EU will spekulative Finanzprodukte stärker kontrollieren "Kein Finanzmarkt darf Wildwest bleiben"
Die EU-Kommission will den undurchsichtigen Handel mit Derivaten und Leerverkäufe vereinheitlichen und transparenter machen. Kommissar Barnier legte dazu zwei Jahre nach Beginn der Finanzkrise Gesetzesvorschläge vor: Einzelne Pleiten dürften nie mehr das System destabilieren, mahnte er.
Zwei Jahre nach Beginn der weltweiten Finanzkrise geht die EU-Kommission gegen den Missbrauch mit spekulativen Finanzprodukten vor. Die EU-Kommission will gegen den Missbrauch mit spekulativen Finanzprodukten vorgehen. Der außerbörsliche Handel mit Derivaten und Kreditausfallversicherungen soll vereinheitlicht werden. Zudem soll der Handel mit solchen Produkten an die Börse kommen. "Kein Finanzmarkt darf Wild-West-Gebiet bleiben", sagte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, der dazu zwei Gesetzesvorschläge vorlegte.
Derivate sollen künftig zentral über eine Stelle abgewickelt werden, die Ausfälle auffängt - wie nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers. Derivate, sind Finanzprodukte, die auf Kursschwankungen von Gütern, Währungen oder Unternehmen spekulieren und die diese Kursschwankungen überproportional nachvollziehen. Bislang lief der Handel nur bilateral zwischen Verkäufer und Käufer. Ein Transaktionsregister soll für Transparenz sorgen. Als Aufsichtsbehörde wird nach dem Willen der Kommission die neue europäische Wertpapieraufsicht ESMA agieren.
Das Geschäft mit Derivaten gilt als Hauptursache für die Finanzkrise, weil es hochgradig undurchsichtig ist und bislang nicht reguliert war. "Einzelne Pleiten sollen nie mehr das gesamte Finanzsystem destabilisieren wie im Fall der Lehman-Pleite", sagte Barnier.
Stärkere Kontrolle von Leerverkäufen
Die EU will auch Leerverkäufe, bei denen Spekulanten auf den Verfall einer Währung oder Aktie wetten und erhebliche Unruhe an den Märkten auslösen können, besser kontrollieren. Laut Entwurf müssen Marktakteure künftig den Aufsichtsbehörden Leerverkäufe melden. Bei hochriskanten Geschäften soll der Verkäufer zumindest nachweisen können, dass er für die Eindeckung mit dem Wertpapier gesorgt hat und nicht Gefahr läuft, in Lieferverzug zu kommen.
Nach dem Vorschlag sollen sowohl die nationalen Aufseher als auch die geplante europäische Börsenaufsicht ESMA künftig zunächst für drei Monate Leerverkäufe verbieten können. Bei Leerverkäufen leihen sich Investoren wie Hedge-Fonds Aktien oder Anleihen, verkaufen diese und hoffen, sie vor der fälligen Rückgabe preiswerter einkaufen zu können. Diese Handelspraxis verschärfte in der Finanzkrise die Talfahrt von Bankaktien, sodass einige Finanzinstitute an den Rand einer Pleite gerieten. Als riskant gelten insbesondere ungedeckte Leerverkäufe, bei denen sich der Investor das gehandelte Papier noch nicht einmal leihen muss. Ungedeckte Leerverkäufe werden zwar nicht verboten, in Zukunft müsste der Investor aber die Beschaffung des zugrundeliegenden Papiers zumindest schon vereinbart haben.
Dem Vorschlag müssen das Europaparlament und die 27 EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Barnier hofft, dass die Vorgaben Ende 2012 Gesetzeskraft erhalten werden.