Ein Sparkassenlogo spiegelt in einer Schaufensterscheibe.
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Kreditinstitute profitieren von Zinswende Der neue Boom der Sparkassen

Stand: 16.04.2024 11:17 Uhr

Die Sparkassen sind im Aufwind und machen satte Gewinne. Obwohl sie Sparern vergleichsweise magere Zinsen zahlen, ist die Treue der Kundschaft groß. Was erklärt den Erfolg?

Eine Analyse von Christof Dörr, HR

"Mein Haus, mein Auto, mein Boot! Meine Pferde! Meine Pferdepflegerinnen!" Die Sparkassen-Werbung aus den 1990er-Jahren, in der zwei Alpha-Männchen einen Kampf mit Statussymbolen austragen, ist fast sprichwörtlich geworden. Das Motto damals: Klotzen statt kleckern. Heute undenkbar.

Viele Jahre galten die Sparkassen vor allem bei denen, die auf dem Sprung ins Berufsleben standen, als Auslaufmodell. Die Filialen: Braucht man nicht. Die Digitalisierung: verschlafen. Die Produkte: angestaubt. Und jetzt? Die totgesagte Sparkasse ist wieder da, und zwar mit Macht. Um knapp 70 Prozent konnte der Sparkassenverband seinen Gewinn im Vergleich zum Vorjahr steigern. Wie konnte das gelingen?

Einfache Ansprechbarkeit als Argument

Ronia Herghiligin steht in einer Sparkassen-Filiale in Kassel. "Ich bin schon mein ganzes Leben hier Kundin. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich schon als kleines Kind immer mit meinen Spardosen zur Sparkasse gelaufen bin, und dann ging es weiter mit einem Taschengeldkonto und jetzt eben meinem Tagesgeldkonto", erzählt die 25-Jährige Studentin. "Ich bin geblieben, weil ich immer hier anrufen konnte, wenn ich ein Anliegen hatte, und es war immer jemand da, der recht schnell meine Frage klären konnte."

Aktuell plant sie ein Auslandssemester in San Diego und lässt sich von ihrem Berater in der Filiale wegen der Zahlungsmöglichkeiten in Amerika beraten. Viele ihrer Freunde haben Konten bei Direktbanken, für Ronia Herghiligin kommt das aber nicht in Frage: "Natürlich habe ich auch mal rumgeguckt, man kriegt ja überall die Werbung. Aber ich habe festgestellt, dass man gerade bei Onlinebanken immer warten muss, bis man Antworten bekommt, und das habe ich hier nicht."

Gewinn auf Kosten der Sparer?

Auch dank treuer Kundinnen wie Ronia Herghiligin sind die Geschäftszahlen des vergangenen Jahres herausragend gut. Lag der Überschuss im Jahr 2021 noch bei 9,7 Milliarden Euro, ging es 2022 auf 11,6 Milliarden rauf. 2023 ging es dann steil nach oben: 18,2 Milliarden Euro standen am Ende. Das vermeintliche Sparkassen-Wunder ist für Wirtschaftsprofessor Ralf Jasny aber keine Hexerei, sondern schlicht der Zinswende geschuldet - und der Tatsache, dass die Sparkassen die deutliche Zinserhöhung der europäischen Zentralbank nicht an ihre Kunden weitergeben.

"Man kann es so sehen, dass die Sparkassen ihren Gewinn auf Kosten ihrer Sparer machen, denn Kunden wie du und ich geben der Sparkasse Geld, und die verleiht das Geld an Leute, die Kredite brauchen oder legt es bei der Zentralbank an", erläutert Jasny. "Und wenn die Sparkasse ein halbes Prozent Zinsen für die Einlage zahlt und auf der anderen Seite vier Prozent oder mehr bekommt, dann hat man eine große Differenz dazwischen, und diese große Differenz sorgt dafür, dass das Ergebnis im letzten Jahr so sprunghaft nach oben gegangen ist."

Andere bieten höhere Zinsen

Die Zahlen des Vergleichsportals Verivox untermauern Jasnys Aussage: Im April 2023 lagen die durchschnittlichen Zinsen für Tagesgeldangebote bundesweit bei 0,9 Prozent, bei den Sparkassen waren es 0,2 Prozent. Ein halbes Jahr später, im Oktober, lagen sie bundesweit schon bei 1,5 Prozent. Die Sparkassen gaben 0,5 Prozent. Bis März 2024 ist das Zinsniveau bundesweit auf 1,8 Prozent geklettert, die Sparkassen geben gerade mal 0,6 Prozent an ihre Kunden weiter.

Angesichts dieser Zahlen hat der Wirtschaftsprofessor einen Rat: "Man sollte zumindest einmal im Jahr nachschauen, was man für einen Vertrag hat und vergleichen: Was bezahle ich wofür, und was kann ich möglicherweise als Alternative bekommen? Das ist nicht so wahnsinnig anstrengend, und wenn man das regelmäßig tut, kann man eine ganze Menge mehr an Zinserträgen für sein Erspartes realisieren."

Sicherheit in unsicheren Zeiten?

Sind die Sparer tatsächlich besser beraten, wenn sie sich auf die Produkte anderer Banken verlassen? Ingo Buchholz, der Obmann der hessischen Sparkassen, gibt zu, dass man von der Zinserhöhung profitiert habe, wehrt sich aber gegen die pauschale Kritik: "Diese Aussage ist falsch und bezieht sich offensichtlich auf Tagesgelder. Bei den Tagesgeldern handelt es sich nicht um eine klassische Anlageform, sondern eher um eine kurzfristige Aufbewahrungsform. Damit kann man nicht gegen die Preissteigerung ansparen."

Der Ansatz der Sparkassen sei ein anderer, so Buchholz: "Wir beraten unsere Kunden ganzheitlich und bieten ihnen passgenaue Angebote an, die sehr wohl das aktuelle Zinsniveau widerspiegeln." Vielleicht liegt es auch an den unsicheren Zeiten mit Krisen und Kriegen, dass Millionen Menschen den Sparkassen trotz des niedrigeren Zinsangebots vertrauen, denn auch bei den Girokonten konnten sie im vergangenen Jahr kräftig zulegen. Mit mehr als 36 Millionen stehen sie so gut da wie noch nie in ihrer Geschichte.