Vorschläge zum Autogipfel Abwrackprämie, Kaufanreize oder laschere CO2-Ziele?
Wirtschaftsminister Habeck hat mit Vertretern der Autokonzerne über die Branchenkrise beraten. Verschiedene Vorschläge stehen im Raum. Was würde der Industrie überhaupt helfen?
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat heute mit Vertretern der Automobilwirtschaft über die Krise einer der wichtigsten deutschen Industrien beraten und Unterstützung in Aussicht gestellt. Nach der virtuellen Konferenz mit Topmanagern der Autobauer sowie Vertretern der Zulieferindustrie, des Verbandes der Automobilhersteller (VDA) und der Gewerkschaft IG Metall sagte der Grünen-Politiker, es solle keine Schnellschüsse und keine "Strohfeuermaßnahmen" geben. Es gehe um langfristige Planbarkeit. "Unter der Bedingung haben wir über verschiedene Möglichkeiten gesprochen." Die Bundesregierung werde nun beraten.
Was ist das Problem?
Schwache Verkaufszahlen, schrumpfende Gewinne und geplanter Stellenabbau in großem Stil: Die Autobranche in Deutschland steht stark unter Druck. Mercedes-Benz hatte am Freitag wegen eines stotternden Geschäfts in China seine Gewinnprognose für dieses Jahr gekappt. Zuvor hatte bereits BMW seine Absatz- und Gewinnerwartungen gesenkt und Volkswagen mögliche Werksschließungen angekündigt. Schwierig ist auch die Lage von Zulieferern, die ihre Werke bereits auf Produkte für Elektroautos umgestellt haben und bei denen nun der eigentlich eingeplante Absatz wegfällt.
"Die Unternehmen der deutschen Autoindustrie leiden unter einem Mangel an neuen Aufträgen - insbesondere aus dem Ausland. Dies schlägt sich mittlerweile auch in der Personalplanung nieder", sagte jüngst ifo-Branchenexpertin Anita Wölfl. Das Absatzminus in Deutschland lag nach Angaben des Verbands der europäischen Automobilhersteller (ACEA) im August bei fast 30 Prozent. Dazu kommen Überkapazitäten, Management-Fehlentscheidungen und eine wachsende Konkurrenz aus Asien.
Vor allem die Nachfrage nach Elektroautos ist eingebrochen - im vergangenen Monat um fast 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Schon bei einem Besuch des VW-Werks in Emden vergangene Woche hatte Habeck zugesagt, den E-Auto-Markt anschieben zu wollen. Vor dem heutigen Treffen waren daher verschiedene Forderungen laut geworden, wie die Nachfrage wieder angekurbelt werden könnte.
Welche Ideen gibt es?
Konkrete mögliche Fördermaßnahmen nannte Habeck nicht. Laut "Spiegel hat sich Volkswagen für eine Neuauflage der Elektroauto-Prämie stark gemacht. Demnach fordert der Konzern, dass der Staat künftig 4.000 Euro zum Kauf eines reinen Elektroautos zuschießt, wenn der Hersteller einen Preisnachlass von 2.000 Euro gewährt. Auch die Gewerkschaft IG Metall hält ein neues Förderpaket für notwendig - ebenso wie der einflussreiche SPD-Bezirk Hannover. "Die kurzfristige Abschaffung der Kaufprämie für E-Autos kurz vor Jahresende 2023 war ein schwerer Fehler", kritisierte Maximilian Schmidt, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand.
Neben der Einführung von neuen Kauf-, Umtausch- und Leasinganreizen wird in der SPD auch eine Abwrackprämie von 6.000 Euro diskutiert, die bei einem Wechsel von einem Verbrenner zu einem E-Auto gezahlt werden solle. Für den Kauf eines gebrauchten E-Autos könnte es 3.000 Euro geben, heißt es in einem Papier, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Eine abgestimmte Position gebe es aber noch nicht. "Das ist ein Vorschlag, den wir jetzt in die Debatte mit einbringen", sagte Generalsekretär Kevin Kühnert gestern Abend in der ARD.
Der Koalitionspartner FDP reagierte skeptisch darauf. "Es wäre völlig falsch, wenn wieder die Politik festlegt, welche Technologie am Ende des Tages marktfähig sein sollte oder sich durchsetzen sollte", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. "Deswegen bin ich nicht begeistert von dieser Debatte." Die alte, nach der Finanzkrise 2007/2008 eingeführte Abwrackprämie habe die Branche nicht gestärkt. Stattdessen habe es Missbrauch und sehr viel Bürokratie gegeben.
Was ist die Abwrackprämie überhaupt?
In der Wirtschaftskrise 2009 hatte Deutschland schon einmal mit einer Prämie den Austausch von Autos gefördert. 2.500 Euro Umweltprämie erhielt, wer sein altes Auto verschrotten ließ und ein neues kaufte. Viele sprachen deshalb von einer "Abwrackprämie". Ziel der Förderung war es, den dramatischen Einbruch der Automobilwirtschaft, der durch die Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgerufen wurde, abzuschwächen. Antragsberechtigt waren damals private Besitzer eines mindestens neun Jahre alten Fahrzeugs, das ein Jahr zugelassen sein musste.
Würde eine neue Abwrackprämie der Autobranche helfen?
Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sieht die Idee einer neuen Umweltprämie beim Erwerb eines Neuwagens skeptisch. Eine temporäre Förderung von E-Fahrzeugen könne zwar die Umstellung erleichtern, sagte Achim Wambach der Nachrichtenagentur Reuters. "Eine Abwrackprämie ist allerdings - abhängig von ihrer Ausgestaltung - problematisch", fügte er hinzu. "Wenn funktionsfähige Fahrzeuge stillgelegt werden, werden Werte zerstört."
