Auftakt Lokführer-Streik Was Bahn-Reisende wissen sollten
Die Lokführer haben ihren dritten Streik im Personenverkehr gestartet. Mindestens zwei Drittel der Züge dürften auch diesmal ausfallen. Besonders ausgedünnt ist der Fahrplan in den kommenden Tagen im Osten. Was Reisende wissen müssen.
In der dritten Streikrunde des aktuellen Tarifkonflikts bei der Deutschen Bahn hat die Lokführergewerkschaft GDL die Arbeitsniederlegungen diesmal auf fünf Tage ausgeweitet. Zum ersten Mal ist auch ein Wochenende vom Arbeitskampf betroffen. Der Streik im Personenverkehr hat Donnerstagnacht um 2 Uhr begonnen und soll nach den bisherigen Plänen der GDL bis zum kommenden Dienstag, den 7. September, um 2 Uhr dauern.
Es ist bereits der dritte Ausstand bei der Bahn innerhalb eines Monats. Die GDL ist zwar deutlich kleiner als die konkurrierende Gewerkschaft EVG, vertritt aber rund 80 Prozent der DB-Lokführer. Mit dem neuerlichen Streik will die GDL den Druck auf die Deutsche Bahn erhöhen.
Wie gravierend wird der neue Streik?
Wie bereits bei den vorherigen Streiks wird ein Großteil der Verbindungen auch diesmal ausfallen. Die Bahn hat im Nahverkehr erneut detaillierte Ersatzfahrpläne erstellt, die auf der Website www.bahn.de oder in der App DB Navigator eingesehen werden können. Zudem hat die Bahn wieder eine kostenlose Streikhotline eingerichtet, unter 08000-996633.
Im Fernverkehr bemüht sich der Konzern, mindestens ein Viertel der Verbindungen aufrecht zu erhalten. Beim vorangegangenen Streik seien sogar fast ein Drittel der Züge gefahren, so das Unternehmen. Ob das auch diesmal gelingt, ist unklar.
Um zu erfahren, ob ein Zug fährt, bietet die App DB Navigator kurz vor der geplanten Abfahrt entsprechende Informationen an. Die Bahn bittet jedoch alle Reisenden, ihre im Zeitraum vom 2. bis 6. September geplanten Fernreisen zu verschieben, wenn sie nicht zwingend fahren müssen. Denn: "Wir können in dieser Situation nicht garantieren, dass alle Reisenden an ihr Ziel kommen", so der Konzern.
Welche Verbindungen werden besonders betroffen sein?
Wie zuletzt dürfte der Osten Deutschlands stärker von dem Ausstand betroffen sein als der Westen. Hier werden voraussichtlich nur zehn bis 15 Prozent der Verbindungen aufrecht erhalten werden können. Im Westen sind es bis zu einem Drittel. Grund für diesen Unterschied ist, dass es im Osten Deutschlands kaum Lokführer mit Beamtenstatus gibt, im Westen deutlich mehr. Beamte dürfen bekanntlich nicht streiken.
Im Nahverkehr mit den Regionalzügen und S-Bahnen sollen etwa 40 Prozent der Verbindungen angeboten werden. Allerdings schwankt die Anzahl der angebotenen Züge je nach Region stark. Auch hier ist der Osten stärker betroffen als der Westen. So dürfte in Berlin die stark frequentierte Ringbahn komplett ausfallen.
In ganz Deutschland will die Bahn nach Möglichkeit stark frequentierte Strecken sowie Anbindungen an wichtige Bahnhöfe und Flughäfen garantieren. Auch internationale Fernzüge sind von dem Ausstand betroffen. Im Verkehr mit Belgien, den Niederlanden und Frankreich verkehrt ein Großteil der Züge planmäßig. Lediglich Reisende von und nach Dänemark und Polen müssen auch diesmal mit einem Totalausfall ihrer Verbindungen rechnen.
Was sagt die Wirtschaft?
Im Güterverkehr hatte der Arbeitskampf bereits am Mittwoch um 17.00 Uhr begonnen und dauert bis kommenden Dienstag, 2.00 Uhr. Er trifft besonders die Stahlindustrie, Auto- und Maschinenbauzulieferer, die chemische Industrie und die Mineralölindustrie. Bei den bisherigen Streiks stauten sich nach Bahnangaben in Spitzenzeiten 200 bis 300 Züge und erreichten nur verspätet ihre Ziele. Schwierigkeiten haben besonders Unternehmen, die just-in-time produzieren.
