Neues Geschäftsfeld Bosch baut Teile für Wasserstoff-Produktion
Bosch liefert künftig Teile für die Massenproduktion von grünem Wasserstoff - und investiert dazu eine halbe Milliarde Euro. Das soll dem Klimaschutz helfen, doch seit dem Ukraine-Krieg geht es auch um Energiesicherheit.
Das Wasserstoffzeitalter der Zukunft ist grün und leise. Flugzeuge schweben mit Wasserstoff im Tank, Frachtschiffe gleiten schwerölfrei über die Meere. Der Lastwagen, der mit stinkenden Dieselrußwolken die Luft verpestet, ist längst ausgemustert. Stattdessen surren auf den Baustellen Nutzfahrzeuge angetrieben mit Brennstoffzellen - CO2-neutral und umweltfreundlich. Willkommen im Jahr 2050.
"Der Klimaschutz kann nicht warten", begründet Bosch-Chef Stefan Hartung das neue Geschäftsfeld. "Wir werden künftig das Kernstück der Wasserstoffelektrolyse liefern." Bosch möchte europaweit in die Produktion von sogenannten Elektolyseuren einsteigen, also Geräten, die Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten - durch Strom. Bereits 2025 soll Markteinführung sein. "Wirtschaft und Gesellschaft sollen unabhängiger von fossilen Energieträgern werden", heißt es seitens des Stiftungskonzerns.
In den nächsten drei Jahren sollen dafür gut drei Milliarden Euro in klimaneutrale Techniken fließen. Damit hat Bosch einen Fuß in der Tür bei der Massenproduktion von grünem Wasserstoff und macht sich auch ein Stück unabhängiger vom weltweiten Energiemarkt. Die Elektrolyseure mit Bosch-Teilen sollen in der Stahl- und Chemieindustrie eingesetzt werden, im Schwerlastverkehr, aber auch in privaten Gebäuden. Geht es nach Bosch, hat das Haus der Zukunft neben einem Bosch-Geschirrspüler auch eine Bosch-Brennstoffzelle, die die Heizung antreibt.
"Noch richtige Manufakturarbeit"
"Im Moment ist das Herstellen von Elektrolyseuren noch richtige Manufakturarbeit, da wird Stück für Stück von Hand zusammengebaut", erklärt Christoph Hebling, Direktor für Wasserstofftechnologie am Fraunhofer Institut. Das mache die Technik noch so teuer. Je mehr Produzenten es gebe, desto besser: "Dass Bosch sich mit dem neuen Geschäftsfeld in die erste Reihe neben ThyssenKrupp und Siemens stellt, finde ich fantastisch."
Bosch will die Produktion in Europa belassen: Bamberg und Stuttgart-Feuerbach in Deutschland, Tilburg in den Niederlanden, Linz in Österreich sowie Budweis in Tschechien. In den kommenden Jahren sollen mehrere Hundert Beschäftigte im Bereich der Elektrolyse-Komponenten tätig werden, heißt es. Ob zusätzlich neue Stellen geschaffen werden oder bestehende umgewidmet, sagt das Unternehmen indes nicht.
Nur Wasserdampf entsteht
"Wasserstoff ist mit Abstand das häufigste Molekül in der Geschichte des Universums, und das ist der Charme an der ganzen Sache", sagt Christoph Hebling vom Fraunhofer Institut, und es sei das "Schlüsselmolekül" der Energie- und Rohstoffwende .
Und: Ein mit Wasserstoff angetriebener Motor verschmutzt nicht so schnell, ist robuster und nahezu wartungsfrei. Es entstehen keine schädlichen Abgase - lediglich harmloser Wasserdampf. Selbst Tanken sei ein Kinderspiel: Wasserstoff lässt sich für viele Betriebsstunden und Kilometer innerhalb von Minuten nachfüllen.
80 Millionen Tonnen Wasserstoff werden pro Jahr weltweit hergestellt und gehandelt - Tendenz steigend. Fast alles fließt in die Industrie - einer der Spitzenverbraucher ist die BASF in Ludwigshafen. Sie allein nutzt eine Million Tonnen Wasserstoff im Jahr, um zum Beispiel Ammoniak herzustellen.
Grundstoffe müssen getrennt werden
Mit Wasserstoff können schwere Maschinen angetrieben werden, Containerschiffe, Busse, Baustellenfahrzeuge und Flugzeuge. Das einzige Hindernis: Wasserstoff schwirrt nicht in brauchbaren Mengen als freies Element durch die Natur, sondern ist in der Regel chemisch gebunden. Wie kommt man also ran?
Wasserstoff steckt in Wasser, aber auch zum Beispiel in Erdöl, Erdgas oder in Biomasse. Um reinen Wasserstoff zu isolieren, müssen diese Grundstoffe getrennt werden - mithilfe von Hitze, Bewegung oder Strom. Kritiker bemängeln, dass die Wasserstoffherstellung an sich schon enorm viel Energie verbrauche. Wenn es um die Ökobilanz geht, macht es zudem einen enormen Unterschied, ob Wasserstoff mittels Ökostrom aus Wasser oder aus fossilen Energieträgern gewonnen wird.
