GDL-Streik Versagt das Tarifeinheitsgesetz?
Der Bahn-Streik der kleinen Gewerkschaft GDL hat viel mit dem Konkurrenzkampf mit der EVG zu tun. Das Tarifeinheitsgesetz begünstigt solche Konflikte, obwohl es die Macht der Spartengewerkschaften begrenzen sollte.
Wenn Lokführer und Piloten streiken, steht das halbe Land immer wieder still. Und das, obwohl die Gewerkschaften, die zum Streik aufrufen, meist nur einen kleinen Teil der Belegschaften vertreten. Unter diesem Eindruck wurde 2015 das sogenannte Tarifeinheitsgesetz verabschiedet. "Dass einige Spartengewerkschaften für ihre Partikularinteressen vitale Funktionen unseres Landes lahmlegen, ist nicht in Ordnung", sagte die damalige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles zur Begründung.
Deshalb gilt seit 2015 das Prinzip "ein Betrieb, ein Tarifvertrag". Wenn im Betrieb mehrere Gewerkschaften die gleichen Berufsgruppen vertreten, soll im Konfliktfall der Tarifvertrag in Kraft treten, der von der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern ausgehandelt wurde.
Gewerkschaften kämpfen um Spitzenposition
Hier liege ein Fehler im System, findet Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter: "Bereits 2015 haben wir darauf hingewiesen, dass dieses Gesetz ein Gesetz ist, das zu mehr Streiks und zu mehr Streit führt." Denn: Wenn in Tarifkonflikten letztlich nur die größere Gewerkschaft zum Zuge kommt, muss die kleinere umso verbissener darum kämpfen, größer zu werden. Zum Beispiel mit besonders konfrontativen Arbeitskampfmaßnahmen, die bei manchen Beschäftigten gut ankommen.
Auch der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, argumentiert, dass seit dem Tarifeinheitsgesetz aktive Mitgliederwerbung eben nötig sei. "Wir haben verstanden, was der Gesetzgeber ausgegeben hat, wir haben verstanden, was der Lösungsansatz ist, und wir haben uns geöffnet für alle Eisenbahnerinnen und Eisenbahner", sagte er.
Seine Gewerkschaft ist bislang deutlich kleiner als die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG. In den 300 Einzelbetrieben des DB-Konzerns hat die GDL laut einer Erhebung der Bahn nur in 16 Betrieben die Nase vorn. Allerdings sind bei der GDL besonders viele Lokführer und Zugbegleiter organisiert - und wenn die streiken, hat das eben gleich heftige Auswirkungen. Eine kleine Gewerkschaft mit großer Macht, Tarifeinheitsgesetz hin oder her.
Gewerkschaften sollten kooperieren
Auch der Arbeitsrechtler Gregor Thüsing von der Universität Bonn findet das Gesetz nicht hilfreich, um Tarifkonflikte wie diesen abzuwenden. "Das Tarifeinheitsgesetz provoziert solche Arbeitskämpfe nicht, aber es verhindert diese Arbeitskämpfe eben auch nicht", sagt er. "Und damit funktioniert es nicht so, wie es erhofft wurde, und deswegen stehen die Akteure in der besonderen Verantwortung, durch gemeinsames Verhandeln, durch Kooperation untereinander zu versuchen, die negativen Auswirkungen, die Gewerkschaftskonkurrenzen haben, möglichst kleinzuhalten."
Also: die Gewerkschaften sollten langfristig Verhandlungsgemeinschaften bilden. In anderen Unternehmen gelinge das schließlich auch, rät der Arbeitsrechtler. Hofreiter fordert währenddessen, dass das Tarifeinheitsgesetz so schnell wie möglich abgeschafft wird.