"Auch bei Unternehmen, die vorgesorgt haben, sind irgendwann die Lager leer", erklärte der Logistikexperte des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik. "Es kann dadurch schon zu ersten Ausfällen kommen." Das gelte auch für Unternehmen im benachbarten Ausland, denn der Streik durchtrenne europäische Lieferketten. Die Bahn fürchtet, Kunden langfristig zu verlieren. DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta rechnet damit, dass Kunden Transporte auf Lastwagen verlagern. Zwar hält die Deutsche Bahn nur noch rund 43 Prozent am Güterverkehr auf der Schiene, das übrige Geschäft übernehmen Konkurrenten. Doch die Bahn dominiert den Einzelwagenverkehr, auf den etwa die Chemieindustrie in vielen Fällen angewiesen ist.
Bekommen die Kunden ihr Geld zurück?
Wie bereits bei vorherigen Arbeitsniederlegungen gelten auch diesmal für den Zeitraum des GDL-Streiks besondere Kulanzregelungen für die Gültigkeit bereits gekaufter Fernverkehrstickets.
Alle Fahrgäste, die im Zeitraum vom Donnerstag, den 2. September, bis Dienstag, den 7. September, ihre Reise aufgrund des Streiks der GDL verschieben möchten, können ihr bereits gebuchtes Ticket bis einschließlich Freitag, den 17. September entweder flexibel nutzen oder kostenfrei stornieren. Auch Sitzplatzreservierungen können kostenfrei umgetauscht werden. Zudem gelten bei Verspätung oder Zugausfällen die allgemeinen Fahrgastrechte.
Gibt es Alternativen zur Bahn?
Als Alternative bieten sich Fernbusse an, sowie auf einigen Strecken nach und von Berlin auch die Angebote der Bahn-Konkurrenz. Zudem wollen die Lufthansa und ihre Billigtochter Eurowings ihr Flugangebot bis kommenden Dienstag um mehr als 7000 Sitzplätze aufstocken, wie ein Konzernsprecher mitteilte. Dazu werden auf etwa 150 Flügen größere Flugzeuge eingesetzt als eigentlich geplant und außerdem rund 30 zusätzliche Flüge angeboten. Im Fokus stehen dabei Verbindungen von Frankfurt und München nach Berlin und Hamburg und zurück. Eurowings verstärkt vor allem das Flugangebot von Düsseldorf, Köln/Bonn und Stuttgart nach Berlin und zurück. Es gebe bereits einen sprunghaften Buchungsanstieg, erklärte der Sprecher.
Worum geht es in dem Tarifkonflikt?
Vordergründig geht es um eine von der GDL geforderte Gehaltserhöhung von 3,2 Prozent in zwei Stufen, bessere Arbeitsbedingungen, eine gesicherte Betriebsrente und einen einmaligen Corona-Bonus für die Lokführer. Im Gespräch ist auch eine Corona-Prämie von 600 Euro. Neben dem Streit über die Löhne tobt im Konzern ein Machtkampf zwischen der GDL und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), der sich zuletzt durch die Anwendung des Betriebseinheitsgesetzes verschärft hat.
Der GDL geht es aber auch darum, mehr Mitglieder zu gewinnen, um ihre Position im Konzern gegenüber der größeren EVG zu verbessern. Medienberichten zufolge scheint das bereits gelungen zu sein. Der "Spiegel" gab die Zahl der Neumitglieder seit dem Streik mit 4000 an.
Die EVG dürfte kaum akzeptieren, dass die GDL einen deutlich besseren Tarifbschluss erzielt als sie. In diesem Fall gäbe es ein Kündigungs- und Nachverhandlungsrecht. Der Bahn würde damit der nächste Konflikt drohen. Tatsächlich hat sich die EVG bereits im vergangenen Herbst auf eine diesjährige Nullrunde mit der Bahn geeinigt. Anfang 2022 erhalten die Beschäftigten dann 1,5 Prozent mehr Geld. Die GDL hat diesen Tarifvertrag wiederholt als "völlig unzureichend" kritisiert.