Mutter in der Berufsausbildung Verwaltung lernen, Familie leben
Vor 20 Jahren kam Nisrine Fiaad aus Syrien nach Deutschland. Heute macht sie eine Ausbildung in einem typisch deutschen Beruf: als Verwaltungsfachangestellte. Mit ihrem Mann organisiert sie zudem ihren Alltag mit vier Kindern.
Der Arbeitstag von Nisrine Fiaad fängt schon lange vor ihrem eigentlichen Job an. Um kurz vor sieben, beim Frühstück mit ihrem Mann und den vier Töchtern, beginnt ihre Organisationsarbeit. Die Kinder müssen zur Schule, ihr Mann zur Arbeit, sie zur Ausbildung. Das bedeute oft Stress, erzählt sie.
"Aber Gott sei Dank habe ich einen Mann, der mich immer unterstützt. Meine Kinder machen auch alles mit - ich habe Unterstützung von allen Seiten", sagt Fiaad. Der Chef ihres Mannes ermögliche ihm, flexibel zu arbeiten. Die 14- und die 15-jährigen Töchter könnten auch mal auf die kleineren Kinder aufpassen. Außerdem würden ihre Eltern sie unterstützen, wo es geht.
Organisationstalent in Beruf und Privatleben
Vor fast 20 Jahren ist die heute 35-Jährige aus Syrien zugewandert. Inzwischen ist sie eingebürgert. Erst arbeitete sie als ehrenamtliche Dolmetscherin für die Stadt, seit einem halben Jahr macht sie ihre Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten - aktuell im städtischen Bau- und Gartenbetrieb. Dutzende hatten sich beworben, doch die vierfache Mutter hat sich im Auswahlverfahren durchgesetzt. "Das ist eine große Herausforderung für mich, ob ich das alles schaffen kann", sagt Fiaad.
Aufträge und Anträge schreiben, Formulare ausfüllen - der Job benötigt ein hohes Maß an Organisationtalent. Doch das sei der Reiz an der Arbeit - auch wenn sie am Anfang großen Respekt davor gehabt hat, wie sie sagt. "Da gibt es viele Fachbegriffe, das musst du auch auswendig lernen. Dann habe ich aber gedacht: 'Komm, jetzt schaffe ich das!'"
Außeneinsatz auf einer Spielplatz-Baustelle
Immer wieder muss Fiaad auch raus aus dem Büro. Die Auszubildende muss einen Weg vermessen. Das Ergebnis: 71,60 Meter - nun kann sie die Masse ermitteln, die es an Splitt braucht. Die deutsche Ausbildung mit dem dualen System aus Berufsschule und Praxis sei für sie völliges Neuland gewesen, sagt Fiaad. Ganz im Gegensatz zu ihren Töchtern, die in Deutschland aufwachsen. "Die fragen mich jeden Tag: 'Was hast du heute Neues gelernt?', und ich erzähle das dann auch."
Damit ist sie nicht alleine: Die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund in Ausbildungsberufen steigt seit Jahren. Ohne die Unterstützung durch die Familie würde es schwer werden, alles unter einen Hut zu bringen, sagt Fiaad.
Datenlage in Deutschland sehr begrenzt
Wie viele Menschen in Deutschland diese Mehrfachbelastung von Ausbildung und Familie aufnehmen, lässt sich nach wie vor nur schwer beziffern. Weder das Statistische Bundesamt noch die Industrie- und Handels- oder Handwerkskammern erheben dazu Zahlen. Und das obwohl das zuständige Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bereits 2012 angekündigt hatte, mehr Daten in diesem Bereich zu erheben.
Auch die Zahl der Ausbildungsverhältnisse in Teilzeit ist nach Meinung aller Beteiligten nicht aussagekräftig - denn viele Mütter und Väter machen ihre Ausbildung trotz Kinder in Vollzeit, so wie Fiaad. Christiane Möller von der IHK Südlicher Oberrhein hat die vierfache Mutter aus Lahr mehrere Jahre lang auf ihrem Weg in die Ausbildung begleitet und immer ermutigt, auch den nötigen Haupt- und Realschulabschluss nachzuholen - auch schon in Vollzeit neben der Familie.
Dass sich die gebürtige Syrerin dann auch noch dafür entschieden habe, eine Ausbildung in einem Verwaltungs- und Büroberuf zu wählen, sei bemerkenswert. "Da sind relativ wenige Zugewanderte vertreten, und das ist so das Besondere, dass sie sich da rangetraut hat, dass sie in einen typisch 'deutschen' Beruf einsteigt", sagt Möller.
Vorbildfunktion für Groß und Klein
Für sie sei dieser Job aber genau der Richtige, sagt Fiaad. "Ich finde, das ist die richtige Arbeit für mich. Da bin ich jetzt an der richtigen Stelle." Spätnachmittags, wieder zu Hause: Die Kinder machen Hausaufgaben - und auch der Arbeitstag der Mutter ist noch nicht ganz vorbei. Fiaad schreibt jetzt auch - ihr Berichtsheft für die Zulassung zur Abschlussprüfung.
Wie im Büro braucht es auch daheim ein großes Organisationstalent. Am Anfang sei das die größte Herausforderung gewesen. "Aber jetzt, nach sechs Monaten, geht alles sehr gut", sagt Fiaad. Deswegen ist sie auch optimistisch, ihre Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Denn sie will auch Vorbild sein: für ihre vier Töchter, aber auch für alle anderen Mütter.