Kabinett beschließt Reform Regierung will Bundeskartellamt stärken
Mit Blick auf die Erfahrungen in der Energiekrise hat das Kabinett eine Reform des Wettbewerbsrechts auf den Weg gebracht. Damit sollen die Befugnisse des Kartellamts gestärkt werden. Der Wirtschaft gehen die Pläne zu weit.
Das Bundeskabinett hat eine Reform des Wettbewerbsrechts beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht eine Erweiterung der Befugnisse des Bundeskartellamts vor. Das Wirtschaftsministerium teilte mit, Ziel sei es, Störungen des Wettbewerbs abzustellen, damit Verbraucherinnen und Verbraucher von niedrigeren Preisen profitieren könnten. Das sei vor allem in Märkten mit nur wenigen Anbietern und auffälligen Preisentwicklungen wichtig.
"Angesichts der aktuellen Krisen müssen wir die großen Stärken des Wettbewerbs konsequenter nutzen", erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. "Wettbewerb ist das beste Mittel, um Verbraucherinnen und Verbraucher vor ungerechtfertigten Preissteigerungen zu schützen."
Dies müsse aktiv durchgesetzt werden, so der Grünen-Politiker. Die geplante Novelle sei eine der größten Reformen des Wettbewerbsrechts der vergangenen Jahrzehnte. Das Wirtschaftsministerium hatte die Reform wegen der rasanten Preissteigerungen für Diesel und Benzin infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine im März 2022 angestoßen.
Auch Entflechtung von Unternehmen möglich
Dem Gesetzentwurf zufolge soll das Kartellamt künftig nicht mehr konkretes wettbewerbsschädigendes Verhalten von Unternehmen nachweisen müssen, sondern bereits bei einer Störung des Marktes aktiv werden können. Fairen Wettbewerb erhofft sich die Bundesregierung dadurch, dass das Bundeskartellamt im Anschluss an eine Sektorprüfung - die Überprüfung ganzer Branchen - direkt Maßnahmen anordnen können soll. "Zum Beispiel können Marktzugänge erleichtert, Konzentrationstendenzen gestoppt oder - in Extremfällen und als ultima ratio - Unternehmen entflochten werden", so das Bundeswirtschaftsministerium.
Außerdem soll bei Kartellverstößen die Abschöpfung von Vorteilen, die dadurch für Unternehmen entstanden sind, leichter werden. Das Mittel gibt es bereits, allerdings mit hohen rechtlichen Hürden. Diese sollen nun abgesenkt werden. Demnach würde künftig bereits die Vermutung, dass ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln "einen wirtschaftlichen Vorteil verursacht hat", ausreichen, um Gewinne abzuschöpfen. Und: "Die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils kann geschätzt werden." Bisher musste sie exakt ermittelt werden.
"Wir brauchen eine Wettbewerbsbehörde mit Biss", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann. Das Bundeskartellamt sei "eine der angesehensten Wettbewerbsbehörden der Welt" und werde nun weiter gestärkt, so der FDP-Politiker.
Kritik aus der Wirtschaft
Kritik an der geplanten Reform kam aus der Wirtschaft. Der Chefjustiziar der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Stephan Wernicke, sprach von einem Paradigmenwechsel hin zur staatlichen Marktgestaltung als letztes Mittel. "Rechtmäßiges Handeln schützt Unternehmen nicht mehr vor staatlicher Intervention, sobald das Bundeskartellamt in seinem weiten Ermessen den Wettbewerb über einen längeren Zeitraum als gestört ansieht." Damit verlasse die Bundesregierung die bewährten Grundprinzipien des europäischen Wettbewerbsrechts.
Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie, kommentierte: "Deutschland ringt derzeit an vielen Stellen um seine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Mit diesem nationalen gesetzgeberischen Alleingang schwächt die Bundesregierung den Standort weiter."