Regierungserklärung zur Eurokrise Merkel erwartet keinen Befreiungsschlag
Die Bundesregierung dringt vor dem EU-Gipfel auf eine Änderung der EU-Verträge. Kanzlerin Merkel sagte in einer Regierungserklärung, nur mit einer abgestimmten Finanzpolitik und automatischen Sanktionen könne die Eurokrise überwunden werden. Dies werde aber Jahre dauern. Die Opposition übte im Bundestag massive Kritik an Merkels Krisenmanagement.
Eine Woche vor dem EU-Gipfel in Brüssel hat Kanzlerin Angela Merkel auf eine Änderung der EU-Verträge und auf eine gemeinsame Fiskalpolitik der EU-Staaten gedrängt. In einer Regierungserklärung sagte Merkel, auch "starke Durchgriffsrechte" auf die nationalen Haushalte seien erforderlich. Nur so könne die Krise der gemeinsamen Währung überwunden werden.
Notfalls müssten die Euro-Staaten mit einer eigenen Vereinbarung vorangehen. Eine Spaltung der EU zwischen den Staaten mit und ohne Euro müsse allerdings vermieden werden. Zugleich müsste die Unabhängigkeit der Notenbanken und Gerichte geschützt werden.
Merkel warnte zugleich davor, auf schnelle Lösungen zu hoffen. Es werde in Brüssel "keinen Befreiungsschlag" geben. Vielmehr werde die Bewältigung der Krise Jahre dauern.
Die Kanzlerin sprach von einem massiven Vertrauensverlust und der vielleicht schwersten Krise der EU. Diese führte sie aber auf Konstruktionsfehler beim Euro und die Aufweichung der Defizitkriterien zurück. Diese Fehler müssten nun beseitigt werden. Merkel betonte, dass sie dabei in enger Abstimmung mit den übrigen Staats- und Regierungschefs der Union agiere. Es sei abwegig, Deutschland vorzuwerfen, Europa dominieren zu wollen.
Allerdings blieb Merkel bei ihrer Ablehnung von gemeinsamen europäischen Anleihen. Diese Debatte erübrige sich, solange es keine wirksame Durchgriffsrechte auf die nationalen Haushalte gebe.
In seiner Antwort hielt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier Merkel vor, ein Stabilitätsrisiko für Europa zu sein. Merkel habe in ihrer Regierungserklärung am Kern der Sache vorbeigeredet. Niemand werfe ihr vor, dass es die Krise gebe. "Aber wie sie mit ihr umgehen, das geht auf keine Kuhhaut", sagte Steinmeier.
Merkel trage mit Wankelmütigkeit und Entscheidungslosigkeit Mitverantwortung dafür, dass nichts stabiler geworden sei. Die Kanzlerin habe bislang alle Bastionen geräumt, die sie einmal in der europäischen Diskussion über die Beilegung der Krise eingenommen habe. Daher fehle es ihr an jeder Glaubwürdigkeit. Selbst wohlmeinende europäische Nachbarn seien inzwischen gegen Deutschland aufgebracht, kritisierte der SPD-Fraktionschef weiter.
FDP-Fraktionschef Brüderle sprach sich für Änderungen der EU-Verträge aus, um die Haushaltsdisziplin in den Euro-Staaten besser zu kontrollieren und Verstöße zu sanktionieren. Wie die Kanzlerin lehnte er gemeinsamen Anleihen der Euroländer ab.
Bleibt es beim Nein zu Eurobonds?
Diesen Aussagen misstraut Grünen-Fraktionschef Jürgen Tritten. Er warf der Bundesregierung vor, der Bevölkerung die Unwahrheit über Euro-Bonds zu sagen. Da die Europäische Zentralbank in großem Umfang Staatsanleihen überschuldeter Länder wie Spanien und Italien aufgekauft habe, gebe es längst eine gemeinsame europäische Haftung für Schulden.
Trittin plädierte dafür, den Euro-Schutzschirm EFSF mit einer Banklizenz auszustatten und ihm damit Zugriff auf Mittel der Europäischen Zentralbank zu geben. Jetzt sei geboten, Ländern wie Italien oder Spanien Möglichkeiten der Refinanzierung zu geben.
Für die Linkspartei vertrat Fraktionschef Gregor Gysi die Ansicht, nicht Staatsverschuldung sei die Ursache der Krise, sondern die Macht von Banken, Versicherungen und Fonds. Der "einzig mögliche Weg" aus der europäischen Krise sei, große Geldinstitute wie die Deutsche Bank zu verkleinern und öffentlich-rechtlich zu organisieren.
Merkel kam mit ihrer Regierungserklärung einer Bitte der Fraktionsvorsitzenden Steinmeier und Trittin nach. Diese hatten sie zu einer Erklärung vor dem EU-Gipfel aufgefordert.