Händler an der New York Stock Exchange.
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Neue Rezessionsängste US-Börsen auf großer Talfahrt

Stand: 02.08.2024 22:13 Uhr

Schwache Daten vom Arbeitsmarkt haben für einen Ausverkauf an der Wall Street gesorgt. Rezessionsängste verstärkten sich, zudem gerieten die großen Tech-Aktien unter Druck.

An der Wall Street hat die Angst vor einem Wirtschaftsabschwung die Talfahrt zum Wochenschluss beschleunigt. Ein überraschend langsamer Stellenaufbau und eine steigende Arbeitslosigkeit im Juli brachten das Thema Rezession zurück auf die Agenda. Auch Auftragseingänge der Industrie im Juni fielen schwach aus.

Die schwachen Wirtschaftsdaten zuletzt waren Wasser auf die Mühlen derjenigen die meinen, dass die Notenbank Federal Reserve zu lange an ihren hohen Zinsen festgehalten hat. Erst am Mittwoch hatte die Bank eine Zinssenkung im September in Aussicht gestellt. Bereits am Vortag hatten schwache Stimmungsdaten aus der Industrie den Ausverkauf am Aktienmarkt eingeleitet.

Zusätzlich verunsicherte die sich schneller drehende Eskalationsspirale im Nahen Osten sowie schwache Quartalsberichte aus dem Technologiesektor die Investoren.

Am Ende des Tages lagen alle großen Wall-Street-Indizes deutlich im Minus. Der Leitindex Dow Jones verlor 1,51 Prozent auf 39.737 Stellen und damit wieder unter 40.000 Punkten. Auch der marktbreite S&P-500-Index tendierte mit einem Minus von 1,84 Prozent auf 5.346 Punkte deutlich schwächer. Am stärksten verlor die Technologiebörse Nasdaq, die 2,43 Prozent abgab, der Auswahlindex Nasdaq 100 sackte um 2,38 Prozent ab. Die Schwäche der Wall Street zog heute breite Kreise, auch die europäischen Märkte tendierten zuvor schon deutlich schwächer.

"Schlechte Nachrichten sind jetzt wirklich schlechte Nachrichten", kommentierte Chef-Marktanalyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets. "Die Arbeitsmarktdaten schlagen genau in die Kerbe, die den Aktienmarkt in den letzten Handelstagen unter Druck setzte: die Angst vor einer Rezession der US-Wirtschaft im späteren Jahresverlauf."

Konkret sind im Juli am US-Arbeitsmarkt weitaus weniger Stellen geschaffen worden als gedacht. Es kamen nur 114.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu, wie aus dem am Nachmittag veröffentlichten Arbeitsmarktbericht der Regierung hervorgeht. Volkswirte hatten mit 175.000 gerechnet, nach abwärts revidiert 179.000 (ursprünglich 206.000) im Vormonat.

Die separat ermittelte Arbeitslosenquote stieg im Juli überraschend auf 4,3 Prozent. Ökonomen hatten erwartet, dass sie auf dem Vormonatswert von 4,1 Prozent verharren würde. Gleichzeitig hat sich die Lohnentwicklung abgeschwächt. Bei den Stundenlöhnen meldete das Ministerium im Monatsvergleich einen Anstieg um 0,2 Prozent. Analysten hatten einen Zuwachs um 0,3 Prozent erwartet. Die Lohnentwicklung gilt für die Fed als entscheidende Größe bei der Beurteilung der Inflationsentwicklung.

"Dies spricht dafür, dass sich die US-Notenbank künftig mehr um das Beschäftigungs- als um das Inflationsziel kümmern wird", sagten die Ökonomen der Commerzbank.

Ein Stellenzuwachs von rund 100.000 Jobs pro Monat gilt unter Experten als ausreichend, um die wachsende US-Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter mit Jobs zu versorgen. Was bedeutet, dass das Ziel der Fed erreicht wäre, die Wirtschaft zwar abzukühlen, aber nicht in eine Rezession abzugleiten.

