FAQ zum Griechenland-Showdown Was nun, Herr Tsipras?
Im griechischen Schuldenstreit laufen die vielleicht entscheidenden Verhandlungen. Was will die EU? Was will Athen? Wie könnte ein Kompromiss aussehen? Und wie viel Zeit bleibt für eine Lösung? Tagesschau.de mit den Antworten.
Wie ist der Status Quo?
Nur noch zwei Wochen, dann läuft das internationale Hilfsprogramm für Griechenland aus. Wird es nicht verlängert, könnte der Athener Regierung das Geld ausgehen. Ein Staatsbankrott droht. Doch die öffentlichen Finanzen sind nicht das einzige Problem. Denn auch die griechischen Banken geraten zusehends unter Druck, weil immer mehr Sparer ihr Geld abziehen. De facto hängt die Finanzierung der Geldhäuser schon jetzt am Goodwill der Europäischen Zentralbank (EZB).
Was will die EU?
Die EU-Kommission und die Bundesregierung würde das Hilfsprogramm am liebsten verlängern. Denn dann bliebe Griechenland zunächst an die Auflagen von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) gebunden. In diesem Fall würden die Geldgeber die noch ausstehende Hilfstranche von 7,2 Milliarden Euro aus dem auslaufenden Rettungspaket freigeben - was den Beteiligten die Möglichkeit gäbe, bis zum Sommer eine neue Lösung suchen. Die neue griechische Regierung lehnt eine Verlängerung allerdings strikt ab. Schließlich hat sie den Wählern versprochen, das Hilfsprogramm und damit die Auflagen abzustreifen.
Was will Athen?
Finanzminister Yanis Varoufakis strebt eine Übergangsfinanzierung ohne Verlängerung des Hilfsprogramms an. Dazu will er drei Geldquellen anzapfen:
- Zehn Milliarden Euro soll die Emission kurzfristiger Staatsanleihen in die Kassen spülen. Das Problem: Weil internationale Investoren den Griechen nicht einmal mehr auf kurze Sicht Geld leihen, müssten die griechischen Banken einspringen. Für die lohnt sich der Kauf der "T-Bills" genannten Anleihen aber nur, wenn sie die Papiere im Tausch für frische Liquidität bei der EZB hinterlegen könnten. Die EZB verliert daran aber zusehends die Lust.
- Knapp elf Milliarden Euro sollen aus einem alten Hilfspaket für die griechischen Banken kommen. Das Problem: Die EU weigert sich, das Geld freizugeben.
- 1,8 Milliarden Euro verlangt Varoufakis direkt von der EZB - es ist der Gewinn, den die Notenbank in den vergangenen Jahren mit griechischen Staatsanleihen gemacht hat. Tatsächlich existiert eine Vereinbarung, derzufolge die EZB das Geld an die Athener Regierung überweisen soll. Allerdings stellt sich Brüssel auf die Position, dass auch diese Ausschüttung an eine Verlängerung des Hilfsprogramms geknüpft ist.
Wie viel Zeit bleibt noch für eine Lösung?
Die nächste große griechische Staatsanleihe wird erst im Juni fällig. Ursprünglich hatten alle Beteiligten gehofft, dass die Athener Regierung solange durchhalten könnte - notfalls auch ohne Hilfsprogramm. Der "Financial Times" zufolge schätzt die EU-Kommission die Lage inzwischen allerdings als deutlich prekärer ein. Das liege zum einen an den milliardenschweren Ausgaben, die Premier Alexis Tsipras plane, und zum anderen daran, dass die jüngsten Steuereinnahmen hinter den Erwartungen zurückgeblieben seien. Und nicht zu vergessen: Auch die Banken könnten zur Zeitbombe werden.
Wie könnte ein Kompromiss aussehen?
Bis zuletzt hat man in Brüssel gehofft, dass sich die Griechen auf eine Lösung einlassen, bei der sich die Zugeständnisse der EU größtenteils auf die semantische Ebene beschränken: Die in Athen verhasste "Troika" aus EU, EZB und IWF würde nicht mehr "Troika" genannt (sondern "Institution)", und von einer "Verlängerung" des Hilfsprogramms würde man nicht mehr sprechen - das Programm faktisch allerdings doch verlängern.
Diesen Kompromiss lehnt Tsipras aber offenkundig ab. Stattdessen geht es einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge nun darum, ein neues Hilfspaket auszuhandeln - unter mutmaßlich weniger harten Auflagen. Ob die "Institution" (also die bisherige "Troika") in diesem Fall aber die Resttranche von 7,2 Milliarden Euro freigeben würde, ist völlig unklar.
Was passiert, wenn sich die EU und Athen nicht einigen?
Finden Athen und die "Institution" in den nächsten Tagen keine Lösung, ist ein finanzieller Kollaps Griechenlands nicht mehr auszuschließen. Im Extremfall hieße das: Staatsbankrott, Bank-Run, Grexit.
Eine denkbare Alternative sähe so aus: Die internationalen Geldgeber helfen den Griechen, sich bis zum Sommer finanziell irgendwie durchzumogeln - und nutzen die Zeit, um trotz des Auslaufens des aktuellen Hilfsprogramms doch noch eine Einigung zu finden. Technisch ginge das womöglich über zusätzliche Kreditlinien des IWF. Parallel könnte die EZB versuchen, die griechischen Banken mit "ELA" genannten Notkrediten ("Emergengy Liquidity Assistance") am Leben zu halten.
In diese Richtung könnte auch ein "Moratorium" gehen, von dem verschiedene Medien am Montag berichteten. Demnach will sich die griechische Regierung angeblich verpflichten, ihre teuren Wahlversprechen für die nächsten Monate einzufrieren. Auch ein solcher Schritt könnte den angespannten Haushalt entlasten - was allen Beteiligten mehr Zeit gäbe.