Arbeit in der Geburtshilfe Hebammen meiden Krankenhäuser
Immer weniger Kliniken bieten Geburtshilfe an - auch, weil weniger Hebammen dort arbeiten wollen. Die Situation drohe sich zu verschärfen, warnt deren Berufsverband und macht dafür die Politik verantwortlich.
"Es werden so viele Hebammen ausgebildet wie noch nie. Aber es bleiben nur wenige in den Kreißsälen", so fasst Caroline Münchbach die widersprüchliche Lage zusammen. Sie ist Leiterin der Geburtshilfe im Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus Speyer. "Die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsverdichtung treiben die Hebammen aus den Kliniken", sagt Münchbach. Dass Hebammen offenbar immer seltener dort arbeiten, wo die meisten Kinder geboren werden - nämlich in Kliniken -, hat auch mit politischen Vorgaben zu tun.
Auf zehn Pfleger darf nur eine Hebamme kommen
Allen voran: die so genannte Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung. Die neueste Fassung dieser Verordnung vom November vergangenen Jahres legt fest, wie viel Personal in den Kliniken-Stationen für Patienten zur Verfügung stehen muss. Hebammen dürfen dabei jedoch maximal zehn Prozent im Verhältnis zu Krankenpflegern ausmachen. Das heißt: Wenn auf einer Wochenstation eines Krankenhauses zehn Pflegefachkräfte arbeiten, darf nur eine von ihnen Hebamme sein. Würde die Klinik hier mehr Hebammen einsetzen, müsste sie Strafe zahlen.
"Es ist nicht nachvollziehbar, warum hier eine Hebamme so deutlich weniger gewertet wird", sagt Münchbach. Schließlich profitiere eine Wochenstation vom gemeinsamen Knowhow von Krankenpflegern und Hebammen. "Und de facto übernehmen sie gleiche Aufgaben, haben dabei aber unterschiedliche Perspektiven. Davon profitieren Mutter und Kind", ergänzt sie. In Münchbachs Abteilung, die zu den größten ihrer Art in Rheinland-Pfalz zählt, wurden vergangenes Jahr 3600 Kinder geboren. "Auf unserer Wochenstation dürfte aber bald keine einzige Hebamme mehr arbeiten - aufgrund der Verordnung", sagt Münchbach.
Der Deutsche Hebammenverband kritisiert diese Entwicklung seit längerem. "Hebammen sind doch genau für diese Lebensphase ausgebildet", sagt Andrea Ramsell, Präsidiumsmitglied des Deutschen Hebammenverbands. Kliniken, die bewusst auf diese Spezialisten setzen, würden finanziell bestraft - was überhaupt nicht nachvollziehbar sei. "Manche Krankenhäuser sagen den Hebammen, dass sie sich einen anderen Job suchen müssen", sagt Ramsell.
Der Bundesgesundheitsminister rudert zurück
Wegen einer weiteren gesetzlichen Vorgabe drohte sich die Lage der Hebammen in den Kliniken weiter zu verschärfen. Von 2025 an sollten sie nicht mehr aus dem für das Personal vorgesehenen Pflegebudget der Kliniken bezahlt werden; so sah es das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte "GKV-Finanzstabilisierungsgesetz" vor.
Vergangene Woche nahm Gesundheitsminister Karl Lauterbach die vorgesehene Regelung in einem Interview zurück. Hebammen sollen nun doch weiter aus dem Pflegebudget bezahlt werden, wie das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage bestätigt. "Ihre medizinisch notwendige Leistung soll auskömmlich vergütet werden. Auf ihrem Rücken soll ein Krankenhaus nicht sparen können", heißt es vom Ministerium.
Ramsell bleibt trotz der Ankündigung des Ministeriums weiter skeptisch. "Wir haben das noch nicht schriftlich", sagt sie mit Blick auf die Gesetzeslage. "Und das Problem der Personaluntergrenzen bleibt".
"Die Situation ist kaum erträglich"
Am heutigen Mittwoch will der Deutsche Hebammenverband gemeinsam mit weiteren Interessengruppen den Druck erhöhen. Bei einer Protestaktion in Berlin soll auf die Situation der Hebammen in der stationären Geburtshilfe hingewiesen werden. Eine Online-Petition gegen die Streichung der Hebammen aus dem Pflegebudget, die jetzt wohl nicht kommen wird, hatten zuletzt mehr als 1,5 Millionen Menschen unterzeichnet.
Die Konsequenzen aus der vielerorts prekären Lage in der Geburtshilfe spüren allen voran werdende Eltern. "Die Versorgungssituation droht sich zu verschlechtern", sagt Geburtshilfe-Leiterin Münchbach vom Krankenhaus in Speyer. Nach Angaben des Deutschen Hebammenverbands hat sich die Zahl der Krankenhäuser, die Geburtshilfe anbieten, in den vergangen 30 Jahren in etwa halbiert. "Die Geburtshilfe ist so unterfinanziert, dass sie für Kliniken nicht rentabel ist", meint Verbandssprecherin Ramsell. Die Kliniken, die sie weiter anbieten, sind deswegen oft an der Belastungsgrenze. Vor allem in Großstädten - aber längst nicht nur - werden werdende Mütter abgewiesen, weil Krankenhäusern die Kapazitäten fehlen.
Auch für viele Hebammen sei die Arbeitssituation in der Geburtshilfe mitunter extrem schwer, sagt Ramsell. Viele junge Hebammen blieben vier bis fünf Jahre im Klinik-Bereich tätig, bis sie ihn überlastet hinter sich ließen. "Dann sagen sie: 'Ich habe mich zwar nicht im Beruf geirrt - aber die Situation ist kaum erträglich'."