Guy Singh-Watson Der Millionär, der mehr Steuern zahlen will
Er war Unternehmensberater, heute feiert er Erfolge mit Biogemüse: Der britische Multimillionär Singh-Watson sieht die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich mit Sorge. Er und weitere Reiche sagen: Wir wollen mehr Steuern zahlen.
Es gibt kein Land in Westeuropa, in dem die Schere zwischen Reich und Arm derart weit auseinanderklafft wie in Großbritannien. Selbst im idyllischen Devon an der Grenze zu Cornwall ist das so. Guy Singh-Watson gehört zu den oberen Zehntausend und will etwas tun gegen die wachsende Armut. Wir treffen den Multimillionär auf seiner Farm in Devon, der Landstrich, in dem er geboren wurde, und in den er nach einer kurzen Karriere als Unternehmensberater in London und New York zurückkehrte.
Singh-Watson zog es zurück, weil er sah, dass Geld allein nicht glücklich macht. Auf der Farm seiner Eltern experimentierte er mit dem biologischen Anbau von Gemüse. Und verdiente wenig später damit mehr, als er je gedacht hätte. Riverford Organics ist heute eine der größten organischen Farmen in Großbritannien - mit über 1.000 Mitarbeitern. Ein Riesen-Unternehmen, das Singh-Watson im Laufe der vergangenen Jahre für einen geringen Preis zu 100 Prozent an seine Mitarbeiter überschrieben hat.
Initiative mehrerer Millionäre
Die zunehmende Armut um ihn herum macht ihn wütend. Die jetzige britische Regierung tue nichts, um den Menschen zu helfen, die sich immer hoffnungsloser in Inflation und steigende Zinsen verstrickten. Singh-Watson will das ändern und würde dafür auch gern mehr Steuern zahlen. In seinem Büro zeigt er uns deshalb einen offenen Brief, den er gemeinsam mit 40 anderen Millionären an den britischen Premier Rishi Sunak geschrieben hat. Ihre Idee ist einfach: "Wenn man bei Multimillionären nur ein Prozent Steuern erheben würde, wäre das ein jährlicher Gewinn für die Steuerkasse von umgerechnet bis zu etwa 60 Milliarden Euro."
Eine Antwort aus der Downing Street bekamen sie nie, denn der britische Premierminister Sunak ist strikt gegen mehr Steuern, und ganz besonders gegen eine Vermögenssteuer. "Wir haben Sunak sogar eingeladen, bei unserem Verein mitzumachen, er ist ja selber Multimillionär, aber er war nicht interessiert.", erzählt uns Singh-Watson mit einem leicht sarkastischen Lächeln.
Keine Antwort auf offenen Brief
Wirklich erwartet hatte er eine Antwort auf den offenen Brief natürlich nicht. Und er kennt auch die Argumente, die von den Gegnern einer Vermögenssteuer regelmäßig kommen. Nämlich dass man so die Millionäre aus dem Land vertreibe, obwohl die ja aber diejenigen seien, die erst für Arbeitsplätze sorgen. Ein Argument, das er für blanken Unsinn hält. "Man muss sich nur ansehen, was in den letzten zehn Jahren in Großbritannien passiert ist. Tatsächlich sind die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher geworden. Das Geld fließt nicht nach unten ab, sondern immer nur nach oben. Es gibt einfach überhaupt keine Fakten, die das Gegenteil belegen."
De facto sind mehr als zwei Millionen Briten von Foodbanks, Einrichtungen ähnlich der Tafeln in Deutschland, abhängig. Ganz in der Nähe von Watsons Farm besuchen wir einen Umschlagplatz für Lebensmittel, die von hier aus bis in die letzten Ecken des englischen Südwestens gefahren werden. Aus diesem Lager allein, dem Watson regelmäßig Obst und Gemüse spendet, wurden in den vergangenen acht Monaten mehr als eine Million Mahlzeiten verteilt. Und es sind immer mehr ganz normale Familien, die Hilfe brauchen, um ihre Kinder ernähren zu können.
Singh-Watson sieht Demokratie in Gefahr
Eine Vermögenssteuer allein würde hier natürlich nicht ausreichen, sagt Singh-Watson. Zusätzlich müssten Steuerschlupflöcher geschlossen und die Kapitalertragssteuer erhöht werden. Und man solle ihm jetzt bloß nicht mit der Frage kommen, warum er nicht einfach einen Scheck an die Steuerbehörde schicke, wenn er sein Geld loswerden wolle.
"Es geht mir nicht darum, dass die Reichen großzügig Almosen verteilen sollen, sondern darum, dass eine staatliche Gesellschaft auf Dauer nicht ohne ein gerechtes Steuersystem existieren kann: Wenn die Regierung den Leuten weiter eine heile Welt vorspiegele, die es so schon lange nicht mehr gebe, erklärt Singh-Watson zum Abschied, dann zersetze das auf Dauer die Grundlage der britischen Demokratie.