Wanderer gehen durch einen Wald.
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Outdoor-Trend Wandern im Sauerland statt Kurztrip nach London

Stand: 28.04.2024 08:29 Uhr

Während der Corona-Zeit entdeckten Hunderttausende Deutsche das Wandern für sich. Und viele sind dabeigeblieben. Der neue Volkssport schafft in ländlichen Regionen nicht wenige Jobs.

In den sozialen Medien begeistert der Hashtag #Wandern noch immer Millionen, Influencer befeuern den Hype täglich mit neuen Videos, in denen sie die schönsten Wanderwege Deutschlands zeigen. Fest steht: Das Wandern nach Corona ist definitiv nicht mit dem vor der Pandemie zu vergleichen.

Das zeigen auch die Zahlen: Repräsentativen Umfragen zufolge gingen 2017 insgesamt 400.000 Menschen mehrmals wöchentlich wandern. Während der Corona-Zeit ist diese Zahl dann hochgeschossen, 2020 waren es schon 600.000 und 2021 sogar 1,5 Millionen. Und heute?

"Waren gar nicht vorbereitet"

"Wander-Guru" Heinz-Dieter Quack veröffentlich jedes Jahr den Wandermonitor. Seine aktuellen Zahlen zeigen: Rund zwei Drittel der Corona-Neuzugängen sind wieder in Richtung Strand abgewandert.

"Aus wandertouristischer Sicht hätten wir uns natürlich gewünscht, dass mehr dabeigeblieben wären, aber ehrlicherweise waren wir auf den Ansturm infrastrukturell gar nicht vorbereitet", sagt Quack. "Wir hatten Überfüllungserscheinungen auf den Wanderwegen und deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass manche wieder zu ihrem klassischen Freizeitverhalten zurückgekehrt sind." Der Professor an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften ist froh, dass immerhin ein Drittel dabeigeblieben ist.

Wirtschaftsfaktor Wandern

Auch durch diesen Zuwachs ist Wandern ein großer Wirtschaftsfaktor geworden. Jährlich geben Wanderer 11,2 Milliarden Euro aus und schaffen vor allem in den ländlichen Regionen 144.000 Arbeitsplätze. Und noch ein weiterer Corona-Effekt sorgt für eine goldene Wanderzukunft.

"Da sind überdurchschnittlich viele jüngere Menschen - unter 30-Jährige - zum Wandern aufgebrochen, und viele davon sind geblieben", sagt Quack. "Und die, das finde ich extrem spannend, erleben das Wandern häufig als eine bewusst analoge Veranstaltung. Die legen dann auch noch viel Wert auf eine klassische, analoge Beschilderung und weniger auf eine digitale Routenführung, beispielsweise."

Handy-Fasten und Natur erleben

Handy aus, Naturerlebnis pur, ohne Dauerbeschallung, heißt es auch im hessischen Willingen im Rothaargebrige. Es ist Mitte April, kühl und regnerisch, trotzdem ist die sogenannte Dienstagsgruppe mit zwölf Wanderbegeisterten gut besucht. An schöneren Tagen sind bis zu 40 Leute dabei.

Anne Kampschäfer und Armin Schmalz haben sich beim Wandern kennen und lieben gelernt. Die Pandemie hat dann aus ihrem Hobby eine Leidenschaft gemacht. "Man konnte ja nicht viel anderes machen, als sich in der Natur zu bewegen, alles andere drumherum war geschlossen. Man vereinsamte ja fast, das war schon eine sehr traurige Zeit, durch die aber unsere Leidenschaft fürs Wandern gewachsen ist", sagt Armin Schmalz.

Seine Frau ergänzt: "Die ersten Jahre war ich hier in diesen Wäldern fast immer allein unterwegs. Es waren kaum Wanderer zu sehen, das hat sich seit Corona sehr verändert. Heute trifft man hier auch Werktags viele Wanderer."

"Corona hat uns den Push gebracht"

Tatsächlich ist die Zahl der Wandertouristen in Willingen steil bergauf gegangen. 2023 war das zweitbeste Jahr in der Geschichte des Ortes, man verzeichnete ein Plus von 13,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, sagt Tourismusdirektor Norbert Lopatta: "Corona hat uns den Push gebracht. Die Menschen haben entdeckt, dass man auch vor der eigenen Haustür was machen kann, Übernachten ging ja nicht, aus diesem Grund sind viele auf Tagestrips in die Mittelgebirge ausgewichen".

Angst davor, dass der Boom schon bald vorbei sein könnte, hat er nicht: "Ich bin mir sicher, dass wir zunehmend gewinnen werden an den Kurzreisen, wo man sagt, ich muss nicht mehr für viel Geld für zwei Tage nach London fliegen, sondern ich gönne mir für vier Tage das Sauerland, Willingen zum Beispiel."

Vergleichsweise günstiger Urlaub

Ein Vorteil des Wanderns: Verglichen mit anderen Urlaubsformen ist es relativ preiswert. Im Durchschnitt geben Wanderer in Deutschland pro Tag 57 Euro inklusive Übernachtung aus. Sommerurlaub im Süden kostet das Doppelte, Skiurlaub in den Bergen ist noch teurer.

Und Wandern bietet noch andere große Vorteile: "Ich finde das durchaus positiv, dass man immer wieder neue Gäste, neue Leute kennenlernt, sehr nette Gespräche hat und dadurch sich auch öffnet und viel erfährt. Das finde ich eher eine Bereicherung", erklären Teilnehmer der Dienstagsgruppe in Willingen. "Wir gucken viel Natur, erkennen alle Blumen und Blüten und jeder weiß irgendwas Neues. Das ist einfach Natur und schön."

Der Wandertourismus ist mittlerweile auf Platz vier der beliebtesten Urlaubsformen in Deutschland angekommen. Und es braucht auch niemand Angst davor zu haben, dass es irgendwann langweilig werden könnte: Nach Angaben des Verbands hat Deutschland etwa 200.000 Kilometer Wanderwege.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die Sendung mex im HR Fernsehen am 28. April 2024 um 16:15 Uhr.