Konzernchef von Rheinmetall "Demokratie verteidigen kann nicht verwerflich sein"
Der Ukraine fehlen im Krieg gegen den Aggressor Russland Munition und Waffen. Rheinmetall-Chef Papperger erklärt im Interview, wie stark der Rüstungskonzern aktuell seine Produktion ausbaut - um schneller liefern zu können.
tagesschau24: Der Krieg in der Ukraine hat die deutsche Sicherheitspolitik grundlegend verändert. Wie wirkt sich das auf die Geschäftsentwicklung von Rheinmetall aus?
Armin Papperger: Wir sind in den letzten beiden Jahren schon stark gewachsen. Und wir werden künftig noch stärker wachsen - durch die Investitionen, die wir im Augenblick in Deutschland, aber auch international tätigen. Bereits vor dem Krieg in der Ukraine sind wir stark gewachsen und hatten im Verteidigungsbereich eine Wachstumserwartung von über zehn Prozent. Wir treten jetzt in eine Wachstumsphase ein, die in den nächsten Jahren voraussichtlich zwischen 20 und 30 Prozent liegt.
Parallel investieren wir auch sehr viel, so zum Beispiel etwa 300 Millionen Euro in unser Werk in Niedersachsen. Wir investieren im Augenblick auch in die Erweiterung unserer Pulver-Technologien in Bayern. Aber auch international sind wir im investiven Bereich unterwegs, etwa in Spanien und in Rumänien. Aktuell vor allem, um der Ukraine so gut wie möglich helfen zu können.
Ein neues Werk in zwölf Monaten
tagesschau24: Und Sie werden künftig auch in der Ukraine selbst Munition produzieren?
Papperger: Ja, das ist die Zielsetzung. Wir haben das mit einem ukrainischen Partner vereinbart. Wir wollen jetzt so schnell wie möglich den Standort festlegen und dort - ähnlich wie in Deutschland - in den nächsten zwölf bis 15 Monaten ein Munitionswerk für Artillerie haben.
tagesschau24: Munition zu produzieren ist aufwendig und dauert ziemlich lange. Wie optimistisch sind Sie, dass man die Munitionsprobleme der Ukraine lösen kann?
Papperger: Wir haben im Augenblick viel zu geringe Munitionsproduktion in Europa, aber auch in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die westliche Welt hat sich nicht mehr auf konventionelle Munition konzentriert. Das war, glaube ich, ein großer Fehler. Wir müssen das jetzt aufbauen. Es hilft nichts: Wir müssen es so schnell wie möglich machen. Es ist durchaus möglich, in zwölf Monaten ein Werk aufzubauen.
tagesschau24: Vor dem Krieg gegen die Ukraine haben viele Anleger sich eher vorsichtig verhalten, wenn es um Rüstungsaktien ging. Denn es gibt ethische und moralische Vorbehalte. Sehen Sie bei den Anlegern einen Haltungswandel?
"Der konventionelle Krieg ist zurückgekommen"
Papperger: Ja, da hat sich etwas verändert. Ich bin immer der Überzeugung gewesen, dass es notwendig ist, in diese Bereiche zu investieren, denn wir schützen ja letztendlich unsere Gesellschaft. Schauen Sie, was in der Ukraine passiert: Wenn die Ukraine keine Waffen hätte, würde es das Land nicht mehr geben. Leider gibt es immer Aggressoren auf der Welt.
Jetzt ist der konventionelle Krieg zurückgekommen. In den vergangenen 25 bis 30 Jahren haben wir geglaubt, dass so etwas nicht passieren wird, weil es Atomwaffen gibt. Doch jetzt führt Russland einen konventionellen Krieg gegen die Ukraine. Da braucht man als Verteidiger natürlich in erster Linie Munition. Man braucht aber vor allen Dingen auch viel Gerät für das Heer. Das heißt, die Landstreitkräfte müssen vernünftig ausgerüstet sein. Das ist in den letzten 20 Jahren auch bei uns vernachlässigt worden.
tagesschau24: Trotz der geänderten Weltlage kann man die Vorbehalte vieler Menschen gegenüber Rüstungsgütern nachvollziehen - schließlich können sie tödlich sein. Was ist Ihre persönliche Haltung? Wie gehen Sie damit um?
Pappberger: Ich bin seit fast 35 Jahren in diesen Unternehmen. Ich war vom ersten Tag an überzeugt, dass ich das Richtige tue, sonst würde ich es ja nicht machen. Ich tue deswegen das Richtige, weil ich überzeugt davon bin, dass wir die NATO, dass wir Deutschland, Europa, aber letztendlich auch unsere Demokratie verteidigen. Das kann nicht verwerflich sein.
tagesschau24: Rheinmetall steht immer wieder in der Kritik, weil das Unternehmen Waffen in Krisengebiete exportiert. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?
Papperger: Wir machen das, was die Regierungen uns ermöglichen. Wir dürfen ja nicht eine Schraube exportieren, wenn die demokratischen Regierungen, in denen wir produzieren - also vor allem die Bundesrepublik Deutschland - nicht zustimmen. Der größte Teil unseres intellektuellen Eigentums liegt in Deutschland, sodass die Bundesrepublik Deutschland eigentlich alles in der Hand hat. Die Kritik müsste man dann an die Regierung richten, aber nicht an die Unternehmen, weil wir nur ausführendes Organ sind.
"Bundesregierung weiter sehr zurückhaltend"
tagesschau24: Aber haben nicht gerade wir Deutsche auch historisch eine Verpflichtung, mit dieser Thematik sensibler umzugehen als andere Länder?
Papperger: Ich glaube, das tut die Bundesregierung. Sie ist sehr sensibel, sie ist auch grundsätzlich weiter sehr zurückhaltend. Wahrscheinlich haben wir in Deutschland aber schlicht zu wenig gemacht, um unsere Demokratie verteidigen zu können. Jetzt ist es Zeit, dass wir in Deutschland Gas geben. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass der Kanzler und der Verteidigungsminister das tun.
tagesschau24: In Ihrer Position müssen Sie sich jeden Tag auch mit Sicherheitspolitik auseinandersetzen: Wie groß sind aus Ihrer Sicht die Chancen, dass die Ukraine tatsächlich diesen Krieg zu ihren Gunsten wenden kann?
Papperger: Die Ukrainer kämpfen unheimlich tapfer. Sie setzen Tag für Tag ihr Leben ein. Wir müssen ihnen genügend Material geben, damit sie sich weiter verteidigen können. Und dann werden sie den Krieg auch nicht verlieren.
tagesschau24: Herr Papperger, vielen Dank für das Interview.
Die Fragen stellte Klaus-Rainer Jackisch, ARD-Finanzredaktion. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redaktionell bearbeitet.