Händler an der New Yorker Börse
Marktbericht

Wall Street fällt zurück Risikofreude flaut ab

Stand: 18.07.2022 22:12 Uhr

Am Ende schwanden der Wall Street dann doch die Kräfte. Zu groß sind die Unsicherheiten vor den Zinssitzungen der großen Notenbanken. Am deutschen Markt hatte es noch ein deutliches Plus gegeben.

Das war's mit der Erholung. Nach einem Auftaktplus von mehr als einem Prozent musste der Dow Jones im Verlauf dem schwierigen Umfeld Tribut zollen und driftete schließlich sogar ins Minus. Zu Handelsschluss notierte der Leitindex 0,7 Prozent tiefer. Am Freitag hatte der Dow Jones dank robuster Konjunkturdaten eine fünftägige Verlustserie beendet und sein Wochenminus fast noch wettgemacht.

Zuletzt hatten sich mehrere führende US-Notenbanker skeptisch über eine mögliche Zinserhöhung um einen vollen Prozentpunkt geäußert. Die Mehrheit der Marktteilnehmer erwartet von der Fed-Sitzung in der kommenden Woche nun wieder einen Zinsschritt von "nur" 75 Basispunkten. Dennoch bleibt das Szenario stark steigender Zinsen intakt, was auch die Technologietitel wieder zurückfallen ließ. Der Technologieindex Nasdaq 100 ging 0,9 Prozent tiefer aus dem Handel.

Der deutsche Aktienmarkt konnte noch an seine Erholung vom Freitag anknüpfen. Doch allzu weit wollten sich die Investoren auch hier nicht aus dem Fenster lehnen: Nachdem der DAX zeitweise bis zu 1,5 Prozent auf 13.062 Punkte zugelegt hatte, blieb ihm am Ende ein deutlich bescheideneres Plus von 0,74 Prozent.

Im derzeit schwierigen Umfeld schienen die Marktakteure zunächst weiterhin bereit, wieder höhere Risiken in Kauf zu nehmen. Diese so genannte "Risk on"-Positionierung zeigte sich auch an den Öl- und Kryptomärkten. "Sichere Häfen" wie der US-Dollar hatten das Nachsehen.

Vor dem Zinsentscheid der EZB am Donnerstag könnte die Nervosität wieder zunehmen. Dass die Europäische Zentralbank auf ihrer Ratssitzung erstmals seit neun Jahren den Leitzins um mindestens 25 Basispunkte erhöht, gilt aus ausgemacht. Unsicherheiten gibt es bezüglich des neuen Anti-Fragmentierungsinstruments, das die Notenbank am Donnerstag vorstellen möchte. Die EZB möchte damit die Ausweitung der Renditedifferenzen zwischen den Staatsanleihen der verschiedenen Länder der Eurozone bekämpfen.

Doch am Donnerstag findet nicht nur die EZB-Sitzung statt, an diesem Tag sollen auch die Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1 beendet werden. Sollten die Gasflüsse nicht wieder aufgenommen werden, könnte die Bärenmarktrally des Euro und der europäischen Aktien genauso verpuffen wie die Pipeline-Flüsse, warnte Jeffrey Halley, Analyst beim Devisenbroker Oanda.

Sollte Russland die Gaslieferungen als Vergeltung für die Sanktionen des Westens einstellen, würde das Deutschland und den Rest Europas in eine Rezession stürzen, sind Ökonomen überzeugt.

Der sichere Hafen US-Dollar war zu Wochenbeginn nicht gesucht. Der Greenback gab zu wichtigen Währungen wie Yen und Schweizer Franken nach. Parallel dazu stieg der Euro bis zum Abend um 0,5 Prozent auf 1,0150 Dollar. Die Marke von 1,00 Dollar fungiere derzeit als wichtige Unterstützung für den Euro, betont Marktexperte Robert Rethfeld. Anleger bleiben aber wegen der ungewissen Zukunft der Nord-Stream-1-Pipeline nervös.

Die Ölpreise sind weiter auf dem Vormarsch. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuert sich bis zum späten Abend auf 105,65 Dollar pro Barrel. Neben der nachlassenden Risikoaversion der Anleger befeuerte auch das Bekenntnis des chinesischen Notenbankchefs Yi Gang zu zusätzlichen Konjunkturhilfen die Nachfrage. Zudem macht der schwächere Dollar Öl für Abnehmer außerhalb des Dollarraums günstiger und stützt so den Preis für das "Schwarze Gold".

Der Goldpreis konnte seine Anfangsgewinne nicht halten. Der Preis für eine Feinunze verharrte am Abend nahe seines Freitagsstandes bei 1708 Dollar. In der vergangenen Woche war das gelbe Edelmetall zeitweise unter die Marke von 1700 Dollar gerutscht. In der Sechs-Monats-Perspektive beläuft sich das Minus auf rund sechs Prozent.

Besonders die Bilanz von Goldman Sachs beflügelte den Handelsstart der Wall Street. Die Investmentbank verdiente im zweiten Quartal unter dem Strich 2,9 Milliarden Dollar und damit 47 Prozent weniger als vor einem Jahr. Der Flaute im Investmentbanking und der höheren Kreditvorsorge stand ein boomendes Wertpapierhandelsgeschäft gegenüber. Goldman-Vorstandschef David Solomon sprach von "soliden Ergebnissen". Analysten hatten im Schnitt mit deutlich schwächeren Zahlen gerechnet. Außerdem kündigte Goldman Sachs eine Erhöhung der Quartalsdividende von 2,00 auf 2,50 Dollar pro Aktie an.

