Luftfahrtmesse Farnborough Airbus und Boeing buhlen um Neuaufträge
Ab heute buhlen Airbus und Boeing auf der Luftfahrtmesse im britischen Farnborough um Bestellungen. Experten erwarten weniger Aufträge als sonst: Sind nicht nur Airlines, sondern auch Flugzeugbauer in der Krise?
Von heute an präsentieren Hersteller wie Airbus und Boeing im britischen Farnborough südwestlich von London ihre Produkte und werben um Bestellungen. Bei der ersten großen Luftfahrtmesse seit Ausbruch der Corona-Pandemie erwarten Experten bei den Flugzeugbestellungen, anders als vor der Krise, eine gewisse Zurückhaltung.
In den vergangenen beiden Jahren waren die weltgrößten Luftfahrtmessen wegen der Pandemie ausgefallen. Die Farnborough Airshow wechselt sich sonst jährlich mit dem Pariser Aérosalon am Flughafen Le Bourget ab. Auf den Messen versuchen sich die Hersteller traditionell mit der Bekanntgabe von Neubestellungen zu überbieten.
Die großen Flugzeughersteller erwarten für die kommenden Jahre wieder eine starke Nachfrage nach Passagier- und Frachtjets. In Farnborough könnte sich ein Stück weit zeigen, wie sich der von vielen Problemen gebeutelte US-Konzern Boeing gegenüber dem inzwischen weltgrößten Flugzeugbauer Airbus aus Europa schlägt.
Weniger Bestellungen
Dass das Auftragsfeuerwerk diesmal so groß ausfällt wie früher, halten Branchenexperten aber für fraglich. In den Jahren 2015 bis 2019 hätten die Hersteller bei den Messen im Sommer im Schnitt zusammen etwa 800 Bestellungen bekannt gegeben, schreibt Luftfahrt-Analyst Ken Herbert von der kanadischen Bank RBC. Nach Einschätzung seiner Kollegin Sheila Kahyaoglu vom Analysehaus Jefferies dürften derzeit zwar etwa so viele Bestellungen in Arbeit sein. Diese würden aber wohl nicht alle auf der Messe verkündet.
RBC-Analyst Herbert erwartet Aufträge über etwa 500 Flugzeuge. Kahyaoglu zufolge könnte die US-Fluggesellschaft Delta sowohl mehr als 100 Boeing-Mittelstreckenjets vom Typ 737 Max als auch Exemplare des kleinsten Airbus-Jets A220 bestellen. Airbus hatte schon Anfang Juli Großaufträge chinesischer Airlines über fast 300 Maschinen bekannt gegeben - diese Deals gehen daher nicht in die Messe-Bilanz ein.
Die Nachfrage bleibt hoch
Auch wenn die Lage aktuell etwas angespannt sein mag: Mittelfristig rechnet Boeing aber damit, dass sich die weltweite Flugzeugflotte bis 2041 fast verdoppeln wird. Darren Hulst, Vizepräsident für kommerzielles Marketing bei Boeing, hatte vor der Messe gesagt: "Insgesamt sehen wir immer noch Ende 2023, Anfang 2024 als den Zeitpunkt, an dem sich die Branche vollständig oder zumindest auf das Niveau des Verkehrs vor der Pandemie erholt." Boeing sieht trotz der Rezessionsrisiken eine starke kurzfristige Nachfrage nach Flugzeugen. Weltweit sollen in den nächsten zwanzig Jahren 41.170 neue Flugzeuge benötigen werden.
Allerdings hatte Boeing vor einem Jahr noch 43.610 Stück erwartet. Boeing legte seinen Prognosen ein geringeres Wachstum der Weltwirtschaft und für das zweite Jahrzehnt einen gesättigteren Luftfahrtmarkt zugrunde. Ähnlich sieht die Prognose beim Konkurrenten Airbus aus: Bis 2041 schätzt der europäische Flugzeugbauer den Bedarf auf 39.490 Passagier- und Frachtflugzeuge.
