Auf dem Weg zum Rekordhoch Gold glänzt wieder - nur wie lange noch?
Es fehlt nicht mehr viel, dann hat Gold sein Rekordhoch aus dem Corona-Jahr 2020 eingestellt. Doch der Aufwärtstrend bei dem gelben Edelmetall steht auf einem wackligen Fundament.
Gold schnuppert wieder Höhenluft, das gelbe Edelmetall ist so gefragt wie lange nicht mehr. Allein seit Jahresbeginn ist es rund zwölf Prozent teurer geworden. Damit führt Gold die Gewinnerliste bei den Edelmetallen mit großem Abstand an. Selbst bis zum Rekordhoch von 2075 Dollar aus dem Jahr 2020 fehlt nicht mehr viel. Aus technischer Perspektive spricht viel für einen weiteren Anstieg, hat der Goldpreis doch zuletzt eine Serie steigender Hoch- und Tiefpunkte ausgebildet. Der Aufwärtstrend ist also intakt.
Auch viele Marktbeobachterinnen und Marktbeobachter halten einen baldigen Test des Rekordhochs für möglich. So unterstreicht Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest: "Die Spekulation in Gold hat noch Luft nach oben." In den kommenden Wochen könne sich ein Spekulationshoch ausbilden, so der Experte. Und auch Jürgen Molnar sieht noch Chancen für Gold-Fans: Das Edelmetall könne in den kommenden Wochen in neue Höhen katapultiert werden, erklärt der Kapitalmarktstratege des Online-Brokers RoboMarkets.
Gold und das Image des "sicheren Hafens"
Doch warum ist Gold ausgerechnet jetzt bei Anlegerinnen und Anlegern so gefragt? Gerne verweisen Marktbeobachter auf das Image von Gold als "sicherer Hafen", wenn die Nachfrage nach dem Edelmetall steigt. Gerade zu Zeiten der Bankenturbulenzen im März war dieser Effekt auch deutlich sichtbar gewesen. Anlegerinnen und Anleger flohen raus aus riskanten Anlagen wie Aktien und rein in Gold.
Doch in den vergangenen Tagen und Wochen standen derartige Fluchtgedanken an den Finanzmärkten weniger im Vordergrund - das zeigt auch ein Blick auf die steigenden Aktienkurse: So hat etwa der DAX jüngst ein neues Hoch seit Januar 2022 markiert und sogar sein Allzeithoch oberhalb von 16.000 Punkten wieder ins Auge gefasst.
US-Konjunkturdaten drücken Zinserwartungen
Wieso also steigt Gold - trotz der gesunkenen Risikoaversion der Anlegerinnen und Anleger? Antwort gibt ein Blick auf das Fed Watch Tool der CME Group: Demnach steht die US-Notenbank Fed kurz vor dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus. Der Markt preist derzeit nur noch einen kleinen Zinsschritt um 25 Basispunkte ein - auf dann 5,0 bis 5,25 Prozent. Bereits für Juli ist demnach die erste Zinssenkung zu erwarten. Gegen Ende des Jahres dürfte der US-Leitzins dann wieder deutlich tiefer stehen.
Getrieben werden diese Zinshoffnungen von den jüngsten Konjunkturdaten aus den Vereinigten Staaten. So hatte es zuletzt Anzeichen für eine Abkühlung des heiß gelaufenen US-Arbeitsmarkts gegeben. Zudem waren die US-Erzeugerpreise, ein wichtiger vorlaufender Indikator für die Verbraucherpreise, im März nur noch um 2,7 Prozent binnen Jahresfrist gestiegen - und damit deutlich langsamer als erwartet.
Schwacher Dollar facht Goldnachfrage an
Die dadurch angefachten Diskussionen über eine Lockerung der restriktiven Geldpolitik stärken dem Goldpreis gleich doppelt den Rücken. Erstens profitiert Gold von den sinkenden Zinserwartungen in den USA, weil dadurch sein großes Manko weniger stark ins Gewicht fällt: Das gelbe Edelmetall wirft nämlich selbst keine Zinsen ab. Stagnieren oder sinken gar die Marktzinsen, so wird Gold attraktiver.
Zweitens profitiert Gold auch über einen starken Deviseneffekt von den nachlassenden Zinsspekulationen in den USA, denn das Edelmetall wird in Dollar gehandelt. Die Aussicht auf eine weniger restriktive US-Geldpolitik belastet den Dollar-Kurs gegenüber anderen Währungen. Fällt aber der Dollar, so drückt das den Goldpreis im Nicht-Dollar-Raum, was wiederum die Goldnachfrage steigen lässt.
Die Folgen der wieder steigenden Ölpreise
Doch steht die US-Notenbank wirklich kurz vor dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus? Oder machen am Ende die Mächtigen des Ölkartells OPEC+ den Gold-Bullen einen Strich durch die Rechnung? Seit der Ankündigung der OPEC+, die Förderung ab Mai zu drosseln, haben die Ölpreise wieder deutlich angezogen. Die Energiepreise gelten als wichtiger Treiber der Verbraucherpreise. So wies James Bullard, der Präsident der Fed von St. Louis, bereits darauf hin, dass sich ein Teil des Ölpreisanstiegs in der Inflation widerspiegeln und so die Arbeit der Fed erschweren könnte.
Hinzu kommt: Die Spekulationen der Märkte auf Zinssenkungen werden auch von Fed-Chef Jerome Powell nicht gedeckt. Dieser habe immer wieder erklärt, dass der finale Zinssatz, sobald er einmal erreicht ist, für einen langen Zeitraum beibehalten wird, betont Marktanalyst Konstantin Oldenburger vom Broker CMC Markets.
Sinkende Goldkurse bis Jahresende?
Die Experten des deutschen Vermögensverwalters DWS rechnen daher erst im zweiten Quartal des kommenden Jahres mit ersten Zinssenkungen. "Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht vorbei, die US-Notenbank dürfte ihre restriktive Geldpolitik noch eine Zeit lang fortsetzen."
Die Rohstoffanalysten der Commerzbank, Carsten Fritsch und Thu Lan Nguyen, sehen dies ähnlich und sind daher skeptisch, was die weiteren Perspektiven des Goldpreises anbelangt; sie rechnen mit einer "neuerlichen Abwärtskorrektur". Die jüngste Kurserholung sei nicht nachhaltig, vielmehr dürfte der Goldpreis bis Jahresende auf 1900 Dollar je Feinunze zurückfallen.
Unterm Strich sind somit gehörige Zweifel an der aktuellen Hoffnungen auf eine deutlich lockerere Geldpolitik der US-Notenbank angebracht. Die Spekulation auf sinkende Zinsen im Jahresverlauf könnte sich als Irrweg erweisen. Damit würde aber auch die Basis für einen nachhaltigen Anstieg des Goldpreises wegbrechen.