Viertgrößte deutsche Raffinerie Shell steigt bei Öl-Raffinerie Schwedt aus
Der Energiekonzern Shell will seinen Anteil an der Großraffinerie PCK Schwedt an die britische Prax-Gruppe verkaufen. Es geht um eine der wichtigsten Industrieanlagen im Nordosten von Deutschland.
Shell steigt aus der unter politische Kontrolle gestellten Raffinerie PCK Schwedt aus. Wie der Energiekonzern heute in Hamburg mitteilte, soll der Anteil von 37,5 Prozent an die Prax-Gruppe aus Großbritannien abgegeben werden. Shell Deutschland rechnet mit einem Abschluss des Geschäfts in der ersten Hälfte 2024.
Keine Änderungen für Verbraucher?
Damit wird die Zukunft der wichtigen Industrieanlage im Nordosten Deutschlands, die früher mit russischem Öl versorgt wurde, etwas klarer. Die Geschäftsführung von PCK, der Bund und das Land Brandenburg werteten den Deal als Signal der Stabilität für ein Unternehmen, an dem nicht nur Tausende Arbeitsplätze in Ostdeutschland hängen, sondern auch die Versorgung des Nordostens mit Benzin, Diesel und Kerosin. "Für das PCK Schwedt gibt es jetzt Planungssicherheit", erklärte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums.
Für die Versorgung der Verbraucher mit Benzin und Diesel und des Hauptstadtflughafens BER mit Kerosin sowie den Vertrieb der Raffinerieprodukte im Nordosten Deutschlands und in Westpolen soll sich Medienberichten zufolge erstmal nichts ändern. So soll das Rohöl für die PCK Raffinerie weiter über die Häfen Rostock und Danzig kommen. Shell - in Deutschland bekannt auch durch das gleichnamige Tankstellennetz - hatte den Verkauf seiner Anteile bereits vor Jahren angekündigt.
Der Konzern begründet ihn damit, sein "weltweites Raffinerie-Portfolio auf Kernstandorte zu reduzieren, die in den Zentren der operativen Tätigkeit von Shell integriert sind". Es sei daher "ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem fokussierten Raffinerie-Portfolio und der Entwicklung hochwertiger, integrierter Standorte wie dem Energy&Chemicals Park Rheinland", sagte Exekutiv-Vizepräsidentin Machteld de Haan.
Deal noch unter Vorbehalt
Eigentlich galt als wahrscheinlichster Käufer lange die österreichische Alcmene-Gruppe. Doch 2021 kam die angekündigte Übernahme der Shell-Anteile nicht zustande. Denn der russische Rosneft-Konzern, der über zwei Töchter gut 54 Prozent der Anteile an PCK besitzt, machte ein Vorkaufsrecht geltend. Die Rosneft-Anteile stehen nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Umstellung der Ölversorgung für die Raffinerie jedoch inzwischen unter Treuhandverwaltung des Bundes und sollen verkauft werden.
Vorkaufsrechte bei dem Verkauf der Shell-Anteile gibt es auch diesmal - auch für den anderen italienischen Minderheitseigner ENI, dem 8,3 Prozent der Raffinerie gehören. Deshalb erklärte Shell, der Abschluss des Geschäfts sei "vorbehaltlich der Rechte der Partner und der behördlichen Genehmigungen". Ein Kaufpreis wurde nicht genannt.
Die viertgrößte Raffinerie in Deutschland kann bis zu zwölf Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr verarbeiten. PCK zufolge fahren neun von zehn Autos in Berlin und Brandenburg mit Benzin und Diesel aus Schwedt. Jahrzehntelang kam das Rohöl dafür über die Druschba-Pipeline aus Russland. Der Bezug wurde nach einer Entscheidung der Bundesregierung gestoppt und auf Lieferungen von Tankeröl und Öl aus Kasachstan umgestellt.
Übernahme durch die Bundesregierung gefordert
Die britische Prax-Gruppe ist eine international tätige Ölfirma und handelt mit Rohöl, Mineralölprodukten und Biokraftstoffen. Sie hat nach eigenen Angaben 1.450 Mitarbeiter an acht Standorten weltweit. Im Vergleich zum ebenfalls britischen Konzern Shell mit weltweit mehr als 90.000 Mitarbeitern und 380 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz ist Prax allerdings sehr klein.
Das Unternehmen erklärte, die Transaktion passe strategisch zu der kürzlich abgeschlossenen Übernahme der OIL!-Tankstellenkette. PCK Schwedt solle eine Schlüsselrolle bei der weiteren Expansion von Prax in Europa spielen, der 1999 gegründete Konzern will sich breit aufstellen. Die Raffinerie erhalte durch den Deal neue Investitionen, was gut für den Standort und die Mitarbeiter sei.
Die Vergabe der Anteile an Prax stößt derweil auch auf Kritik. "Es kann doch nicht sein, dass diese wichtigen Anteile an einen kleinen britischen Ölhändler gehen", sagte der Linken-Politiker Christian Görke der Nachrichtenagentur dpa. Die Firma werde den geplanten Umbau zur grünen Raffinerie für e-Fuels und Wasserstoff nicht stemmen können, denn das Zukunftskonzept werde mindestens 15 Milliarden Euro kosten. Der Bund soll die Shell-Anteile selbst übernehmen und den Standort auf Dauer sichern, forderte Görke.