"Die Anzahl der neu geschaffenen Stellen können Sorgen einer unmittelbar bevorstehenden Rezession zerstreuen, aber eine konjunkturelle Abkühlung andererseits nicht widerlegen. Der Jobaufbau bleibt noch auf vergleichsweise robustem Niveau, wenngleich der Arbeitsplatzaufbau nicht mehr an die Vormonate heranreicht", kommentierte Thomas Gitzel von der VP-Bank.

Gegenwind für die Street kam auch von den enttäuschenden Quartalszahlen des Chipriesen Intel sowie des Online-Händlers Amazon am Vorabend. Intel-Aktien brachen dramatisch um 26 Prozent ein, Amazon verloren im frühen Geschäft über zehn Prozent, am Ende waren es noch 8,78 Prozent.

Vor allem das Zahlenwerk von Intel schockte regelrecht, der Konzern will 15.000 Stellen streichen und stellt die Dividendenzahlungen ein.

Bei Amazon enttäuschte vor allem der Ausblick. Der weltgrößte Online-Händler stellte für das laufende Vierteljahr Erlöse zwischen 154 und 158,5 Milliarden Dollar in Aussicht. Analysten hatten im Schnitt mit einer Prognose von gut 158 Milliarden Dollar gerechnet.

Gegenwind für den heimischen Aktienmärkte kam heute vor allem aus den USA. Nachdem am Vortag bereits eine schwächere Industriestimmung in den USA für Rezessionsängste sorgte, ging es heute in gleichem Tenor weiter. Denn schwächer als erwartet ausgefallene Daten vom Arbeitsmarkt deuten zwar auf eine baldige Zinssenkung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) im September hin, schüren aber gleichzeitig Rezessionssorgen. Die schwachen Quartalsberichte aus dem US-Technologiesektor enttäuschten zudem auch die europäischen Anleger.

Damit ist der Themenwechsel an der Börse perfekt nachdem es zuvor Monate lang primär darum ging, wann die mächtige US-Notenbank Fed endlich die Zinswende einleitet. Hinzu kamen enttäuschend ausgefallene Quartalsbilanzen aus dem Tech-Sektor, Nicht zuletzt schürt auch die eskalierende Situation im Nahen Osten die Risikoaversion der Anleger.

Update Wirtschaft vom 02.08.2024

Samir Ibrahim, HR, Update Wirtschaft, 02.08.2024 09:00 Uhr

Dieses toxische US-Gemisch war heute schwer verdauliche Kost auch für den heimischen Aktienmarkt. Schwächere Konjunkturdaten aus Deutschland und dem Rest der Eurozone sind zwar schon länger nichts Besonderes mehr, wenn jetzt aber auch die US-Wirtschaft an Dynamik verliert, trüben sich die fundamentalen Perspektiven noch stärker ein.

Der DAX, der bereits gestern am Nachmittag seinen Kursrutsch ausweitete, blieb auch heute schwer unter Druck und fiel wieder unter die Marke von 18.000 Punkten. Am Ende brach der Index um 2,31 Prozent ein auf 17.661 Punkte.

Am Donnerstag hatte der deutsche Leitindex schon bei 18.083 Punkten nahe seines Tagestiefs geschlossen. Dabei hatte der DAX erst vorgestern im Hoch noch 18.564 Punkte erreicht. Auf Wochensicht ergibt sich nun ein deutlicher Verlust von 4,1 Prozent. Auch der europäische Auswahlindex EuroStoxx 50 geriet mit 2,6 Prozent unter Abgabedruck, ebenso wie andere europäische Handelsplätze. Der MDAX der mittelgroßen heimischen Werte verlor mit 2,15 Prozent ebenfalls deutlich.

Mehr und mehr könnte die bislang so günstige Prognose für die Aktienmärkte zur Makulatur werden. "Lange Zeit sah es so aus, als würde sich für Aktien ein goldenes Szenario einstellen: Die Konjunktur läuft und gleichzeitig senken die Notenbanken die Zinsen", so die Experten der Helaba. "Zuletzt haben sich die Zweifel daran verstärkt."

