Wettbewerbsrecht Wie die Ampel das Kartellamt stärken will
Ein Kartellrecht mit "Klauen und Zähnen" wünschte sich Wirtschaftsminister Habeck im vergangenen Jahr - mit Blick auf hohe Mineralölpreise trotz "Tankrabatts". Schützt der neue Gesetzentwurf die Verbraucher oder geht er zu weit?
Die "Klauen und Zähne" des neuen Kartellrechts verteilen sich auf insgesamt 53 Seiten. Größtes Novum der "11. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)": Das Kartellamt erhält neue Eingriffs- und Kontrollrechte und kann in Zukunft bereits dann in den Markt eingreifen, wenn es eine "erhebliche und fortlaufende Störung des Wettbewerbs" feststellt. Wettbewerbsschädigendes Verhalten von Unternehmen muss nicht mehr nachgewiesen werden.
Das Kartellamt kann dann entsprechende Maßnahmen anordnen zu deren Ultima Ratio die sogenannte Entflechtung von Unternehmen zählt, also der Zwangsverkauf von Teilen eines Unternehmens.
Des Weiteren soll es für das Kartellamt zukünftig einfacher werden bei Verstößen gegen das Kartellrecht wirtschaftliche Vorteile abzuschöpfen "damit die Vorteile nicht bei den Unternehmen bleiben, welche die Verstöße begangen haben", heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Ziel sei es, Störungen des Wettbewerbs abzustellen, damit Verbraucherinnen und Verbraucher von niedrigeren Preisen profitieren könnten. Das sei vor allem in Märkten mit nur wenigen Anbietern und auffälligen Preisentwicklungen wichtig - etwa bei Mineralölkonzernen und Tankstellenbetreibern.
Habeck: "Wir stärken den Wettbewerb"
Zwar war die Abschöpfung von wettbewerbswidrig verdienten Gewinnen schon vor der Novelle möglich gewesen, allerdings waren die Hürden so hoch, dass das Instrument nicht genutzt wurde. Das soll sich jetzt ändern. "Die Hürden, die die Gerichte dazu aufgebaut haben, die werden jetzt ein bisschen abgesenkt," sagt Rupprecht Podszun, Experte für Kartellrecht an der Universität Düsseldorf.
"Insgesamt schützen wir den Wettbewerb, wir stärken den Wettbewerb", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck bei der Vorstellung der Novelle im Bundeswirtschaftsministerium. "Mit dem Ziel am Ende die Verbraucher zu schützen."
CDU sieht Standortnachteil für Unternehmen
Anwältin Petra Linsmeier, die Unternehmen in Kartellrechtsfragen vertritt, sieht darin eine deutliche Ausweitung des bereits bestehenden Kartellrechts und kritisiert: Das Amt könne nun tätig werden, ohne dass es einen Verstoß gegen das Kartellrecht feststellt. Am Ende könnten so Unternehmen, die sich gesetzestreu verhalten trotzdem reguliert werden, wenn der Markt eine Störung aufweise. "Zurecht laufen Unternehmen dagegen Sturm", sagt Linsmeier zu dem Gesetz, das zudem "international einzigartig" sei.
Chefjustitiar Stephan Wernicke von der Deutschen Industrie- und Handelskammer spricht von notfalls staatlicher Marktgestaltung. Die Bundesregierung verlasse damit die bewährten Grundprinzipien des europäischen Wettbewerbsrechts, wonach nur rechtswidriges Verhalten von Unternehmen sanktioniert werde.
Von der Unionsfraktion im Bundestag kommt ebenfalls scharfe Kritik: Die wirtschaftspolitische Sprecherin, Julia Klöckner, glaubt das Gesetz schaffe Rechtsunsicherheit für Unternehmen. Hansjörg Dutz, Obmann im Wirtschaftsausschuss der CDU, spricht von einer einem Standortnachteil für Deutschland "wenn Unternehmen nicht mehr klar absehen können, ab welcher Größe oder durch welche Verhaltensweisen sie in den Fokus des Kartellamtes geraten."
Buschmann verteidigt Gesetz
Bundesjustizminister Buschmann verteidigte das Gesetz und hält den Vorwurf eines "Blankoschecks" für das Kartellamt für unberechtigt. Die rechtliche Beschreibung der Maßnahmen sei "sehr stark präzisiert", so der FDP-Politiker.
Die SPD-Fraktion verteidigt das Gesetz als Schutz vor extremen Preissteigerungen wie bei Kraftstoffen. "Die positiven finanziellen Effekte werden für Bürgerinnen und Bürger spürbar sein," sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Verena Hubertz. Grünen-Chef Omid Nouripour sagte, das Wettbewerbsrecht werde zielgenauer und schlagkräftiger.
Mehr Macht für das Kartellamt, doch an Tankstellen herrschte heute weiterhin Skepsis, ob die Verbraucherinnen und Verbraucher wirklich von dem neuen Kartellrecht profitieren.