Leichtes Wachstum im Frühjahr Britische Wirtschaft legt unerwartet zu
Experten hatten für das Frühjahr mit einer Stagnation im Vereinigten Königreich gerechnet, stattdessen hat das BIP angezogen. Trotz der jüngsten Widerstandsfähigkeit rechnen Ökonomen aber mit schwierigen Zeiten für die britische Wirtschaft.
Die britische Wirtschaft ist im Frühjahr unerwartet gewachsen. Laut dem nationalen Statistikamt ONS stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von April bis Juni um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Analysten hatten für zweite Quartal eine Stagnation der Wirtschaftsleistung erwartet. Im Jahresvergleich wuchs die britische Wirtschaft um 0,4 Prozent.
Damit konnte die britische Wirtschaft an das leichte Wachstum zu Beginn des Jahres anknüpfen. In den ersten drei Monaten des Jahres hatte die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 Prozent zugelegt.
Allein im Juni kletterte das BIP spürbar um 0,5 Prozent zum Vormonat und damit mehr als doppelt so stark wie gedacht. Analysten hatten im Schnitt nur einen Zuwachs um 0,2 Prozent erwartet, nachdem die Wirtschaftsleistung im Mai noch um 0,1 Prozent geschrumpft war.
Starke Industrieproduktion
Eine unerwartet starke Entwicklung zeigte sich auch bei der Industrieproduktion. Im Juni steigerten die Industriebetriebe ihre Fertigung im Monatsvergleich um 1,8 Prozent, wie das Statistikamt weiter mitteilte. Analysten hatten im Schnitt nur einen Zuwachs um 0,2 Prozent erwartet, nachdem die Produktion im Mai um 0,6 Prozent gesunken war. Das Statistikamt erklärte, dass die Unternehmen einen zusätzlichen nationalen Feiertag im Mai als Grund für den Anstieg der Produktion im Juni im Vergleich zum Mai genannt hätten. Auch die Unternehmensinvestitionen stiegen um 3,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal an.
"Die Maßnahmen, die wir zur Bekämpfung der Inflation ergriffen haben, beginnen zu greifen, was bedeutet, dass wir eine solide Grundlage für das Wachstum der Wirtschaft schaffen", sagte Finanzminister Jeremy Hunt.
Inflation weiter auf hohem Niveau
Dennoch blieb das Land die einzige große fortgeschrittene Volkswirtschaft, die noch nicht wieder das Niveau von Ende 2019 erreicht hat, wie offizielle Daten am Freitag zeigten. Die britische Wirtschaft liegt nun im zweiten Quartal 0,2 Prozent unter dem Niveau von Ende 2019. In Deutschland liegt die Wirtschaftsleistung bereits 0,2 Prozent über dem Niveau von 2019, in Frankreich 1,7 Prozent, in Italien 2,2 Prozent und in den Vereinigten Staaten sogar 6,2 Prozent.
Denn noch immer leidet Großbritannien unter einer vergleichsweise hohen Teuerung. So war die Inflation im Vereinigten Königreich zwar im Juli zurückgegangen. Die Jahresinflationsrate lag jedoch mit 7,9 Prozent weiter merklich über den Niveaus der Eurozone und den USA. Trotz der Maßnahmen der Bank of England ist die Inflation von der Zielmarke von zwei Prozent noch weit entfernt.
Steigen die Zinsen weiter?
Die britische Notenbank hat Anfang des Monats den Leitzins erneut um einen Viertelprozentpunkt auf 5,25 Prozent angehoben. Es war die 14. Zinserhöhung seit Ende 2021. Seinerzeit hatte der Zins knapp über der Nulllinie gelegen. Im Moment rangiert der Leitzins auf dem höchsten Stand seit der Finanzkrise 2008. Das unerwartete Wachstum könnte den Grundstein für weitere Zinserhöhungen der Notenbank legen. Die Zentralbank selbst hatte für das zweite Quartal nur mit einem Wachstum von 0,1 Prozent gerechnet.
Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass der britischen Wirtschaft trotz der jüngsten Widerstandsfähigkeit schwierige Zeiten bevorstehen. "Da ein Großteil der Belastung durch höhere Zinssätze noch aussteht, bleiben wir bei unserer unter dem Konsens liegenden Prognose, dass das Vereinigte Königreich noch in diesem Jahr auf eine leichte Rezession zusteuert", so die Ökonomin Ruth Gregory von der Beratungsfirma Capital Economics.