Kampf gegen Steuervermeidung Deutschland verhindert EU-Initiative
Mit mehr Transparenz wollen einige EU-Staaten gegen Steuervermeidung von Konzernen vorgehen. Eine Mehrheit im Rat der EU gäbe es wohl. Aber Deutschland, das dem Gremium vorsitzt, verhindert, dass die Initiative zur Abstimmung kommt.
Deutschland verhindert weiterhin, dass die EU-Staaten eine Gesetzesinitiative im Kampf gegen Steuervermeidung großer Konzerne beschließen können. Hintergrund ist, dass Deutschland aktuell die Ratspräsidentschaft inne hat und daher maßgeblich die Tagesordnungspunkte der Brüsseler Diskussionen bestimmen kann.
Obwohl die Bundesregierung Steuergerechtigkeit zu einem Schwerpunktthema der Ratspräsidentschaft erklärt hat, blockiert sie offenbar weiterhin einen Fortschritt bei den sogenannten länderbezogenen Berichtspflichten für Konzerne, auch "Country-by-Country-Reporting" (CBCR) genannt. Mit dieser Gesetzesänderung könnte die EU große Unternehmen verpflichten, publik zu machen, wo sie wie viel Steuern zahlen und damit Steuervermeidungstricks ein Ende bereiten.
Thema weiterhin nicht auf der Tagesordnung
Bei einem Ratstreffen im September wird das öffentliche CBCR dennoch nicht zur Abstimmung gestellt werden: Das zuständige Bundesjustizministerium teilte auf eine schriftliche Frage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Lisa Paus mit, dass die Tagesordnung "derzeit keine Befassung des Rates mit dem Vorschlag" vorsehe. Der Grund sei, dass die "Meinungsbildung (…) innerhalb des Rats noch nicht abgeschlossen" sei.
Hintergrund dürfte auch sein, dass das öffentliche CBCR zu einem schwelenden Streit in der deutschen Bundesregierung geführt hat: Finanzminister Olaf Scholz und das Bundesjustizministerium von Christine Lambrecht (beide SPD) haben sich öffentlich für das Gesetz ausgesprochen. Das Wirtschaftsministerium, geführt von Peter Altmaier (CDU), ist dagegen.
Uneinig über die CBCR-Initiative: Finanzminister Scholz und Wirtschaftsminister Altmaier.
Mehrheit gegen CBCR kippt
Die europäischen Staaten ringen seit Jahren darum, ob man Konzerne mithilfe des CBCR zu mehr Transparenz verpflichten soll. Bislang gab es immer eine knappe Mehrheit gegen die Regelung, auch weil Deutschland stets signalisiert hatte, sich zu enthalten, um einen Streit innerhalb der Berliner Koalition zu vermeiden.
Mit dem Regierungswechsel in Österreich als Folge der Ibiza-Affäre, wo nun die Grünen mitregieren, haben sich die Mehrheiten verschoben. Selbst mir einer Enthaltung aus Deutschland könnte das öffentliche CBCR nun sehr wahrscheinlich auf den Weg gebracht werden. Das österreichische Bundeskanzleramt teilte auf Anfrage mit, man habe beschlossen "jegliche Maßnahmen zur Steuergerechtigkeit auf europäischer Ebene zu forcieren und bei der nächsten Abstimmung im Rat dem Dossier für die transparente (veröffentlichte) länderspezifische Berichterstattung (public Country-by-Country-Reporting) ihre Zustimmung zu erteilen".
Ministerium verweist auf Abstimmungsbedarf
Das ist natürlich nur möglich, wenn es überhaupt zu einer Abstimmung kommt. Doch das SPD-geführte Bundesjustizministerium (BMJV) hat sich offenbar entschlossen, die Sache auszusitzen und das Thema gar nicht erst auf die Tagesordnung zu setzen. Das Vorgehen verwundert Beobachter auch deshalb, da das Land, das dem EU-Rat vorsitzt, eigentlich als "ehrlicher und neutraler Vermittler" auftreten muss.
Ein Sprecher des BMJV erklärte, das Ministerium unterstütze das Vorhaben eines öffentlichen Country-by-Country-Reportings und sei sich "der Rolle des Ratsvorsitzes als 'neutraler Vermittler' bewusst". Man stimme das weitere Vorgehen derzeit ab.
Das Bundesfinanzministerium erklärt auf Anfrage ebenfalls, dass man sich für die Initiative einsetze: "Auch weiterhin strebt das Bundesministerium der Finanzen eine höchstmögliche Transparenz an. Diese würde mit der Veröffentlichung gewährleistet", sagte eine Sprecherin. Für die Tagesordnung sei man allerdings nicht zuständig. Das Bundeswirtschaftsministerium ließ eine Anfrage zunächst unbeantwortet.
Imageschaden und Wettbewerbsverzerrung befürchtet
Unterstützer des öffentlichen CBCR gehen davon aus, dass Unternehmen sich aus Sorge vor öffentlichem Druck oder einem Imageschaden aus Steueroasen zurückziehen, wenn sie publizieren müssen, in welchen Ländern sie wenig oder kaum Steuern bezahlen. Kunden könnten das bei ihren Kaufentscheidungen berücksichtigen und Steuertrickser entsprechend abstrafen.
Kritiker fürchten hingegen um die Wettbewerbsfähigkeit: Konkurrenten könnten, so die Sorge, Rückschlüsse auf Geschäftsgeheimnisse aus den Informationen ziehen. Bislang sind die länderbezogenen Daten nur für die Finanzbehörden einsehbar. Gegen die Regelung sind auch Länder, die mit zum Teil aggressiver Steuerpolitik um Konzerne buhlen, zum Beispiel Irland, Malta, Luxemburg und Zypern.
Die Opposition kritisiert vor allem den Bundesfinanzminister, weil er sich nicht durchsetzt: "Vor Kameras sagt Olaf Scholz, er wäre dafür, die Steuervermeidung der Konzerne zu stoppen - hinter geschlossenen Türen bremst er das öffentliche Country-by-Country-Reporting aus", sagte Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, dem NDR. "Wenn der Finanzminister - vorgeblich wegen der Union - schon nicht zustimmen wird, dann muss er wenigstens dafür sorgen, dass es auf die Tagesordnung gesetzt wird, um der jetzt sehr wahrscheinlichen EU-Mehrheit dafür nicht im Weg zu stehen", so Paus weiter.