Auch bei den Zahlen der Bank of America setzte sich eine positive Lesart durch. Hier ließen höhere Rücklagen für faule Kredite und Rechtskosten den Gewinn im Jahresvergleich um 33 Prozent auf 6,2 Milliarden Dollar sinken. Dabei stiegen die Erträge um sechs Prozent auf 22,7 Milliarden Dollar. Doch starke Zuwächse in einigen Geschäftsbereichen wie dem Handel mit Wertpapieren konnten höhere Kosten nicht ausgleichen.

General Motors will mit E-Autos im großen Stil auf den europäischen Markt zurückkehren, den es 2017 mit dem Verkauf von Opel verlassen hatte. "Alles, was ich Ihnen sagen kann ist, dass es eine riesige Wachstumschance für das Unternehmen ist, und wir sind begeistert, zurück zu sein", erklärte GM-Chefin Mary Barra der Nachrichtenagentur AP. Die Vorstandsvorsitzende bekräftigte ihre Zielvorgabe, bereits zur Mitte dieses Jahrzehnts mehr Elektrofahrzeuge in den USA zu verkaufen als der derzeitige Marktführer Tesla. GM hat im vergangenen Jahr 25.000 E-Autos in den USA verkauft, Tesla 325.000.

Der durch die Gaskrise angeschlagene Versorger Uniper greift auf einen milliardenschweren Kredit der staatseigenen Förderbank KfW zurück. "Uniper hat heute die bestehende KfW-Kreditfazilität in Höhe von zwei Milliarden Euro in Anspruch genommen und damit die Fazilität vollständig ausgeschöpft", teilte der Konzern mit. Wie lange die Gelder reichen, hängt einem Uniper-Sprecher zufolge von der weiteren Entwicklung des Gasmarktes ab.

Ein Oberleitungsschaden bei der Bahn hat die Produktion im größten europäischen BMW-Werk in Dingolfing lahmgelegt. Heute fielen in beiden Montagehallen sowohl Früh- als auch Spätschicht aus, wie ein Sprecher sagte. Mehrere Tausend Mitarbeiter waren davon betroffen, rund 1600 Autos konnten zunächst nicht gebaut werden. Wegen des Oberleitungsschadens können fertige Autos aus Dingolfing nicht abtransportiert werden. Für die weitere Produktion fehlt BMW schlicht der Platz.

Der VW-Konzern sieht in Autos mit Verbrennungsmotor mittelfristig keine kostengünstige Alternative mehr zu Elektroautos. Der neue Chef der Marke Volkswagen, Thomas Schäfer, erwartet deutlich steigende Fahrzeugpreise durch die geplante EU-Abgasnorm Euro 7. Verbrennerfahrzeuge würden durch die aufwändigere Abgasreinigung um jeweils 3000 bis 5000 Euro teurer, sagte er der "Welt am Sonntag". Der DAX-Titel war heute aber wegen der Renditeziele seiner Sportwagentochter Porsche AG (nicht zu verwechseln mit der Konzern-Holding Porsche SE) gefragt. Die Porsche AG, die noch in diesem Jahr wieder an die Börse gebracht werden soll, will in den kommenden Jahren ihre Profitabilität deutlich steigern und strebt langfristig ein operatives Ergebnis von 20 Prozent des Umsatzes an. Im vergangenen Jahr hatte die Marge bei überdurchschnittlichen 16 Prozent gelegen. Mittelfristig will Porsche über die kommenden Jahre den Umsatz um jährlich durchschnittlich sieben bis acht Prozent steigern und 17 bis 19 Prozent Marge erzielen.

Ab heute präsentieren Hersteller wie Airbus und Boeing im britischen Farnborough südwestlich von London ihre Produkte und buhlen um Bestellungen. Bei der ersten großen Luftfahrtmesse seit der Corona-Pandemie erwarten Experten kein ganz so großes Auftragsfeuerwerk wie vor der Krise. In Farnborough könnte sich zeigen, wie sich der von vielen Problemen gebeutelte US-Konzern Boeing gegenüber dem inzwischen weltgrößten Flugzeugbauer Airbus aus Europa schlägt. Zum Start der Messe haben die Flugzeugbauer und Fluggesellschaften ihre Bemühungen gegen den Klimawandel mit neuen Vereinbarungen zu untermauern versucht.

Der Autokonzern Stellantis hat die geplante Mehrheitsübernahme eines chinesischen Gemeinschaftsunternehmens für die lokale Jeep-Produktion abgeblasen. Weil es mit dem Vorhaben nicht voranging, beendet der Opel-Mutterkonzern das Joint Venture mit dem chinesischen Partner GAC und will die Marke Jeep künftig nur noch in die Volksrepublik importieren. Der Schritt wird die Stellantis-Bilanz des ersten Halbjahres mit rund 297 Millionen Euro an Sonderkosten belasten.

Der Modekonzern Hennes & Mauritz (H&M) zieht sich aus Russland zurück. In der aktuellen Situation sehe sie es als "unmöglich" an, das Geschäft in Russland weiterzuführen, sagte H&M-Chefin Helena Helmersson. Das Management erwartet, dass der gesamte Abwicklungsprozess einmalige Kosten in Höhe von rund zwei Milliarden schwedischen Kronen (190 Millionen Euro) verursacht.

Das Börsendebüt von Haleon war für die Eigner des Anbieters von "Voltaren"-Salbe ein schmerzhaftes Erlebnis. Die Aktien pendelten in London um ihren Eröffnungskurs von 330 Pence. Damit wurde die Konsumgütersparte des Pharmakonzerns GlaxoSmithKline mit umgerechnet insgesamt 36,5 Milliarden Euro bewertet. Analysten hatten Haleon einen Börsenwert von bis zu 56,5 Milliarden Euro zugetraut.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 18. Juli 2022 um 22:10 Uhr.