Unterschied zwischen "grau" und "grün"
Der "graue" Wasserstoff hat seinen Namen von seiner schlechten Ökobilanz. Zu seiner Herstellung braucht es fossile Energieträger, die in einem technischen Prozess verdampfen, der übrigens auf Carl Bosch zurückgeht. Dabei entweichen große Mengen CO2. Klimafreundlich ist das also nicht. Hinzu kommt, dass viele der fossilen Ausgangsstoffe importiert werden müssen - am grauen Wasserstoff klebt also auch eine gewisse Abhängigkeit von Öl- und Erdgasförderländern. Dieses Argument hat gerade vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs noch einmal besonderes Gewicht bekommen.
Deutlich "sauberer" ist der "grüne" Wasserstoff: Er entsteht durch Elektrolyse, also bei der Aufspaltung von Wasser. Dazu wird regenerativer Strom aus Wind, Sonne oder Wasserkraft verwendet. Ist das Wasser aufgespalten, entweicht Sauerstoff in die Atmosphäre. Der verbleibende Wasserstoff wird schließlich auf minus 253 Grad heruntergekühlt oder mit bis zu 700 bar zusammengepresst, dann kann er in flüssiger Form transportiert oder gespeichert werden - in Tanks oder unterirdischen Röhrenfeldern. Um an grünen, umweltfreundlichen Wasserstoff zu kommen, braucht es allerdings grünen Strom - ökologisch ist Wasserstoff also nur dann sinnvoll, wenn der Strom dazu aus erneuerbaren Energien stammt.
Windrad mit angeschlossener Tankstelle
Bosch ist nicht das erste Unternehmen, das die automatisierte Produktion von grünem Wasserstoff im Blick hat. Ein Gerät, das auch grünen Wasserstoff herstellen kann, steht als Prototyp bei der deutsch-chinesischen Firma Ecoclean in Filderstadt bei Stuttgart. Der Elektrolyseur braucht den Platz eines Schiffscontainers und schafft bis zu 20 Kilogramm Wasserstoff pro Stunde - so viel, wie ein Brennstoffzellenbus in einer Stunde verbraucht. Würde man einen solchen Container neben Windräder stellen, dann könnte man mit diesem grünen Strom Wasserstoff herstellen. Den direkt in eine Wasserstofftankstelle fließen lassen, die dann zum Beispiel von kommunalen Bussen angefahren werden kann - so die Vorstellung von ecoclean-Vertriebsleiter Manfred Hermanns.
Wasserstoff ist teuer, wird aber günstiger. Die Internationale Energieagentur beziffert die Kosten für ein Kilogramm grünen Wasserstoffs auf rund sechs Euro. Wirtschaftsexperten sagen einen erheblichen Sinkflug der Preise voraus. Je weiter der Ausbau der Erneuerbaren Energien voranschreitet, desto billiger wird es, sauberen Wasserstoff herzustellen.
Bislang nur wenige Tankstellen
Wenn man sich auf ein Gedankenexperiment einlässt, ist Wasserstoff an einer Tankstelle für Endkunden sogar preislich vergleichbar mit Diesel. Angenommen, ein Diesel-Pkw braucht fünf Liter Treibstoff auf einhundert Kilometer Strecke. Macht bei einem Preis von zwei Euro pro Liter an der Tankstelle rund zehn Euro. Ein Wasserstoffauto verbraucht auf der gleichen Strecke etwa 800 Gramm Wasserstoff. Derzeit liegt der Tankstellenpreis für ein Kilo Wasserstoff bei etwa neun Euro. Wasserstoff wäre dann sogar etwas günstiger.
Tanken Autos als künftig Wasserstoff? Wie realistisch ist es, künftig Pkw mit Brennstoffzellen zu fahren und reinen Wasserstoff zu tanken? Lassen sich Dieselautos gegen Wasserstoffautos tauschen? Massentauglich sei das auf alle Fälle, sagt Christoph Hebling, Direktor für Wasserstofftechnologie am Fraunhofer Institut. Auch die Nachfrage nach solchen Autos sei hoch - aber Deutschland habe ein Henne-Ei-Problem. Denn die Infrastruktur für eine Wasserstofftankstelle aufzubauen, ist technisch anspruchsvoll, weil es zum Beispiel Hochdrucktanks braucht, um den Wasserstoff sicher zu lagern. Und wer investiert in Wasserstoff-Tankstellen, wenn es wenige Wasserstoff-Autos gibt? Doch wer kauft ein solches Auto ohne Tankstelle in der Nähe?
Derzeit gibt es nur rund 100 Wasserstofftankstellen deutschlandweit. Um die Fläche Deutschlands abzudecken, bräuchte es laut Fraunhofer Institut das Zehnfache. Insgesamt hinke Deutschland in der Entwicklung rund zehn Jahre hinter anderen Ländern her. In Madrid, Kopenhagen und Paris zum Beispiel werden schon Brennstoffzellen-Taxis angeschafft, weil solche Autos eine Reichweite von rund 600 Kilometern haben und dazu innerhalb von Minuten vollgetankt werden können. "Niemand hat da die Zeit, ein paar Stunden lang aufs Aufladen der Batterie zu warten", sagt Christoph Ebling. Deutschland werde schnell aufholen. "Der Ausbau der Wasserstofftechnologie ist eigentlich ein ‘no-brainer’." Also: ein Klacks.