Italien verhandelt Maßnahmenpaket Montis Kampf gegen die Kasten
Taxifahrer, Apotheker und sogar die katholische Kirche müssen in Italien um Sonderrechte bangen: Ministerpräsident Monti will mit einem Maßnahmenpaket von historischem Ausmaß die Wirtschaft beflügeln. Die Zustimmung im Senat gilt als sicher, es droht aber Gegenwind von den Gewerkschaften.
Von Tilmann Kleinjung, ARD-Hörfunkstudio Rom
Das "Time"-Magazin spart nicht mit Superlativen und tauft Italiens Ministerpräsidenten Europas "most important man". "Kann dieser Mann Europa retten?", heißt es in einer Titelstory, die Mario Monti gewidmet ist. Die Ära Berlusconi ist vergessen. Nach mehr als 100 Tagen im Amt scheint die Regierung Monti Italien mehr als rehabilitiert zu haben.
"Das waren am Anfang Tage voller Furcht, dass es vielleicht zu spät sein könnte, dass Italien abrutscht. Und diese Furcht ist viel geringer geworden", sagt Wirtschaftsminister Corrado Passera. "Gemeinsam mit dem Parlament haben wir eine Reihe von Sachen umgesetzt, die schon lange dran waren und die uns vor allem im Ausland niemand zugetraut hatte."
Die Schulden drücken weiter
Die Euphorie scheint etwas deplatziert. Denn noch immer hat Italien einen gewaltigen Schuldenberg, noch immer zahlt der Staat deutlich höhere Zinsen für seine Staatsanleihen als vor der Krise und noch immer lahmt die italienische Wirtschaft: Das Bruttoinlandsprodukt fiel im vierten Quartal 2011 um 0,7 Prozent und wird auch in den ersten Monaten dieses Jahres weiter schrumpfen.
Bisher hat Monti vor allem gespart. Mit dem neuen Maßnahmenpaket will er verkrustete Strukturen aufbrechen und so der Wirtschaft auf die Beine helfen. So bekommen Apotheker mehr Konkurrenz und das Taxigewerbe wird liberalisiert. Neapels Taxifahrer demonstrieren gegen diese Maßnahmen seit Wochen.
Monti riskiert den Kulturkampf
Auch die katholische Kirche kommt nicht ungeschoren davon. Bislang profitierten kirchliche Einrichtungen von Steuererleichterungen. Ein kirchliches Krankenhaus oder Hotel musste keine Immobiliensteuer zahlen, wenn es über eine kleine Kapelle oder einen Andachtsraum verfügte. Ab sofort gilt: Nur die Häuser der Kirche, die auf Non-Profit-Basis arbeiten, sind steuerbefreit. Die katholische Kirche ist der größte private Schul- und Klinikträger im Land.
"Die Regierung will nicht in Abrede stellen, dass der Non-Profit-Sektor ein echter Schatz für das Land ist", sagt Monti. "Gerade um ungerechtfertigte Kritik und falsche Interpretationen zu vermeiden, halten wir es für notwendig, gradlinig, genau und transparent die Grenze zwischen kommerziellen Aktivitäten und Non-Profit zu definieren." Der praktizierende Katholik Monti spricht damit das aus, was vermutlich viele Italiener denken: Die Zeit der Privilegien für die katholische Kirche ist vorbei.
Die Mehrheit ist auf Montis Seite
Überhaupt gibt es wenig Widerstand gegen den Mann, der gerade dabei ist, sein Land umzukrempeln. Montis Umfragewerte sind glänzend. Die jüngste Untersuchung hat ergeben: Fast 60 Prozent der Italiener vertrauen dem Professor aus Mailand - Tendenz steigend.
Doch die eigentliche Feuerprobe steht der Regierung Monti noch bevor: Sie will den Kündigungsschutz lockern. Laut Artikel 18 des italienischen Arbeitsgesetzbuches können Mitarbeiter in Betrieben mit 15 und mehr Beschäftigten bisher praktisch nicht mehr entlassen werden. Arbeitsministerin Elsa Fornero hat angekündigt, diesen Artikel notfalls auch gegen die Gewerkschaften zu reformieren. Die streikerprobten und mächtigen italienischen Gewerkschaften haben bereits klargestellt, dass der Kündigungsschutz für sie nicht verhandelbar ist.