Der DAX ist auch aus technischer Perspektive nun deutlich angeschlagen - und die Situation könnte sich weiter zuspitzen. Nach dem Rutsch unter die Marke von 17.900 Punkten sieht Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets nun dynamisches Abwärtspotenzial bis zur Marke von 17.500 Punkten.

Beflügelt von der Aussicht auf sinkende US-Zinsen steigen im Gegenzug die Rentenmärkte. Die Rendite zehnjähriger US-Papiere fiel deutlich auf 3,85 Prozent, die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen sank auf 2,17 Prozent.

Nutznießer der aktuellen Fluchtbewegung an den Aktienmärkten könnte das Gold sein. Der Preis für die Feinunze Gold stieg zunächst um bis zu 0,9 Prozent auf 2.468 Dollar und näherte sich damit seinem Rekordhoch bei 2.484 Dollar wieder deutlich an. Zuletzt fiel Notierung aber wieder zurück.

Gold erhalte durch die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten Unterstützung, wodurch es von seiner Rolle als sicherer Hafen profitiere, erklärt Rohstoff-Experte Carsten Fritsch von der Commerzbank. Das gelbe Edelmetall hatte bereits in den vergangenen Tagen von den seit der Fed-Sitzung gestiegenen Zinssenkungserwartungen profitiert.

Der Euro gehört heute ebenfalls zu den Gewinnern der tektonischen Verschiebungen an den Kapitalmärkten. Die Gemeinschaftswährung legte kräftig zu und kostete zuletzt im US-Handel 1,0915 Dollar. Am Morgen wurde die Gemeinschaftswährung noch bei 1,0790 Dollar gehandelt und damit etwa auf dem gleichen Niveau wie am Vorabend. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0835 (Donnerstag: 1,0789) Dollar fest.

Der Energieriese RWE will sich nach einem Bericht des Branchendienstes "PeakLoad" an dem US-Versorger Calpine beteiligen. RWE sei an einem Anteil von bis zu 49 Prozent an dem US-Unternehmen interessiert, berichtete "PeakLoad". RWE hatte angekündigt, bis 2030 weltweit weltweit 55 Milliarden Euro in Erneuerbare Energien, Speichertechnologien, flexible Erzeugung und Wasserstoffprojekte investieren zu wollen.

Ein Einstieg bei Calpine könne dieses Investitionsprogramm voranbringen, berichtete der Energie-Fachdienst weiter. Calpine engagiert sich im Bereich der Erneuerbaren Energien. Calpine war vor sechs Jahren von Finanzinvestoren übernommen worden. Eine RWE-Sprecherin wollte den Bericht heute nicht kommentieren. RWE-Aktien gerieten unter Druck und verloren am Ende über sieben Prozent. Sie gehörten damit zu den größten Verlierern im DAX.

Im DAX rauschte auch die Aktie des Chipkonzerns Infineon in die Tiefe. Mit einem Minus von über fünf Prozent gehörte sie zu den größten Verlierern im deutschen Leitindex. Auch Papiere des Chipindustrie-Ausrüsters Aixtron und Nebenwerte wie Elmos Semiconductor und Kontron standen unter Druck. Hintergrund waren die mit Enttäuschung aufgenommenen Quartalszahlen des Halbleiter-Pioniers Intel.

Volkswagen-Markenchef Thomas Schäfer fordert angesichts gestiegener Kosten und des steigenden Anteils von Elektroautos verstärkte Sparmaßnahmen. "Wir müssen unsere Fixkosten noch weiter senken, um in diesem schwierigen Marktumfeld nachhaltig auf Kurs zu bleiben", sagte Schäfer bei der Vorlage der Geschäftszahlen zum ersten Halbjahr.

