Goldbarren und Goldmünzen in unterschiedlicher Größe beim Edelmetallhändler Pro Aurum.
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Rekordhoch im Visier Das steckt hinter dem Run aufs Gold

Stand: 02.11.2023 08:19 Uhr

Gold notiert wieder bei 2.000 Dollar, sogar ein Rekordhoch rückt laut Experten in Reichweite. Ist das nur eine Flucht in sichere Häfen im Zuge des Gaza-Kriegs - oder steckt da mehr dahinter?

Von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Erstmals seit Mai notiert die Feinunze Gold wieder bei rund 2.000 Dollar. Zwar ist die psychologisch wichtige Marke noch nicht nachhaltig überwunden, doch laut Experten ist dies womöglich nur noch eine Frage der Zeit. Allein seit dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel Anfang Oktober ist der Goldpreis um rund 170 Dollar gestiegen.

Doch ob dahinter wirklich in erster Linie eine Flucht in "sichere Häfen" im Zuge des Gaza-Kriegs steckt, darf hinterfragt werden. Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest verweist im Gespräch mit tagesschau.de auf den Ölpreis, der zuletzt eher gesunken ist. "Das passt nicht in ein von Nahost-Ängsten geprägtes Szenario und zu einer Flucht in Gold."

Ist Gold überhaupt ein "sicherer Hafen"?

Im Falle einer Ausdehnung des Gaza-Kriegs auf andere Länder im Nahen Osten rechnen etwa die Experten von Bloomberg Economics, aber auch der Chefvolkswirt der Beratung EY mit einem Ölpreisanstieg auf 150 Dollar. Von einer Entwicklung in diese Richtung ist am Markt aber derzeit nichts zu sehen. Tatsächlich rangiert der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent aktuell bei rund 86 Dollar, nachdem er im September noch auf knapp 96 Dollar gestiegen war.

Ohnehin sei das Image von Gold als "sicherer Hafen" nicht immer richtig, so Rethfeld. "Es ist vielmehr so, dass der Goldpreis in Rezessionen fallen kann." Das sei etwa 2007 der Fall gewesen. Auch in einigen Abwärtssituationen wie etwa während der Corona-Pandemie im März 2020 habe Gold als sicherer Hafen versagt.

Zentralbanken fragen massiv Gold nach

Was steckt also hinter dem Anstieg des Goldpreises? Der World Gold Council verweist auf die historisch starken Käufe der Zentralbanken weltweit. Danach lag die Nachfrage der Notenbanken in den neun Monaten seit Jahresbeginn bei 800 Tonnen Gold - 14 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum und ein Rekord.

"Mit Blick auf die Zukunft und den ansteigenden geopolitischen Spannungen sowie in Erwartung weiterer stabiler Käufe durch die Zentralbanken könnte die Goldnachfrage eine positive Überraschung liefern", erklärt Louise Street, Marktanalystin des World Gold Council.

Entspannungssignale vom Devisen- und Anleihemarkt

Da das gelbe Edelmetall in Dollar gehandelt wird, sind auch die Entwicklungen am Devisenmarkt zentral für den Goldpreis. Steigt der Dollar, verteuert das Gold in den Nicht-Dollar-Ländern und schwächt so die Nachfrage. Seit Anfang Oktober hatte der Druck vom Devisenmarkt jedoch merklich nachgelassen: "Zuletzt kam dem Goldpreis auch der stagnierende US-Dollar zugute", betont denn auch Wellenreiter-Experte Rethfeld. "Das lässt Gold wieder etwas Luft zum Atmen."

Entspannungssignale für den Goldpreis kämen überdies vom Anleihemarkt, so Rethfeld. "Bei der Rendite der zehnjährigen US-Anleihen zeichnet sich eine Seitwärtsbewegung bei beziehungsweise unterhalb der Fünf-Prozent-Marke ab."

Zwar gab es zuletzt immer wieder Spekulationen, die US-Notenbank Federal Reserve könnte zu weiteren Zinserhöhungen gezwungen sein. Schließlich zeigte sich die US-Wirtschaft weitaus resilienter als bislang angenommen. So war das Bruttoinlandsprodukt der USA im dritten Quartal um überraschend starke 4,9 Prozent gewachsen. Das hatte am Markt kurzzeitig neue Inflationsängste geschürt.

Gold zahlt keine Zinsen

Marktexperte Rethfeld rechnet im vierten Quartal allerdings mit einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums im Vergleich zum dritten Quartal. Zudem dürften die USA wegen der zuletzt starken Steuereinnahmen zum Jahresende hin weniger Staatsanleihen begeben. "Entsprechend sollten die Zinsen eher seitwärts gehen oder leicht rückläufig sein, also zumindest nicht durch die Decke gehen."

Die Entwicklungen am Anleihemarkt sind für den Goldpreis deshalb so wichtig, weil Gold selbst keine Dividende oder Zinsen zahlt. Steigende Zinsen machen somit eine Anlage in Gold weniger attraktiv. Relevant ist dabei der Realzins - also der Nominalzins abzüglich der Inflation.

Gold hat Chance auf neues Rekordhoch

Wie sind nun die weiteren Perspektiven für das Edelmetall? Vor allem aus charttechnischer Perspektive hat Gold noch weiter Luft nach oben, der Aufwärtstrend ist intakt. "Gold bewegt sich seit Mitte 2020 in einer engen Spanne. Aus charttechnischer Sicht stehen nun die Chancen für einen nachhaltigen Ausbruch über die 2.000-Dollar-Marke gut", erklärt Rethfeld. Im Anschluss könne der Goldpreis bis auf 2.300 Dollar steigen."

Damit würde Gold sein Rekordhoch bei 2.072 Dollar knacken. Eine Steilvorlage für eine neue Bestmarke in Dollar kommt dabei vom Goldpreis in Euro. Dieser hatte in der vergangenen Woche mit 1.902 Euro je Feinunze sein altes Allzeithoch vom März 2022 hinter sich gelassen - und damit ein charttechnisches Ausrufezeichen gesetzt.

Inflationsbereinigt haben Aktien die Nase klar vorn

"Inflationsbereinigt läge Gold allerdings selbst bei einem Anstieg auf 2.300 Dollar noch bei seinem Hoch von 1980", gibt Rethfeld zu bedenken. "Das ist eine Barriere, die Gold vorerst nicht durchstoßen wird." Zur bitteren Wahrheit für Gold-Liebhaber gehört somit auch: "Wer 1980 als US-Anleger in Gold investierte, hat seither - US-Inflationsbereinigt - keinen Gewinn erzielt."

Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum hat der US-Aktienindex Dow Jones inflationsbereinigt um über 900 Prozent zulegen können. Damit dürfte dann auch klar sein, welche Anlageklasse das Prädikat "sicherer Hafen" wirklich verdient hat.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 02. November 2023 um 09:00 Uhr.