Neue Fabrik in Unterlüß Rheinmetall fährt Munitionsproduktion stark hoch
Der Rüstungskonzern Rheinmetall will in einer neuen Munitionsfabrik in Niedersachsen pro Jahr bis zu 200.000 Artilleriegranaten herstellen. Zum symbolischen Spatenstich mit Politik-Prominenz kommt es zu Protesten.
Rheinmetall will die Produktion von Artilleriegranaten in den kommenden Jahren massiv ausbauen. "Wir sind dabei, unsere Kapazitäten für Pulver, wie es unter anderem für die Treibladungen von Artilleriegeschossen benötigt wird, an einzelnen Standorten zu verdoppeln oder sogar zu verdreifachen", sagte Rheinmetall-Vorstandschef Armin Papperger dem Handelsblatt.
Mehrere Hundert Demonstranten
Um mehr Rüstungsgüter produzieren zu können, baut Rheinmetall derzeit eine neue Munitionsfabrik im niedersächsischen Unterlüß. Das Projekt soll rund 300 Millionen Euro kosten. Zum heutigen symbolischen ersten Spatenstich des Werks werden Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD) erwartet.
Vor der geplanten Fabrik in Unterlüß kam es am Vormittag zu Protesten. Nach Angaben eines Polizeisprechers versuchten zahlreiche Menschen, Zufahrten zu blockieren; auch Landwirte mit Treckern seien unterwegs. Die Polizei sprach von rund 300 Treckern und 400 Demonstranten.
Zu spät reagiert nach Russlands Angriff auf die Ukraine?
In dem neuen "Werk Niedersachsen" in der Lüneburger Heide soll unter anderem Artilleriemunition hergestellt werden. Unterlüß ist der größte Produktionsstandort des Rüstungskonzerns. Neben Munition werden dort auch Militärfahrzeuge wie der Schützenpanzer Puma hergestellt.
Rheinmetall will im neuen Werk pro Jahr bis zu 200.000 Artilleriegranaten produzieren. Selbst wenn diese Munition komplett in die Ukraine gehen würde - was nicht geplant ist - wäre damit allerdings gerade mal ein Viertel des Bedarfs gedeckt, von dem Präsident Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht.
Rafael Loss von der Denkfabrik European Council of Foreign Relations meint, dass kurz nach dem russischen Überfall schon neue Munitionsfabriken hätten entstehen müssen. Dann wäre die Ukraine jetzt nicht in der schwierigen Lage, mit der Munition aus dem Westen haushalten zu müssen, so der Experte. "Was wir verpasst haben, ist, die Produktion damals schon hochzufahren."
Konzernchef sieht Engpass beim Pulver
Laut Rheinmetall-Chef Papperger ist Pulver "aktuell der größte Engpass" bei der Anfertigung von Granaten. Daher erhöhe sein Unternehmen die Produktion in Deutschland und Spanien stark. Im kommenden Jahr soll zudem ein neues Pulverwerk in Rumänien fertig werden. Dann werde Rheinmetall eine ausreichende Menge herstellen, um Europa versorgen zu können, so der Manager. "Alles in allem wollen wir 2025 bis zu 700.000 Artilleriegeschosse pro Jahr produzieren."
Der Konzernchef nannte keine genau Zahl, wie viel Artillerie Rheinmetall an die Ukraine liefert. Es seien in diesem Jahr "Hunderttausende Schuss". "Wir haben praktisch Tageslieferpläne für die Ukraine".
Herstellung kann schwierig sein
Einfache Munition besteht im Wesentlichen aus dem Gehäuse, einen Zünder, Sprengstoff und der Treibladung. Sie erzeugt den Druck, um ein Geschoss aus dem Lauf einer Waffe zu treiben.
Auch wenn sich das nach wenig komplexen Bauteilen anhört, kann die Herstellung dennoch schwierig sein. Es dauert oft Monate, bis Sprengstoff in ein Geschoss gefüllt werden kann. Er muss erst ausdünsten, bestimmte Gase müssen entweichen, damit die Munition zuverlässig in Waffensystemen funktioniert.
Rheinmetall will Umsatz verdoppeln
Rheinmetall-Chef Papperger will den Umsatz seines Unternehmens in sieben bis acht Jahren auf 20 Milliarden Euro verdoppeln. Um im internationalen Geschäft mitzuspielen und mit US-Rüstungskonzernen konkurrieren zu können, sei Größe notwendig.
Papperger sprach sich für eine eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets nach Auslaufen des Sondervermögens für die Bundeswehr aus. "Wenn die Summe aufgebraucht ist, dann wird es eine deutliche Erhöhung geben müssen", sagte der Manager. Ohne eine Aufstockung würde es schwer werden, Deutschland verteidigungsfähig zu machen.
Rheinmetall gehört zu den größten Profiteuren der rüstungspolitischen Wende nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. "Rheinmetall hat vergangenes Jahr von der Bundesrepublik Deutschland Aufträge im Wert von zehn Milliarden Euro erhalten", sagte Papperger dem Tagesspiegel. "In diesem erwarten wir ein Volumen von etwa 15 Milliarden Euro oder mehr." Dabei werde Munition "in diesem Jahr etwa 20 Prozent unseres Konzernumsatzes" ausmachen.
Aktie steigt weiter
Die Aktie von Rheinmetall erreichte nach den Äußerungen Pappergers ein Rekordhoch. Seit Jahresbeginn hat sie bereits um rund 20 Prozent zugelegt. Auch andere Rüstungsaktien profitierten: Sowohl Hensoldt-Titel als auch Renk-Papiere verteuern sich deutlich. Der Rüstungskonzern Renk hatte vor wenigen Tagen erfolgreich den Sprung an die Börse gewagt.
Mit Informationen von Oliver Neuroth, ARD-Hauptstadtstudio.