Der Internet-Anbieter United Internet reduziert seine Prognosen für das Gesamtjahr. Gründe dafür seien vor allem Nachwirkungen eines vorübergehenden Ausfalls des 1&1 Mobilfunknetzes Ende Mai sowie zusätzliche periodenfremde Aufwendungen für Nachberechnungen beim Netzausbau für 2022 und 2023, teilte das im MDAX gelistete Unternehmen am Abend mit. Erwartet werde im Gesamtjahr nun ein Umsatz von etwa 6,4 (bislang: 6,5) Milliarden Euro. Das Ergebnis (Ebitda) werde etwa 1,38 (1,42) Milliarden Euro betragen.

Im ersten Halbjahr sei die Zahl der kostenpflichtigen Kundenverträge um 330.000 auf 28,78 Millionen gestiegen, hieß es zudem. Der Umsatz sei nach vorläufigen Zahlen um 2,8 Prozent auf 3,0999 Milliarden Euro gestiegen. Ursächlich für den nur moderaten Umsatzanstieg seien vor allem die im Vergleich zum Vorjahr geringeren Hardware-Umsätze, vor allem mit Smartphones, sowie geringere Aftermarket-Umsätze. Das EBITDA sei im Halbjahr von 668,7 auf 662,3 Millionen Euro gesunken.

Im MDAX zählten Aktien von zu den größten Verlierern. Mit einem Minus von über vier Prozent fielen sie auf den tiefsten Stand seit November. Zuvor hatte die britische Investmentbank Barclays die Bewertung der Papiere mit "Underweight" aufgenommen. Analyst James Rowland Clark favorisiert die britische Firma Jet2.

Fußball-Nationalspieler Niclas Füllkrug soll Medienberichten zufolge kurz vor einem Wechsel von SDAX-Mitglied Borussia Dortmund nach England zu West Ham United stehen. Die Gerüchte verdichteten sich am Abend. Der Londoner Club und der BVB sollen zu einer Einigung gekommen sein, berichtete der Bezahlsender Sky. Zuletzt waren auch Atlético Madrid und die AC Mailand als Interessenten genannt worden.

Der neue BVB-Trainer Nuri Sahin hatte eigentlich deutlich gemacht, dass Füllkrug eine zentrale Rolle in seinen Planungen spiele. Allerdings hatten die Dortmund in diesem Sommer auch Serhou Guirassy vom VfB Stuttgart verpflichtet, der wie Füllkrug im Sturmzentrum spielt.

Apple hat im vergangenen Quartal etwas weniger Geld mit seinen iPhones gemacht - doch die iPad-Tablets konnten diese Lücke mehr als ausfüllen. Der Konzernumsatz stieg im Jahresvergleich um fünf Prozent auf 85,5 Milliarden Dollar. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von rund 21,5 Milliarden Dollar in den Büchern - rund acht Prozent mehr als vor einem Jahr. Gegen den Trend stieg die Aktie um 0,7 Prozent auf 219,86 Dollar.

Nintendo kämpft mit sinkenden Umsätzen seiner in die Jahre gekommenen Spielkonsole Switch. Die Japaner wollen im laufenden Jahr ein Nachfolgemodell ankündigen, deshalb halten sich Kunden mit Käufen der acht Jahre alten Version der Konsole zurück. Der Absatz brach um etwa die Hälfte ein auf 2,1 Millionen Stück. Das operative Ergebnis fiel um 71 Prozent auf 54,5 Milliarden Yen (338 Millionen Euro).

Der französische Übernahmemarkt kommt in Schwung: Die Bank BNP Paribas befindet sich eigenen Angaben zufolge in Gesprächen mit der AXA-Investmenttochter AXA IM, um diese für 5,1 Milliarden Euro zu schlucken. Das neue Unternehmen würde Vermögenswerte von etwa 1,5 Billionen Euro verwalten und damit zu einem der führenden Vermögensverwalter Europas aufsteigen. AXA-Aktien legten in Paris gegen den Trend zu.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 02. August 2024 um 09:00 Uhr.