprecherin der Deutschen Bahn. "Und erstmals dauert die Betankung eines Wasserstoffzugs nicht länger als bei einem Dieseltriebzug." Noch 2024 soll in Augsburg eine weitere Wasserstoff-Tankstelle in Betrieb gehen. Ein Wasserstoff-Zug soll hier auf den Strecken Augsburg-Füssen und Augsburg-Weilheim fahren. In Mühldorf am Inn ist eine Tankstelle für 2026 geplant.
Ein Mann mit einer DB-Warnweste prüft Kabel.
Wie grün ist der Strom?
Auch für die Herstellung des Wasserstoffs benötigt man Strom, in Tübingen kommt er aus dem letzten Stück Oberleitung. In einem Elektrolyse-Verfahren wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Am Ende landet man also auch hier wieder bei der Frage, wieviel des Oberleitungsstroms aus erneuerbaren Quellen stammt. Im Moment sind es 68 Prozent, klimaneutral will die Bahn bis 2040 werden. Für ihren Fernverkehr kauft die Bahn schon heute zu 100 Prozent Ökostrom ein. "Der Abschied vom Diesel ist bei der DB beschlossene Sache", sagt der Vorstandsvorsitzende Richard Lutz. Bis 2027 würden rund 1,5 Milliarden Euro in den Ausbau neuer Antriebe und Kraftstoffe investiert.
Auf Wasserstoff setzen auch andere Bahnbetreiber in Deutschland. Zum Beispiel im Taunus eine DB-Regio-Tochter. In Niedersachsen nutzen die Elbe-Weser-Verkehrsbetriebe Loks mit Wasserstoff-Antrieb.
Mehr Oberleitung als Alternative
Die Umweltorganisation Greenpeace begrüßt die Anstrengungen der Deutschen Bahn. "Heute schon ist die Bahn das klimafreundlichste Verkehrsmittel, wir brauchen sie und mehr davon", sagt die Greenpeace-Verkehrsexpertin Lena Donat. Allerdings sei über Jahrzehnte hinweg zu wenig in die Transformation der Bahn investiert worden. Beim Ausbau der Oberleitung hinke Deutschland anderen Ländern hinterher. Dabei sollte nach Ansicht von Greenpeace die Verbesserung des Bahnstromnetzes höchste Priorität haben. Ziel müsse es sein, 79 Prozent der Strecken zu elektrifizieren. 600 zusätzliche Kilometer pro Jahr seien nötig.
Auch die Bahn will das Oberleitungsnetz ausbauen, allerdings weniger schnell: bis 2030 um rund 760 weitere Kilometer. Und sie sieht Grenzen. "Vor allem auf wenig befahrenen Nebenstrecken ist eine durchgängige Elektrifizierung wirtschaftlich kaum sinnvoll", erklärt eine Bahnsprecherin. "Besonders, wenn Täler, Brücken oder Tunnel die Kosten in die Höhe schießen lassen."
Eine Lösung könnten sogenannte Oberleitungsinseln sein, die die Deutsche Bahn nun erstmals in Schleswig-Holstein baut. Wenige hundert Meter lange Stücke Oberleitung, die Akku-betriebene Züge künftig nutzen können, um ihre Akkus für Fahrten auf einem nicht elektrifizierten Abschnitt aufzuladen.
Akku-Züge als Alternative
Akku-Züge sind für Greenpeace ohnehin die bessere Wahl als Wasserstoff-betriebene Loks. "Wasserstoffzüge sind über eine Lebensdauer von 30 Jahren 80 Prozent teurer als die mit Akku", rechnet Lena Donat vor. Sie seien weniger effizient, weil bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff und zurück in Strom 60 Prozent der Energie verloren gehe. Zudem sei Wasserstoff auf absehbare Zeit noch sehr knapp und werde dringend anderswo gebraucht - etwa in der Industrie oder für den Antrieb von großen Schiffen.
"Die Deutsche Bahn verfolgt einen technologie-offenen Ansatz", kommentiert das die Sprecherin der DB. Zudem kann der Konzern seine energetische Zukunft nicht im Alleingang bestimmen. Durch welche Technik Diesel auf der Schiene abgelöst wird, entscheiden im Personennahverkehr zum Beispiel die Träger des Nahverkehrs und nicht die Deutsche Bahn. Greenpeace wünscht sich deshalb für den Staatskonzern klarere Ansagen der Bundesregierung und ein höheres Tempo.
So lange für den Übergang noch Diesel-Loks gebraucht werden, will die Bahn sie mit Biosprit aus Abfallstoffen zum Beispiel aus der Nahrungsmittelproduktion oder der Landwirtschaft betanken. Greenpeace sieht das mit Skepsis. Unter das Etikett "Abfallstoff" fielen auch Stoffe wie Restholz oder Stroh, die man anderswo durchaus nutzen könne - zum Beispiel für den Humus-Aufbau oder als Baustoff.
Lokaler Ökostrom für die Deutsche Bahn
Fest steht: Mit dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energie wird sich das Bahnstromnetz grundlegend verändern. Bisher gibt es wenige Einspeisepunkte in das Bahnstromnetz, einige große Kraftwerke liefern unabhängig vom Wetter stabile Mengen an fossilem Bahnstrom. Künftig werden es viele kleine Einspeisepunkte sein, an welchen schwankend kleinere Mengen an Ökostrom einfließen.
In Tübingen wird deshalb nicht nur Wasserstoff erzeugt, sondern auch eine neue Technologie erprobt, die es erlaubt, lokal erzeugten Ökostrom - zum Beispiel aus Wind- oder Solarkraftwerken - direkt in die Oberleitung einzuspeisen. "Das schont Kapazitäten im Netz, da der Strom dort eingespeist wird, wo er verbraucht wird und nicht über weite Strecken transportiert werden muss", sagt die Sprecherin der DB.
Auch ein Batteriespeicher für überschüssig auflaufenden Strom ist in Tübingen vorhanden - er besteht aus 108 wiederaufbereiteten Batterien aus E-Autos. Bei Bedarf könne man den gespeicherten Strom einspeisen und auf Netzschwankungen reagieren. Diese Technologie wird künftig auf jeden Fall benötigt, unabhängig davon, ob die Lücken im Oberleitungsnetz von Wasserstoff- oder Akku-Zügen überbrückt werden.