Kritik an Sarkozys Haltung gegenüber Merkel Anschmiegsam in der "deutschen Gussform"?
Deutschland und Frankreich werden nicht müde, ihr gemeinsames Vorgehen in der Eurokrise herauszustreichen. Doch Unterschiede bleiben - etwa bei der Durchsetzung von Sanktionen für Defizitsünder. Der französischen Opposition ist das zu viel Nähe. Sie wirft Sarkozy Kapitulation vor Merkel vor.
Von Johannes Duchrow, WDR-Hörfunkstudio Paris
Dass sie es gemeinsam schaffen wollen, dazu bekennen sich beide - die Kanzlerin im Bundestag und der französische Präsident auf einer Kundgebung. Nicolas Sarkozy tut dies übrigens mit einem sehr viel wortreicheren Bekenntnis zur Zusammenarbeit: "Frankreich kämpft mit Deutschland für einen neuen europäischen Vertrag, mit neuen Fundamenten und einer neu durchdachten Organisation Europas."
Doch noch im Jubel der 5000 geladenen Gäste in einer Konzerthalle in Toulon zählte Nicolas Sarkozy am Abend auf, was er in einen solchen Vertrag schreiben will: "Mehr Solidarität, mehr Verantwortung, die eine Wirtschaftsregierung vor den Völkern hat, das ist unsere Vision für die Zukunft der Euro-Zone und für die Reform der Verträge."
Mit einem Seitenhieb auf Deutschland forderte Frankreichs Präsident, das Einstimmigkeitsprinzip weitgehend abzuschaffen. Das Veto-Recht eines einzelnen Staates (oder gar eines Koalitionspartners dort) dürfe es nicht geben.
Nicht die Gerichte bemühen
Angela Merkel hat im Bundestag auf eiserne Haushaltsdisziplin und automatische Sanktionen gesetzt. Sarkozy lehnt das nicht kategorisch ab: Es müsse "automatischere und schwerere Sanktionen" geben. Der Europäische Gerichtshof als Strafinstanz für Staaten, die zuviel Geld ausgeben, das weiß man von Sarkozy, ist ihm ein Gräuel; in seiner Rede hat er den Gerichtshof jedenfalls nicht erwähnt.
Sarkozys Schwerpunkt dagegen ist der Einfluss von Politik in Europa. Die Staats- und Regierungschefs hätten in der Krise das Ruder in der Hand gehabt, sie seien das Bindeglied zu den Menschen. "Europa ohne Politik, Europa mit so einer Art Autopilot, das einfach nur blind den freien Wettbewerb und Handel durchsetzt, ist ein Europa, das nicht für Krisen gewappnet ist. Das ist ein entwaffnetes Europa, das verurteilt ist, zu ertragen. Ein solches Europa wollen wir nicht."
Spott über "Präsident Merkozy"
Trotz dieser relativen Distanz zu Deutschland wird Sarkozy nach seiner Rede angegriffen. Die Tageszeitung "Libération" nennt den konservativen Kandidat zur Präsidentschaftswahl im April schlicht Merkozy, und die Sozialisten finden sich mit ihrer Kritik an der Vereinnahmung durch Deutschland gefährlich nah am Front National.
Sozialisten-Chefin Aubry wirft Sarkozy vor, vor Deutschland zu kapitulieren. Der unabhängige Mitte-Links-Kandidat Jean-Pierre Chevènement sagt: "Sarkozy schmiegt sich in die extrem starre deutsche Gussform. Das führt uns geradewegs in die Katastrophe." Und die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen, die gerade in der Mittelmeer-Region rund um Toulon ein Viertel der Wählerstimmen einheimsen wird, spricht von einem "Europa unter Deutscher Faust".