Auch andere Ökonomen reagieren verhalten auf den Vorschlag. "Die wissenschaftliche Evaluation der letzten Abwrackprämie hat gezeigt, dass sie kaum mehr als ein konjunkturelles Strohfeuer war. Autokäufe werden zwar vorgezogen, bleiben dafür aber später aus", erklärt Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE), gegenüber tagesschau.de. "Wir haben es bei der Abwrackprämie 2009 gesehen: Zwar explodierten die Neuzulassungen plötzlich auf 3,8 Millionen Autos in Deutschland, dafür brachen die Neuzulassungen in den fünf beziehungsweise sechs Folgejahren auf erschreckend niedriges Niveau ein", bestätigt Frank Schwope, Dozent für Automobilwirtschaft an der Hochschule FHM in Hannover.
Zudem habe die letzte Abwrackprämie ausländische Autobauer massiv begünstigt, ihr Marktanteil sei auf Kosten der deutsche Hersteller deutlich gestiegen, betont Wettbewerbsökonom Haucap. "Grund ist, dass deutsche Autobauer eher im oberen Segment aktiv sind, für die abgewrackten Autos aber sehr stark günstige Kleinwagen gekauft werden", so der Experte. Auch jetzt sei zu befürchten, dass - trotz Schutzzöllen - stark in ausländische Fabrikate investiert würde. Ökologisch dürfte die Wirkung Haucap zufolge ebenfalls zweifelhaft sein. "Zum einen beziehen wir noch immer sehr viel Strom aus fossilen Quellen, zum anderen wird ein bestehender, funktionsfähiger Kapitalstock - die abgewrackten Pkws - vernichtet, dafür müssen neue Autos gebaut werden."
Was schlagen die Wirtschaftsexperten vor?
Nach Einschätzung des Experten Schwope sind klare Rahmenbedingungen für die Autoindustrie wichtig und "kein stetes Rütteln an diesen, was nur auf allen Seiten zu Verunsicherung" führe. Priorität solle der Ausbau der Ladesäulen haben, meint ZEW-Präsident Wambach. "Dabei ist darauf zu achten, dass Ladesäulen im Wettbewerb zueinander stehen, sodass Verbraucher eine Wahl zwischen verschiedenen Betreibern von Ladesäulen haben." Derzeit seien regionale Monopole zu beobachten, die für hohe Ladepreisen sorgen.
So sieht es auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): "Die Bundesregierung sollte die anvisierten Gelder sehr viel besser für einen Ausbau der Ladeinfrastruktur und für Innovation und Forschung nutzen."
Die Politik müsse der gesamten Wirtschaft mit besseren Rahmenbedingungen helfen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Eine erneute Prämie für E-Autos sei eine schlechte Idee, so Fratzscher. "Sie ist teuer, führt zu Mitnahmeeffekten und wird den Ausbau der E-Mobilität nicht deutlich beschleunigen." Zudem seien solche Prämien sozial unausgewogen und "wohl genauso kontraproduktiv, wie die Abwrackprämie Anfang der 2010er-Jahre".
Und was sagen die Autobauer selbst zu den Prämien?
BMW hatte bereits im Vorfeld des "Autogipfels" mitgeteilt, der Konzern halte von den diskutierten Vorschlägen nichts. "Die deutsche Automobilindustrie braucht keine kurzfristigen, marktverzerrenden Strohfeuer", hieß es von dem Hersteller. Im Fokus sollten stattdessen nachhaltige Rahmenbedingungen stehen, die den Kunden die Entscheidung für elektrische Fahrzeuge vereinfachten. Dazu gehörten flächendeckend Ladepunkte im öffentlichen wie im privaten Bereich sowie der Zugang zu günstigem Ladestrom. "Denn wenn die Kosten für einen elektrisch gefahrenen Kilometer höher sind als mit Benzin oder Diesel, fehlt vielen Kunden ein zentraler Anreiz für elektrische Fahrzeuge", hieß es in München.
Wie sieht es mit der Klimapolitik aus?
Mercedes-Chef Ola Källenius plädierte indes für ein Entgegenkommen der Politik in der Klimapolitik. "Wir müssen über die CO2-Regulierung in Europa reden", sagte Källenius dem "Handelsblatt". Zwar stehe der Stuttgarter Autobauer zum Ziel der Dekarbonisierung der Autoindustrie. Doch die Schätzungen der EU-Kommission seien zu optimistisch gewesen, wie sich jetzt zeige. "Wir können die Kundenwünsche nicht ignorieren", so Källenius. Konkret fordert er eine Erleichterung bei den verschärften Klimavorgaben der EU für die Neuwagenflotten, die ab 2025 greifen sollen. Weil die meisten Hersteller zu wenig Elektrofahrzeuge verkaufen, drohen der Industrie milliardenschwere Strafzahlungen.
Man solle statt einer Abwrackprämie über die EU-Flottengrenzwerte für Emissionen nachdenken, hatte auch FDP-Generalsekretär Djir-Sarai im Vorfeld gefordert. Habeck sagte der Autoindustrie die Unterstützung auf EU-Ebene heute zu. Die Grenzwerte sollten im Jahr 2026 einer Revision unterzogen werden. Es sei der Wunsch der Runde gewesen, sich dafür einzusetzen, dass das schon im kommenden Jahr passiere. "Dem will ich gerne folgen", so der Minister. Zugleich dämpfe er aber die Erwartungen, denn es handle sich um ein europäisches Programm.