Tarifstreit bei der Bahn "Dieses Angebot kann kein Mensch annehmen"
GDL-Chef Weselsky hat das neue Tarifangebot der Deutschen Bahn mit deutlichen Worten zurückgewiesen. Der heute begonnene Streik geht deshalb weiter. Die Bahn geht nun gerichtlich gegen den Ausstand vor.
Trotz des neuen Angebots der Deutschen Bahn geht der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) weiter. "Dieses Angebot kann kein Mensch und vor allem keine Gewerkschaft auf dieser Welt annehmen", sagte GDL-Chef Claus Weselsky im ARD-Morgenmagazin.
Hauptgründe seien, dass das Angebot "immer noch eine Nullrunde für das Jahr 2021" bedeute. In diesem Jahr solle es weder eine Corona-Prämie noch eine Einkommenserhöhung geben. Zudem drohe weiterhin ein "Angriff auf die Betriebsrente, nämlich die Wegnahme des Zusatzversorgungstarifvertags". Deshalb sei das Angebot nicht annehmbar.
Scharfe Kritik an Bahn-Vorstand
Zugleich warf Weselsky der Bahn vor, sie wolle die Gewerkschaft spalten, "und zwar in Mitglieder erster und zweiter Klasse: diejenigen, die einen Tarifvertrag bekommen, und diejenigen, die keinen Tarifvertrag bekommen". Bei einer Rede vor streikenden Eisenbahnern in Leipzig erhob er gegenüber dem Bahnvorstand schwere Vorwürfe: "Das Ziel des Bahnvorstands ist die Existenzvernichtung der GDL." Dabei habe seine Gewerkschaft zuletzt etwa 4000 neue Mitglieder gewonnen.
Das Management der Bahn habe sich allein 2020 Boni und weitere Zusatzzahlungen in Höhe von 220 Millionen Euro gegönnt. In einem Unternehmen, das von Steuergeldern lebt, sei diese Umverteilung von unten nach oben nicht hinnehmbar. "Führungskräfte bereichern sich mit Boni, die höher sind als die Jahresgehälter eines jeden Lokführers." Gleichzeitig würden wegen des Tarifeinheitsgesetzes immer mehr Leistungen für Lokführer, die die GDL ausgehandelt hatte, gekippt.
Bahn klagt vor Gericht
Die Deutsche Bahn geht nun juristisch gegen den Streik der GDL vor. Vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main stellte der Vorstand einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den Arbeitskampf. DB-Personalvorstand Martin Seiler erklärte: "Das Streikrecht ist ein hohes Gut. Allerdings sind Streiks nur dann zulässig, wenn sie sich im Rahmen des geltenden Rechts bewegen. Das ist nach unserer Auffassung bei den Streiks der GDL nicht der Fall."
Das Gericht will noch heute über den Eilantrag entscheiden. Die Verhandlung soll um 18.00 Uhr beginnen, erklärte eine Sprecherin.
Zuvor hatte Seiler im ARD-Morgenmagazin betont, sein Unternehmen habe einer Lohnerhöhung um 3,2 Prozent und einer Corona-Prämie zugestimmt und damit zentrale Forderungen der GDL erfüllt. Deshalb erwarte er, dass nun weiter verhandelt werde.
Zu den Kritikpunkten der GDL, dass die Zahlungen erst 2022 erfolgen sollen und damit in diesem Jahr eine Nullrunde anstehe, sowie zu den Veränderungen bei der Betriebsrente sagte Seiler nichts. Auch warum die Bahn erst sehr kurz vor Beginn des Streiks das neue Angebot vorlegte, blieb unklar. Seiler betonte wie in den vergangenen Wochen erneut, die GDL müsse an den Verhandlungstisch zurückkehren.
Mehrtägiger Streik geht weiter
Seit 2 Uhr stehen große Teile des Personenverkehrs still, teilte die Bahn auf ihrer Webseite mit. Im Fernverkehr werde erneut ein Grundangebot von rund einem Viertel des normalen Fahrplans unterwegs sein. Im Regionalverkehr sei das Ziel, etwa 40 Prozent des regulären Angebots zu fahren, es gebe starke regionale Unterschiede.
Sollte es in dem Tarifkonflikt weiterhin keine Bewegung geben, müssen sich Bahnkunden bis kommende Woche Dienstag auf weitgehende Einschränkungen im Fern- und Regionalverkehr einstellen. Bereits seit gestern wird auch der Güterverkehr bestreikt.
Grüne fordern Ende des Tarifeinheitsgesetzes
Angesichts des aktuellen Bahnstreiks haben die Grünen gefordert, das Tarifeinheitsgesetz wieder abzuschaffen. Dieses wurde 2015 verabschiedet und sieht vor, dass in einem Unternehmen mit konkurrierenden Gewerkschaften nur noch der Tarifvertrag der größeren Arbeitnehmervertretung angewendet werden darf. So sollte die alte Regel wieder hergestellt werden: "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag". Die Macht kleiner Spartengewerkschaften, wie von Lokführern oder Piloten, sollte eingedämmt werden.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Anton Hofreiter, sagte im rbb, das Gegenteil sei jedoch der Fall: Die Regelung verschärfe die Auseinandersetzungen in Unternehmen wie der Bahn. "Das ist auch nicht überraschend. Das ist 2015 prophezeit worden, dass das glatte Gegenteil erreicht wird - nicht weniger Streiks, sondern mehr Streiks - und genau das ist passiert." Deshalb sollte man das Gesetz "einfach aufheben".