Kritik an Leerverkaufsverbot Deutscher Alleingang ärgert EU und Investoren
Nach dem überraschenden Vorstoß beim Verbot ungedeckter Leerverkäufe muss Deutschland den nationalen Alleingang rechtfertigen. EU-Kommissar Barnier verlangte ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Frankreich reagierte verschnupft und will dem Schritt nicht folgen. An den Börsen fielen die Kurse.
Deutschland steht nach dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe von Staatsanleihen der Euro-Länder und von Aktien wichtiger Finanzkonzerne in der Kritik. Europäische Partner monierten vor allem den deutschen Alleingang in dieser Frage. Der für Finanzdienstleistungen zuständige EU-Kommissar Michel Barnier sagte, er verstehe die Sorge über mögliche Auswirkungen der riskanten Transaktionen. Doch sei es "wichtig, dass die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam handeln".
Die Angelegenheit müsse deswegen auf dem Eurogruppen-Finanzministertreffen am Freitag in Brüssel besprochen werden. Notwendig sei ein europäisches Regelwerk, um "regulatorische Willkür und eine Aufsplitterung innerhalb der EU und global" zu verhindern. "Diese Maßnahmen werden effizienter, wenn sie auf europäischer Ebene koordiniert werden." Barnier verwies darauf, dass die Kommission bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt habe und dass er binnen weniger Wochen Empfehlungen für Leerverkaufs-Regelungen vorlegen werde. Einen formellen Vorschlag der Kommission werde es aber erst im Oktober geben. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso stellte klar, dass Einigkeit darüber herrsche, dass der Missbrauch von Leerverkäufen bekämpft werden müsse.
Frankreich folgt dem deutschen Vorbild nicht
Auch die französische Regierung reagierte kühl auf den deutschen Vorstoß. "Ich finde, dass jemand bei einer solchen Maßnahme zumindest den Rat der anderen Mitgliedstaaten einholen sollte", sagte die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde. "Wir haben nicht vor, dem Schritt zu folgen." Auch die niederländische Finanzaufsicht AFM machte deutlich, dass sie dem deutschen Beispiel derzeit nicht folgen wolle.
Merkel und Finanzaufsicht rechtfertigen Entscheidung
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Chef der deutschen Finanzaufsicht BaFin, Jochen Sanio, verteidigten die Entscheidung für das Verbot ungedeckter Leerverkäufe bestimmter Papiere. Es diene "der Beseitigung von Missständen im Handelsgeschehen", sagte Sanio bei einer Anhörung im Bundestag. Die Banken seien in Gefahr, dass ihre Kurse bei massiven Leerverkäufen manipuliert würden. Zudem werde der Euro angegriffen.
Merkel machte in ihrer Regierungserklärung im Bundestag deutlich, dass das deutsche Verbot so lange in Kraft bleibe, "bis anderweitige Lösungen auf der europäischen Ebene gefunden" worden sind. Sie rechtfertigte die deutsche Entscheidung ohne vorherige Verständigung auf eine gemeinsame europäische Linie. "In den Bereichen, in denen ein nationaler Alleingang Deutschlands keinen Schaden hervorruft, werden wir auch im nationalen Alleingang handeln", sagte sie.
Kursverluste an den Börsen
An den internationalen Finanzmärkten löste die deutsche Entscheidung Kursverluste aus. Die Aktienindizes an wichtigen Finanzplätzen in New York, Tokio, London, Paris und Frankfurt am Main gingen nach dem Verbot auf Talfahrt. Auch die europäische Gemeinschaftswährung Euro verlor weiter an Wert und fiel auf ein neues Vier-Jahres-Tief. Zeitweise kostete der Euro zum ersten Mal seit 2006 weniger als 1,22 Dollar.