Dritte Zinspause in Folge EZB rüttelt nicht an den Leitzinsen
Die Europäische Zentralbank verändert ihre geldpolitische Ausrichtung vorerst nicht. Wie erwartet belässt sie den Leitzins zum dritten Mal in Folge auf dem aktuellen Niveau von 4,5 Prozent.
Trotz der anhaltenden Konjunkturflaute und eines abebbenden Preisschubs haben die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) auf ihrer ersten geldpolitischen Sitzung die Zinsen im Euroraum erneut unverändert gelassen. Im EZB-Rat sei man sich einig gewesen, "dass es verfrüht ist, über Zinssenkungen zu diskutieren", sagte Präsidentin Christine Lagarde nach den Beratungen in Frankfurt. Experten hatten die Zinspause im Schnitt erwartet.
Dritte Zinspause in Folge
Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten und der die Sparzinsen für Verbraucher bestimmt, bleibt damit auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent. Der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich die Banken frisches Geld besorgen können, liegt 0,5 Prozentpunkte darüber.
Die EZB hatte im Kampf gegen die hohe Inflation seit Sommer 2022 zehnmal in Serie die Zinsen angehoben. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und dadurch Preissteigerungsraten dämpfen kann. Teurere Kredite sind allerdings zugleich eine Last für die Wirtschaft, weil sich kreditfinanzierte Investitionen verteuern.
Mit Blick auf sinkende Teuerungsraten hatte die EZB im Oktober und Dezember schließlich die Füße stillgehalten und ein länger währendes Zinsplateau in Aussicht gestellt. Im Dezember lag die Inflation bei 2,9 Prozent - noch im Herbst 2022 war die Teuerung zeitweise auf über zehn Prozent geklettert.
EZB lässt sich nicht von Markterwartungen treiben
Schon seit längerem wird an den Finanzmärkten deshalb und wegen der mauen Wirtschaftslage auf deutliche Zinssenkungen in diesem Jahr spekuliert. "Natürlich spricht die schlechte konjunkturelle Lage der Eurozone eigentlich für eine rasche Zinssenkung", betonte auch Friedrich Heinemann vom ZEW-Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Doch der EU-Vertrag sei bei solchen Zielkonflikten eindeutig: Preisstabilität habe Vorrang.
Und die Inflation ist noch nicht besiegt. Im Dezember beschleunigte sich der Preisauftrieb im Euroraum wieder: So lagen die Verbraucherpreise nach vorläufigen Daten um 2,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats nach 2,4 Prozent im November. Die Kernteuerung ohne schwankungsanfällige Preise für Energie und Nahrungsmittel sank im Dezember von 3,6 Prozent auf 3,4 Prozent.
Es sei insgesamt zu früh, "einen Sieg über die Teuerung zu verkünden", kommentierte die Hauptgeschäftsführerin des Bankenverbandes VÖB, Iris Bethge-Krauß. "Zinssenkungen passen nicht in ein Umfeld, das von Ungewissheiten mit Blick auf die Lieferketten sowie die Lohnentwicklung in den Unternehmen geprägt ist."
Zeitpunkt der Zinswende unklar
Wann die Zinswende in der Eurozone nun kommt, bleibt weiter ungewiss. Unter den Währungshütern herrsche Konsens darüber, dass der geldpolitische Kurs weiter an Daten und nicht am Kalender auszurichten sei, sagte EZB-Präsidentin Lagarde auf die Frage, ob Zinssenkungen im März oder April vom Tisch seien. "Wir haben unsere Abhängigkeit von den Daten bestätigt", fügte sie hinzu.
An der Börse wird derzeit mit Zinsschritten nach unten im Gesamtvolumen von 1,27 Prozentpunkten gerechnet. Die erste Zinssenkung wird im April oder Juni erwartet. Vor zwei Wochen waren noch deutlichere Zinssenkungen im Gesamtumfang von 1,50 Prozentpunkten für möglich gehalten worden.
Eine Reihe von Währungshütern, darunter auch Bundesbank-Chef Joachim Nagel, hatte allerdings jüngst das Weltwirtschaftsforum in Davos genutzt, um die ausufernden Zinsfantasien wieder etwas einzufangen. Lagarde wies unter anderem darauf hin, dass der EZB Daten zu den diesjährigen Tarifabschlüssen in den Euroländern womöglich erst im späten Frühjahr vorliegen würden. Diese gelten als wichtiges Barometer für die weitere Entwicklung der Inflation.
Experte wünscht sich "klarere Kommunikation"
Auch weitere Experten halten die neuerliche Zinspause derweil für richtig. "Die EZB sollte sich von den aggressiven Zinssenkungserwartungen der Finanzmärkte nicht unter Druck setzen lassen", erklärte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Solange die Löhne weiterhin so stark steigen wie zuletzt, sei das Inflationsproblem noch nicht gelöst. "Die 70er-Jahre zeigen, wie gefährlich es ist, wenn eine Zentralbank den Sieg über die Inflation zu früh erklärt."
"Die Entscheidung der EZB, den Leitzins noch nicht zu senken, ist verständlich und zu diesem Zeitpunkt auch richtig", sagte auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft. Er hätte sich jedoch "eine klarere Kommunikation gewünscht, die auf die Notwendigkeit von Zinssenkungen in diesem Jahr hinweist", um die Finanzierungsbedingungen zu verbessern. Denn die Geldpolitik sei die größte Bremse für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr.