Studie zur Einkommenssteuer Wettstreit um Europas Superreiche
Die EU-Staaten buhlen um besonders reiche Bürger und unterbieten sich gegenseitig bei der Besteuerung. Dabei verzichten sie auf Einnahmen in Millionenhöhe.
Europa droht in einen Wettbewerb um die günstigsten Steuerregelungen für Superreiche zu geraten. Immer mehr Staaten bemühen sich mit Ausnahmen und Sonderregelungen um eine kleine Gruppe besonders einkommensstarker, mobiler Bürger.
Offenbar agieren die Länder nach der Devise: Lieber einen Rabatt gewähren oder einen Sonderweg anbieten, als dass der Steuerzahler sich in einem anderen Land niederlässt. Denn zum Teil verzichten sie auf hohe Steuereinnahmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag der Grünen im Europaparlament. Die Studie lag dem NDR vorab vor.
La Valletta in Malta - lieber einen Rabatt gewähren, als dass der Steuerzahler sich in einem anderen Land niederlässt, lautet die Devise offenbar.
Steuersätze ganz legal drücken
Die Autoren der Studie zeigen, dass zahlreiche EU-Länder an Regelungen gearbeitet haben, die es ausgerechnet den Superreichen ermöglichen, ihre Steuersätze ganz legal zu drücken. 15 EU-Länder bieten demnach Modelle an, mit denen besonders hohe persönliche Einkommen steuerlich besser gestellt werden können, wenn Privatpersonen ihren Wohnsitz wechseln oder sich als sogenannte Steuerausländer eines Landes registrieren lassen. Dazu bedarf es meist mehrerer Wohnsitze innerhalb verschiedener Länder. Allein deshalb profitieren von diesen Regeln nur sehr wenige Menschen.
Einige Länder wie Malta, Zypern oder Italien berechnen laut der Studie zudem eine Art Steuerpauschale in Höhe von etwa 100.000 Euro - selbst wenn jemand gemessen an den Regelsätzen deutlich mehr zahlen müsste. Europaweit sollen rund 160.000 Menschen von solchen Schlupflöchern profitieren. Die meisten davon nutzen demnach Sonderregeln in Großbritannien und den Niederlanden aus.
Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton nutzt offenbar - wie viele andere Spitzenverdienende im Sport - Sonderregelungen in Großbritannien.
Umsiedlung wohlhabender Banker aus London
In der Folge der Brexit-Abstimmung hatte Frankreichs Regierung mitgeteilt, dass man Sonderregelungen eingeführt habe, um wohlhabende Banker aus London zur Umsiedlung zu bewegen.
In Großbritannien etwa, so schreiben es die Autoren der Studie, nutzen Sport-Stars wie Lewis Hamilton oder Andre Agassi diese Regelungen, aber auch der zeitweise reichste Mensch des Vereinigten Königreichs, Tetra-Pak-Erbe Hans Rausing. Der "Guardian" berichtete, dass er mehr als 20 Jahre in einem Schloss bei Sussex residierte, es aber gleichzeitig schaffte, steuerlich dort nicht veranlagt zu werden.
Staaten reduzieren selbst das Steueraufkommen
Wie hoch der Steuerrabatt für Großbritannien insgesamt ausfällt, beziffert die Studie nicht. Klar scheint für die Autoren jedoch, dass die EU-Staaten sich durch das gegenseitige Unterbieten selbst das Steueraufkommen reduzieren. Die Niederlande etwa haben laut der Studie auf mehr als 775 Millionen Euro Steuereinnahmen durch vergleichbare Regelungen verzichtet - verglichen mit der Regelbesteuerung im Land.
Weiterhin kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Reiche auch indirekt in den meisten EU-Staaten steuerlich besser gestellt werden. Einkommen aus Erbschaften und Kapitalerträgen oder Vermögen werden demnach deutlich geringer besteuert als Arbeitslöhne.
Deutschland rangiert in den Bedingungen für Superreiche im europäischen Mittelfeld. Außergewöhnliche Sonderregelungen, um diese Gruppe von Bürgern gezielt anzulocken, listet die Studie nicht auf.
Das Steueraufkommen der EU-Staaten ergibt sich zu fast einem Viertel aus der Einkommenssteuer der Bewohner, wohingegen die Unternehmenssteuern nur rund sieben Prozent ausmachen.
Grüne fordern gemeinsame Reaktion der Länder
Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold fordert angesichts der Studienergebnisse eine gemeinsame Reaktion der europäischen Länder. "Der europäische Steuerwettbewerb ist in eine neue Phase eingetreten. Nach Steuerflüchtlingen und Großunternehmen geht es nun mit immer härterem Steuerdumping um Superreiche", sagte er dem NDR. Die EU-Kommission müsse einen Aktionsplan vorlegen, wie sie die Steuerumgehung der Superreichen beenden will.
Auf Anfrage erklärte eine Sprecherin der EU-Kommission, man habe das Problem dort bereits erkannt und plane die Einberufung einer Expertengruppe aus den Mitgliedsstaaten, die bis Ende dieses Jahres Sicherheitsmechanismen vorschlagen solle.
Auch innerhalb der deutschen Bundesregierung schwelt ein Streit um die Besteuerung der Besserverdiener. Finanzminister Olaf Scholz hatte im Januar eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes ins Gespräch gebracht. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier wies den Vorschlag öffentlich zurück.
In Deutschland liegt der höchste Spitzensteuersatz derzeit bei 42 Prozent, was im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld liegt. Allerdings fällt nach Angaben des Bundesfinanzministeriums bereits rund jeder zehnte Steuerzahler in den Einkommensbereich, auf den der Spitzensteuersatz fällig wird. Darüber gibt es noch die sogenannte Reichensteuer, sie beträgt 45 Prozent und wird ab gut 260.000 Euro Einkommen pro Jahr fällig.