Weiter hohe Spritpreise Handel kritisiert "Blankoscheck" für Kartellamt
Die Spritpreise bleiben trotz Tankrabatt hoch. Wirtschaftsminister Habeck hat eine Verschärfung des Kartellrechts ins Spiel gebracht - und dafür scharfe Kritik vom Handelsverband geerntet. Auch in der Koalition ist der Vorstoß nicht unumstritten.
Der Handelsverband Deutschland hat die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für ein schärferes Kartellrecht scharf kritisiert. "Wir halten die Einführung missbrauchsunabhängiger Entflechtungsmöglichkeiten und kartellrechtlicher Gewinnabschöpfungsansprüche ohne Nachweis des Verschuldens für einen Irrweg", sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ein solcher Blankoscheck für das Bundeskartellamt würde willkürliche und politisch motivierte Entscheidungen begünstigen." Er empfehle "dringend", das Vorhaben nicht weiter zu verfolgen.
Nach Habecks Plänen soll das Kartellamt mehr Eingriffsmöglichkeiten erhalten, um gegen Mineralölkonzerne schärfer vorgehen zu können. Wettbewerbshüter sollen neben schlagkräftigeren Sektoruntersuchungen auch Gewinne abschöpfen können, wenn Unternehmen ihre Marktmacht missbrauchen. Als letztes Mittel sollen Entflechtungen möglich sein.
Der Hintergrund des Vorhabens: Zum 1. Juni war zur Entlastung der Autofahrer die Energiesteuer auf Benzin und Diesel gesenkt worden. An den Zapfsäulen wurde dies aber kaum spürbar.
Warnung vor Generalverdacht
Genth sagte nun, zwar sei auch der Handel von hohen Benzin- und Energiekosten betroffen und könne den Ärger nachvollziehen. Die Pläne des Wirtschaftsministers allerdings hätten negative Folgen für Wettbewerb, Verbraucher und de Wirtschaftsstandort Deutschland.
"Die Tätigkeit der Unternehmen im Wettbewerb ist ja gerade darauf gerichtet, eine marktstarke Stellung zu erlangen. Wenn eine aus eigener Kraft erreichte und nicht missbrauchte Marktmacht vom Gesetzgeber per se unter Generalverdacht gestellt wird, kann dies das Engagement von Unternehmen auf dem Markt von vornherein dämpfen", sagte Genth.
Die Einführung einer missbrauchsunabhängigen Möglichkeit zur Gewinnabschöpfung erscheine ebenfalls "extrem risikobehaftet", so Genth weiter. "Auch weil die Abschöpfung legal erwirtschafteter Erträge möglich wäre, stellt sich dann ernsthaft die Frage, ob eine solche gesetzliche Maßnahme überhaupt verfassungskonform wäre", warnte er.
Lindner: Ölkonzerne nicht vorverurteilen
Zuvor hatte sich schon FDP-Chef Christian Lindner gegen eine Vorverurteilung von Ölkonzernen gewandt. Man solle hier "nicht ungeprüfte Hypothesen verwenden", sagte er dem TV-Sender der "Welt". Es sei "gegenwärtig Spekulation", ob oder in welchem Umfang die Steuersenkung von den Konzernen nicht weitergegeben werde. Und er sei sich "nicht so sicher", dass Rabatte beim Autofahrer nicht ankämen. "Das Tanken wäre wesentlich teurer, wenn auch noch eine Steuer obendrauf käme", gab Lindner zu bedenken.
Sollte es aber doch eine Form von Marktmachtmissbrauch geben, dann sei auch er sehr wohl für ein hartes Vorgehen gegen Mineralölkonzerne, stellte Lindner klar. "Mir geht es nur um eine saubere Analyse. Ich bin dafür, dass das Kartellamt mit aller Härte tätig ist", wenn Marktmacht missbraucht werde.
Eine Absage erteilte Lindner erneut Forderungen nach einem Tempolimit oder befristeten Fahrverboten, um Energie zu sparen. Dies seien "Maßnahmen, die man ergreifen würde, wenn es eine reale Knappheit, eine physikalische Knappheit gäbe - aber die haben wir nicht", wies er einen Vorstoß von SPD-Chefin Esken zurück.
Ebenso wies er die zuletzt auch von Wirtschaftsexperten immer wieder geforderten Abschaffung des Tankrabatts zurück. Das sei nicht so einfach, weil es ein Gesetz sei, so der Liberale in einem Interview mit den tagesthemen.
Monopolkommission plädiert für schärfere Wettbewerbskontrollen
Der Vorsitzende der Monopolkommission, Jürgen Kühling, hält ein schärferes Wettbewerbsrecht hingegen für richtig. Die zurzeit sehr hohen Spritpreise könnten damit aber nicht verringert werden, machte der Regulierungsexperte klar. Die Vorschläge von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gingen in die richtige Richtung, "es sind aber keine kurzfristigen Instrumente", sagte Kühling der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten".
Die Monopolkommission ist ein Expertengremium, das die Bundesregierung und die Parlamente in Wettbewerbsfragen berät. Kühling erinnerte daran, dass die Kommission bereits im Jahr 2012 eine Untersuchung des Raffineriesektors angeregt habe. "Hätte man sie damals schon durchgeführt, wären wir jetzt besser informiert und gerüstet."
Scholz offen für Habecks Vorschlag
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich offen gegenüber einer Kartellrechtsverschärfung gezeigt. "Es ist richtig, dass wir wegen der aktuellen Entwicklung der Preise genau hinschauen", sagte er. Dabei müsse man sehen, ob die Instrumente und Möglichkeiten ausreichten, die man habe. Man dürfe sich "nicht scheuen, gesetzgeberischer Maßnahmen zu ergreifen, wo wir Effizienzdefizite feststellen".
Aus seiner Sicht wirke der umstrittene Tankrabatt aber durchaus - wenn auch nur teilweise. Es sei nicht so, dass die Steuersenkung nichts gebracht habe, sagte ein Regierungssprecher. Es sei davon auszugehen, dass die Preise an den Tankstellen deutlich höher wären, wenn es die Steuersenkung nicht geben würde.
Lob von Klingbeil, Kritik von Esken
Lob für Habecks Kartellamt-Pläne kam von SPD-Co-Chef Lars Klingbeil. Es sei gut, wenn bei den Spritpreisen "endlich auch durchgegriffen wird. Solche Preisabsprachen sind unanständig", sagte Klingbeil der "Rheinischen Post".
Klingbeils Amtskollegin Saskia Esken kritisiert hingegen, dass die Regierung noch nicht sichergestellt hat, dass Entlastungen auch bei Verbrauchern ankommen. Die angekündigte Verschärfung des Kartellrechts findet sie spät, aber begrüßt die Idee: "Das wäre längst Zeit gewesen, aber ich bin froh, dass es jetzt auf den Weg kommt", sagte die SPD-Chefin und verwies darauf, dass Habeck in der Regierung für das Thema zuständig sei.