Familie und Beruf "Karriere mit Kindern funktioniert nur im Team"
Noch immer stehen häufig Frauen vor der Frage: Kind oder Karriere? Die KfW-Chefvolkswirtin Köhler-Geib konnte beides miteinander vereinbaren. Im Interview schildert die Ökonomin, worauf es dabei aus ihrer Sicht ankommt.
tagesschau24: Ihnen ist wichtig zu betonen, dass es keine reine Frauensache ist, Kind, Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen, sondern dass das auch den Mann etwas angeht. Was meinen Sie damit?
Fritzi Köhler-Geib: Das ist vielleicht eine Beobachtung, die ich in den USA gemacht habe. Dort wird viel mehr über Eltern gesprochen, während hier in Deutschland ganz stark über Mütter gesprochen wird. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen: Eine Berufskarriere aufzubauen funktioniert, wenn man Kinder hat, nur im Team. Und da muss mal der eine, mal der andere einspringen können. Insofern ist es aus meiner Perspektive wirklich ganz wichtig, dass wir hier über Eltern sprechen.
Die Ökonomin Fritzi Köhler-Geib, Jahrgang 1978, arbeitete nach der Promotion in Volkswirtschaftslehre viele Jahre in den USA bei der Weltbank. 2019 wurde sie Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW.
Bedeutung der häuslichen Hilfe
tagesschau24: Es gibt ja auch alleinerziehende Väter oder Mütter. Was raten Sie denen denn?
Köhler-Geib: Es ist ganz wichtig, dass man sich genug Hilfe für den Haushalt und für die Kinder besorgt. Denn Kindertagesstätten oder Kindergärten decken ja immer nur Kernzeiten ab. Und wenn man einen anspruchsvollen Beruf hat oder im Schichtdienst arbeitet, dann gibt es einfach diese Randzeiten.
tagesschau24: Gibt es in Deutschland schlichtweg zu wenig Unterstützung für Eltern?
Köhler-Geib: Für Deutschland ist es eine Herausforderung, Arbeitnehmenden mit Kindern genug Hilfsangebote anzubieten, gerade weil im Pflegebereich schon seit langer Zeit Engpässe beim Personal bestehen. Meine Empfehlung ist da ganz dringend, auch Menschen aus Ländern außerhalb Europas Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland zu geben. Denn wenn wir wollen, dass Eltern auch im Beruf erfolgreich sein können, dann müssen eben auch diese Aufgaben im Haushalt mit abgedeckt werden. Und ich habe in den USA gesehen, wie gut es klappt, wenn Haushalt an andere abgegeben werden kann.
"Eine Frage der Prioritäten"
tagesschau24: Hat das nicht auch mit einer gesellschaftlichen Denkweise zu tun, dass man in Deutschland eher Frauen verurteilt, die ihre Kinder zur Tagesmama schicken?
Köhler-Geib: Ich denke, dass das schon eine Frage der Haltung und des Mindset ist. Es gibt Länder, in denen das sehr gut funktioniert. Oft werden ja auch skandinavische Länder hier als Beispiele genannt, wo es gesellschaftlich akzeptiert wird, dass beide Elternteile einem anspruchsvollen Beruf nachgehen und trotzdem mit ihren Kindern Zeit verbringen. Auch ich wähle sehr genau aus, wofür ich meine Zeit verwende. Ich koche nicht und habe auch keine Hobbys. Meine freie Zeit verbringe ich zusammen mit meiner Familie, sodass ich meinen Kindern möglichst viel mit auf den Weg geben kann. Das ist schon eine Frage der Prioritäten. Es ist aber auch eine Frage der Haltung.
tagesschau24: Hätten Sie sich ohne Ihren Mann an Ihrer Seite diese Karriere in der Form nicht zugetraut?
Köhler-Geib: Das ist schwierig zu sagen - im Nachhinein. Ich schätze mich wahnsinnig glücklich, dass ich meinen Mann getroffen habe und, dass wir beide unbedingt gerne Kinder haben wollten und beide auch eine anspruchsvolle Berufswahl getroffen haben. Mein Mann hat mich darin auch immer unterstützt, und ich bin ihm wahnsinnig dankbar dafür. Ohne ihn hätte es in meinem Fall auf diese Art nicht geklappt. Ich war ja auch bei der Weltbank lange auf Missionen, teilweise zwei Wochen lang, während unsere Kinder noch sehr klein waren.
Mehr Frauen leiten Mittelständler
tagesschau24: Inzwischen sitzen immer mehr Frauen in den Vorständen von DAX-Unternehmen - auch weil die Konzerne einer größeren Kontrolle und der Frauenquote unterliegen. Wie sieht es denn bei kleineren und mittelständischen Unternehmen aus? Tut sich da auch schon was?
Köhler-Geib: Mich freut es sehr, dass wir auch bei kleineren Unternehmen eine positive Entwicklung sehen. Mittlerweile steht fast jedem fünften mittelständischen Unternehmen eine Frau vor. Und auch bei den Großunternehmen sehen wir eine langsame, aber doch auch positive Entwicklung. Da gibt es jetzt 16 Prozent Frauen in Vorständen. Das heißt, in Deutschland tut sich etwas in dieser Hinsicht. Und das halte ich für extrem wichtig, weil wir aus vielen Studien wissen, dass eine größere Diversität in Entscheidungsstrukturen letztlich auch zu besseren Entscheidungen führt. Unternehmen, die diverse Entscheidungsteams haben, erzielen längerfristig eine höhere Rendite.
tagesschau24: In welchen Bereichen gibt es denn noch Optimierungsbedarf beim Frauenanteil?
Köhler-Geib: Wir sehen in Deutschland die Erfüllung gewisser Stereotypen, weil vor allem im Dienstleistungsbereich Frauen in Führungspositionen sind. Im Verarbeitenden Gewerbe oder in IT-Unternehmen ist der Anteil von Frauen im Vorstand weiterhin extrem gering.
tagesschau24: Welchen Rat geben Sie denn Ihren Töchtern mit auf den Weg, wenn es später einmal darum gehen sollte, Karriere und Familie unter einen Hut zu bekommen?
Köhler-Geib: Ich erinnere mich da immer an einen Rat einer Dame, die damals an die Universität gekommen ist und gesagt hat: 'Mädchen achtet darauf, dass ihr die allerbeste Ausbildung bekommt und dass ihr euch darauf fokussiert, wirklich gute Abschlüsse zu machen, gute Namen in euren Lebensläufen zu haben.' Denn wenn es dann zur Frage kommt, wer mit den Kindern zu Hause bleibt, dann ist es viel offener, wer zurücksteckt mit Blick auf die berufliche Entwicklung. Ich würde meinen Töchtern raten, wirklich alles daran zu setzen, eine gute Ausbildung zu haben und sich alle Möglichkeiten zu eröffnen.
Die Fragen stellte Anne-Catherine Beck, ARD-Finanzredaktion. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redaktionell bearbeitet.