Airbus liegt vorn
Im Wettstreit mit Boeing liegt Airbus derzeit vorn, denn im Massengeschäft mit Kurz- und Mittelstreckenjets hat Airbus den einstigen Marktführer Boeing abgehängt. In den vergangenen zehn Jahren sicherte sich der europäische Hersteller in diesem Segment einen Marktanteil von fast 70 Prozent. Der Erfolg liegt vor allem an der modernisierten Neuauflage der Modellfamilie A320 unter dem Namen A320neo, die deutlich weniger Treibstoff verbraucht als ihre Vorgängerin.
Für Boeing geriet die Modernisierung des betagten Konkurrenzmodells 737 hingegen zum Desaster. Nach zwei Abstürzen mit 346 Toten durfte die Boeing 737 Max mehr als anderthalb Jahre lang weltweit nicht abheben. Erst seit einer Überarbeitung des Jets wurden die Verbote seit November 2020 nach und nach aufgehoben. Noch heute leidet Boeing unter den Nachwirkungen.
Während Airbus die Produktion der A320neo-Familie nach der Krise bereits auf rund 50 Jets pro Monat hochgefahren hat und für das Jahr 2025 eine Rekordproduktion von monatlich 75 Stück anpeilt, lag Boeing bei der "Max" zuletzt bei lediglich 31 Maschinen.
Probleme mit der 737 Max 10
Gern würde Boeing die Langversion 737 Max 10 an den Start bringen. Doch deren Zulassung zieht sich hin. Winken die US-Regulierer den Jet nicht bis Jahresende durch oder gewähren Aufschub, droht Boeing aufgrund einer Gesetzesänderung von 2020 die teure Einführung eines ganz neuen Cockpit-Warnsystems.
Ohne eine Einigung mit dem Kongress könnte Boeing gezwungen sein, die 737 Max 10 einzustellen, hatte Boeing-Chef Dave Calhoun vor wenigen Tagen dem Branchenblatt "Aviation Week" gesagt. Nach Aussage von Spartenchef Stan Deal hält Boeing es aber für nicht sehr wahrscheinlich, dass es zu diesem drastischen Schritt kommt.
Mit der "Max 10" tritt Boeing gegen Airbus' Verkaufsschlager A321neo an, die Langversion der A320neo. Dieser macht bei den Europäern schon seit Längerem den Großteil der Neubestellungen im Segment der Schmalrumpf-Flugzeuge aus. Von der Maschine hat Airbus auch eine Langstreckenversion mit dem Namen A321XLR entwickelt. Sie soll Anfang 2024 in den Liniendienst gehen.
Langstreckenjets weniger gefragt
Die Nachfrage nach großen Langstreckenjets dümpelt unterdessen, außer im Frachtsegment, vor sich hin. Beide Hersteller hatten die Produktion der großen Maschinen wegen des Nachfrageeinbruchs in der Pandemie besonders stark gedrosselt. Doch während Airbus seine Typen A350 und A330neo weiterhin durchgehend ausliefert, klappt das bei Boeing nur beim älteren Modell 777.
Dessen Neuauflage 777X musste der Hersteller sogar auf das Jahr 2025 verschieben. Und die kleinere Boeing 787 "Dreamliner" kann er wegen Produktionsproblemen schon seit rund einem Jahr nicht mehr ausliefern. Die Gespräche mit der US-Luftfahrtbehörde FAA zur Wiederaufnahme der Auslieferungen seien sehr weit fortgeschritten, sagte Boeing-Manager Deal am Sonntag, nannte aber keinen Zeitplan.
Indes schreibe der Hersteller Russland als Absatzmarkt inzwischen für sich ab, sagte Boeing-Marketing-Manager Hulst. Hintergrund sind die Sanktionen gegen das Land wegen dessen Angriff auf die Ukraine.